MÜNCHEN (dpa) — Im auslau­fen­den Jahr waren die Sprit­prei­se auf Achter­bahn­fahrt — mit Rekord­hö­hen. Der Novem­ber war der teuers­te Tankmo­nat aller Zeiten. 2022 wird aus Exper­ten­sicht «spannend».

Die Sprit­prei­se haben im auslau­fen­den Jahr eine wilde Achter­bahn­fahrt hinge­legt. Auf das billigs­te Tankjahr seit der E10-Einfüh­rung folgte nun das teuers­te seit 2013, wie aus Daten des ADAC hervorgeht.

Der Novem­ber war sogar der teuers­te Tankmo­nat aller Zeiten. All das befeu­er­te auch die Debat­te um eine staat­li­che Entlas­tung der Autofahrer.

Bis Ende Novem­ber lag der Durch­schnitts­preis für Super­ben­zin der Sorte E10 im laufen­den Jahr bei 1,514 Euro pro Liter im bundes­wei­ten Durch­schnitt. Bei Diesel waren es 1,373 Euro. Für das Gesamt­jahr erwar­tet der ADAC-Kraft­stoff­markt­ex­per­te Jürgen Albrecht etwas höhere Endstän­de, denn im Dezem­ber waren Diesel und E10 bisher teurer. Grob überschla­gen läuft es also bei E10 auf ein Plus um 26 bis 27 Cent im Vergleich zum Vorjahr hinaus, bei Diesel dürften es um die 27 Cent werden.

Januar war noch billig

Billigs­ter Tanktag war der 1. Januar mit 1,324 Euro für E10 und 1,215 für Diesel. Die teuers­ten Tage fielen bei Diesel auf den 11. Novem­ber mit dem Allzeit­hoch von 1,572 Euro pro Liter. E10 koste­te am 14. Novem­ber 1,701 und schramm­te damit nur knapp am Rekord von 1,709 aus dem Jahr 2012 vorbei. «Bei E10 waren es fast 40 Cent Unter­schied zwischen dem teuers­ten und den billigs­ten Tag, das ist schon außer­ge­wöhn­lich», sagt der ADAC-Exper­te Albrecht.

Wichtigs­ter Treiber war die Entwick­lung des Ölprei­ses. Die sinken­den Corona-Beschrän­kun­gen sorgten für steigen­de Nachfra­ge, doch das Angebot blieb knapp, weil große Förder­län­der wie Saudi-Arabi­en und Russland ihre Produk­ti­on nur vorsich­tig auswei­te­ten. So legten die Preise 2021 deutlich zu: Von 50 Dollar je Fass (159 Liter) zu Jahres­be­ginn auf zeitwei­se mehr als 85 Dollar im Novem­ber. Danach gaben die Märkte wieder ein Stück weit nach.

Schon das ganze Jahr war der Preis­an­stieg beim Öl wacke­lig und unstet verlau­fen. Vor allem sorgten immer wieder neue Entwick­lun­gen in der Corona-Pande­mie für Sorgen. Höhepunkt dieser Entwick­lung war die Entde­ckung der neuen Corona-Varian­te Omikron im Novem­ber. Die Ölprei­se stürz­ten darauf­hin ab, fingen sich aber auch wieder.

Kräfti­ger Anstieg

Wegen explo­die­ren­der Energie­kos­ten zogen im Novem­ber die Import­prei­se insge­samt an — laut Statis­ti­schem Bundes­amt zum Vorjah­res­mo­nat um 24,7 Prozent und damit so stark wie seit der Ölkri­se in den 1970er Jahren nicht. Impor­tier­te Energie war 160 Prozent teurer. Für Erdöl und Mineral­er­zeug­nis­se verdop­pel­ten sich die Einfuhr­prei­se in etwa.

Die steigen­den Kraft­stoff­prei­se haben auch 2021 — wie schon in den Jahren davor immer wieder — eine Debat­te über Steuer­sen­kun­gen und staat­li­che Eingrif­fe wie Preis­ober­gren­zen ausge­löst. Ein großer Teil des Kraft­stoff­prei­ses an der Zapfsäu­le sind Mineral­öl­steu­er, Mehrwert­steu­er und CO2-Preis.

