Eine donnern­de Erfolgs­sto­ry par excel­lence: Gerade mal 800 Leute ließen es auf Wackens Wiesen vor 30 Jahren erstmals krachen. Mittler­wei­le ist das Open Air weltbe­kannt und seit Jahren ausverkauft.

Mit seiner Kieler Band Sacred Season hatte der Musiker schon auf größe­ren Open-Air-Festi­vals in Norddeutsch­land wie Jübek und Walsbüll gespielt. Nun also gemein­sam mit fünf anderen norddeut­schen Bands Wacken. Am 24. und 25. August 1990 feier­ten 800 Heavy-Metal-Fans das erste Mal in dem kleinen Ort in Schles­wig-Holstein. «Das war ein kleines, aber geiles Festi­val», sagt Schultz.

Zwei Jahre nach Gründung machte das Wacken Open Air (W:O:A) den ersten Schritt zum Groß-Event. Der Mitbe­grün­der Thomas Jensen nahm bei einer örtli­chen Bank einen Kredit über 25.000 Mark auf, um die angesag­te Metal-Band Saxon zu locken. «Die ersten Jahre haben wir zugepackt», sagt er. Ende der Neunzi­ger melde­ten die Veran­stal­ter Konkurs an. Doch es ging immer weiter.

Ende Juli zieht es die Heavy-Metal-Szene regel­mä­ßig ins sonst beschau­li­che Wacken. Durch die Straßen ziehen­de Metal-Fans (Metal­heads) und die berühm­te Finger-Geste («Pommes­ga­bel») gehören dann fest zum Ortsbild. Genau­so wie lange Schlan­gen vor dem Bäcker und die überfüll­ten Wiesen neben den beiden Riesen­büh­nen. 1996 sorgten die Böhsen Onkelz für den ersten Riesen­stau, erinnert sich Jensen. 1997 trat Lemmy Kilmis­ter mit seiner Band Motör­head das erste Mal hier auf. «Motör­head ist die Band, die alles auf den Punkt bringt, wofür Wacken steht», sagt Jensen. Das Festi­val wurde in der Folge immer größer und ist seit Jahren ausver­kauft. Es gibt eine lange Warteliste.

«Wacken bedeu­tet für viele nach Hause kommen», sagt Jensen. Aus dem Ort mit gut 2000 Einwoh­nern machen die Metal­heads im Sommer eine Stadt mit rund 100.000 Menschen. Die 75.000 Tickets für dieses Jahr waren binnen 21 Stunden vergrif­fen, doch wegen der Corona-Pande­mie musste das diesjäh­ri­ge Festi­val auf 2021 verscho­ben werden.

Als Ersatz gab es vom 29. Juli bis 1. August das Strea­ming-Festi­val Wacken World Wide — und auch in der weiten Welt des Inter­nets kam das Event aus dem kleinen Ort bestens an. «Das größte Wacken aller Zeiten» wurde vier Tage lang im Livestream direkt auf Fernse­her, Handys, Notebooks, Tablets und Smart­phones in die ganze Welt übertra­gen, wie die Veran­stal­ter mitteil­ten. Zusam­men mit der Telekom hatten sie «das weltweit erste Mixed-Reali­ty-Festi­val» entwi­ckelt, und mit elf Millio­nen Live-Content-Views sei gleich ein Magen­ta­Mu­sik 360-Rekord aufge­stellt worden, hieß es. Metal-Ikonen wie Sabaton, Heaven Shall Burn, Kreator, Blind Guardi­an, In Extre­mo, Hämatom und Beyond The Black spiel­ten Live-Shows auf einer eigens gebau­ten Bühne.

Ende Juli 2021 soll das Festi­val dann wieder im wirkli­chen Wacken statt­fin­den. Die ersten Live-Acts sind auch schon bekannt: Judas Priest, ESC-Gewin­ner Lordi und die Dropkick Murphys dürften wieder viele Fans begeistern.

Doch es gibt auch Gegner, die über die Entwick­lung des Festi­vals der letzten Jahre nicht glück­lich sind. «Es gibt schon Wacke­ner, die nicht böse sind, dass es ausfällt», sagt Bürger­meis­ter Axel Kunkel. Offizi­el­len Gegen­wind, beispiels­wei­se in den Gemein­de­rats­sit­zun­gen, gebe es aber nicht. «Die überwäl­ti­gen­de Mehrheit steht dahinter.»

Jensen sagt: «Unser Festi­val wird nicht konsu­miert.» Und fügt hinzu: «Der Fan gestal­tet ganz viel selbst.» Die ersten Jahre stand Jensen mit seiner Band selbst auf der Bühne. Der Zeitpunkt des Festi­vals sei keines­wegs ideal: «Die norddeut­sche Tiefebe­ne im August ist nicht die Zeit, wo inter­na­tio­na­le Künst­ler hier unbedingt rumtur­nen.» Deshalb hätten sie sich stets ein beson­ders Programm einfal­len lassen müssen.

Vor Jahren kehrten auch Sacred Season zurück. Sie hatten in den 1990er Jahren fast 300 Konzer­te gegeben, einen Platten­ver­trag und einen Fernseh­auf­tritt. Zur 25. Aufla­ge in Wacken standen sie dann seit Jahren erstmals wieder gemein­sam auf der Bühne. Hatten die vier Bandmit­glie­der 1990 noch 200 D‑Mark für ihren Auftritt bekom­men, spiel­ten sie nun für lau. «Wir haben sogar finan­zi­ell zugesetzt», sagt Schultz. Sein Bassist wohnt jetzt im Süden und flog extra ein, das Keyboard krach­te vom Ständer und der Hals von Schultz’ Lieblings­gi­tar­re verzog sich nach dem Gig hitze­be­dingt im Kofferraum.

Das frühe Wacken habe er fast verges­sen, sagt Schultz. «Wenn nicht ab und zu Leute danach fragen würden, wäre das eins von vielen kleine­ren Festi­vals, die man mal gespielt hat.» Dagegen sei das heuti­ge Festi­val «ein Meilen­stein» in der Erinne­rung. «Das kann man nicht toppen.» Alles sei perfekt organi­siert gewesen. Sogar der Sound­check sei ihnen abgenom­men worden. «Wir klangen vom ersten Song an wie auf Platte.» Zum anschlie­ßen­den Treffen hätten Fans sogar CDs der Band mitge­bracht. «Man fühlte sich für eine halbe Stunde wie ein Star.»

Festi­val­ma­cher Jensen arbei­tet an den Stars der nächs­ten Jahre. Der 54-Jähri­ge hofft, dass irgend­wann die US-Band Metal­li­ca kommt. «Metal­li­ca sind ja immer für eine Überra­schung gut.» Sie hätten früher auch nie zu träumen gewagt, dass Iron Maiden in Wacken spielen. «Der Running Gag ist nach wie vor auch Manowar.» Andere Größen wie Judas Priest, Ozzy Osbourne oder Rammstein waren längst da — immer nach dem Wacken-Motto «Harder, faster, louder», oder wie Jensen es formu­liert: «Das muss auch ein bisschen knallen!»