ÜBERLINGEN (dpa/lsw) — Weil sie zum Ziel von Jägern wurden, leben heute kaum noch Waldrap­pe in freier Wildbahn. Seit mehre­ren Jahren versucht ein Projekt, die Zugvö­gel am Boden­see anzusie­deln. Das Brüten ist dabei aber nur ein Schritt zum eigent­li­chen Ziel.

Die Wieder­an­sied­lung der selte­nen Waldrap­pe am Boden­see hat ein wichti­ges Zwischen­ziel erreicht: Erstmals seit Beginn des Projekts im Frühjahr 2017 brüten mehre­re Tiere in der Kolonie bei Überlin­gen. «Das ist auf jeden Fall ein sehr großer Erfolg», sagte die Betreue­rin der Kolonie, Anna-Gabrie­la Schmal­stieg. In den drei Nestern seien schät­zungs­wei­se je drei Eier. «Wir können also, wenn alles gut geht, mit neun Jungvö­geln rechnen», sagte Schmal­stieg. Die ersten Küken könnten am Wochen­en­de schlüpfen.

Ganz ohne Hilfe sei die Brut der von mensch­li­chen Ziehmüt­tern großge­zo­ge­nen Vögel aber nicht möglich gewesen, sagt Schmal­stieg. «Sie wurden tempo­rär in einer Volie­re einge­sperrt, damit sie zum Brüten animiert werden.» Wegen des ersten Corona-Lockdowns war das im Frühjahr 2020 noch nicht möglich gewesen. Von den 16 Tieren in der Überlin­ger Kolonie seien nun aber 9 geschlechts­reif, und drei Paare hätten im Frühling mit dem Brüten an einer Holzwand begonnen.

Mit der Kolonie am Boden­see wird nun auch am letzten der drei Projekt-Stand­or­te zur Ansied­lung der Waldrap­pe Nachwuchs erwar­tet. Im bayeri­schen Burghau­sen und bei Salzburg hatten die Tiere schon früher zu brüten begon­nen. Damit sei ein Zwischen­ziel erreicht, sagte Schmal­stieg. «In unserem Projekt haben wir jetzt insge­samt knapp 150 Tiere. Um eine selbst­er­hal­ten­de Popula­ti­on zu haben, bräuch­ten wir aber etwa 350 mit einer gemein­sa­men Überwinterung.»

Die gänse­gro­ßen Waldrap­pe lebten bis ins 17. Jahrhun­dert im Alpen- und Mittel­meer­raum, unter anderem auch an Felswän­den in Überlin­gen. Dann wurden ihnen Vogel­jä­ger zum Verhäng­nis. Heute sind die Zugvö­gel in freier Wildbahn praktisch ausgestorben.

Im Frühjahr 2017 hatten Mitar­bei­ter des Waldrapp-Projekts etwa 30 Jungvö­gel in eine Art Trainings­camp nach Überlin­gen gebracht. Weil die selte­nen Zugvö­gel ohne Anlei­tung nicht zu ihrem Winter­quar­tier im Süden finden, wurden sie im darauf­fol­gen­den Sommer mit einem Leicht­flug­zeug und Gleit­schirm über die Alpen in die Toska­na geführt.