Ökono­men argumen­tie­ren stets, dass eine bloße Steuer­sen­kung nicht automa­tisch zu niedri­ge­ren Sprit­prei­sen führe. Niedri­ge­re Steuern könnten Mineral­öl­kon­zer­ne sogar animie­ren, die Preise stärker anzuhe­ben — um dann davon zu profi­tie­ren. Kriti­ker staat­li­cher Eingrif­fe verwei­sen zudem darauf, dass hohe Ölprei­se Anrei­ze zum sparsa­men Verbrauch verstärkten.

Wie es 2022 weiter­geht, ist aus Sicht des ADAC schwer vorher­zu­sa­gen. Zu viele Fakto­ren haben das Poten­zi­al, den Ölpreis als wichtigs­ten Faktor für die Kosten für Diesel und Benzin zu treiben oder zu senken, wie Albrecht sagt. «2022 wird spannend», ist er sich sicher.

Nur mäßige Entspan­nung erwartet

Die Rohstoff­ex­per­ten der Commerz­bank rechnen mit beding­ter Entspan­nung: So sollten die Preise zwar tenden­zi­ell nachge­ben, aber auf einem höheren Niveau bleiben als vor Corona, heißt es. Auf der Angebots­sei­te sei mit einem Ende der Unter­ver­sor­gung zu rechnen, auch weil große Volks­wirt­schaf­ten wie die USA Teile ihrer strate­gi­schen Reser­ven auf den Markt werfen. Wie sich die Nachfra­ge entwi­ckelt, ist ungewiss und abhän­gig vom Fortgang der Corona-Pande­mie. Starke Einschrän­kun­gen der Mobili­tät, die zum Einbruch der Ölnach­fra­ge im Jahr 2020 geführt hatten, erwar­ten die Exper­ten der Bank aber nicht.

Für Autofah­rer machte sich der Anstieg der Sprit­prei­se im laufen­den Jahr durch­aus im Geldbeu­tel bemerk­bar. Vergleicht man die Kosten für einen typischen Benzin-Pkw mit einer Fahrleis­tung von etwas mehr als 10 500 Kilome­tern im Jahr und acht Litern Verbrauch pro 100 Kilome­tern, wären es mehr als 200 Euro mehr als vergan­ge­nes Jahr. Bei einem typischen Diesel-Pkw mit fast 20.000 Kilome­tern im Jahr und sechs Litern Verbrauch sind es sogar über 300 Euro. Das liegt aber auch daran, dass 2020 ungewöhn­lich günstig war. Vergleicht man es mit dem Sprit­preis­durch­schnitt der vergan­ge­nen zehn Jahre, ist die Verteue­rung nicht einmal halb so groß.

Anstieg geht in Schwan­kun­gen unter

Immer­hin wird das neue Jahr wohl nicht wie 2021 mit einem kräfti­gen Preis­sprung starten. Damals fielen das Ende der Mehrwert­steu­er­sen­kung und die Einfüh­rung des CO2-Preises zusam­men. Mehr als 10 Cent pro Liter machte das aus. 2022 kommt nur eine Erhöhung des CO2-Preises um 5 Euro pro Tonne — auf den Liter Sprit sind das rund einein­halb Cent. «Das geht in den Schwan­kun­gen unter, die man den Tag über hat», sagt Albrecht.

Diese Schwan­kun­gen — zwischen dem Höchst­preis im morgend­li­chen Berufs­ver­kehr und dem Tief am Abend liegen bis zu 7 Cent — sollten Autofah­rer laut Albrecht ebenso nutzen wie Preis­un­ter­schie­de zwischen Tankstel­len. «Benzin und Diesel sind homoge­ne Güter, da gibt es keine relevan­ten Quali­täts­un­ter­schie­de», sagt der ADAC-Exper­te. Wenn die Autofah­rer ihre Markt­macht einsetz­ten, könnten sie so selbst für günsti­ge­ren Sprit sorgen, denn die aktuel­len Preise enthiel­ten noch Luft nach unten. «Und in der Regel muss ich ja nicht binnen drei Minuten tanken, sondern habe eine Wahl.»

Und viele könnten auch durch die Wahl des Treib­stoffs sparen, sagt Albrecht. «Fast alle Benzi­ner können E10 tanken — das ist derzeit etwa 6 Cent pro Liter billi­ger. Trotz­dem greifen die meisten Leute noch zu norma­lem Super­ben­zin — obwohl sie nicht müssten.»

Von Chris­tof Rührmair, dpa, und Bernhard Funck, dpa-AFX