BERLIN (dpa) — Eine Einmal­zah­lung vom Staat soll helfen, die hohen Energie­kos­ten aufzu­fan­gen. Im Septem­ber kommt das Geld bei den meisten aufs Konto. Doch lange nicht alle bekom­men die volle Summe — oder überhaupt was ab.

Die Bundes­re­gie­rung strei­tet heftig über das nächs­te Entlas­tungs­pa­ket wegen der hohen Preise — dabei sind die schon beschlos­se­nen Hilfen noch nicht einmal vollstän­dig ausge­zahlt. Im Septem­ber bekom­men Millio­nen Beschäf­tig­te eine staat­li­che Finanz­sprit­ze aufs Konto. Doch wie viel bleibt von den 300 Euro Energie­preis­pau­scha­le wirklich übrig? Kann sie die Preis­stei­ge­run­gen auch nur ansatz­wei­se ausglei­chen? Und was ist mit den vielen Millio­nen Bundes­bür­gern, die keine Beschäf­ti­gung haben?

Bereits im März — der russi­sche Krieg in der Ukrai­ne war gerade einen Monat alt — beschloss die Ampel-Koali­ti­on aus SPD, Grünen und FDP die Einmal­zah­lung. Gerne hätte man das Geld, so heißt es aus Koali­ti­ons­krei­sen, einfach an alle ausge­zahlt. Doch dafür gibt es keinen simplen Weg, weil nicht alle Steuern zahlen oder anders vom Staat zu errei­chen sind. So gab es einen Kompro­miss: Beschäf­tig­te bekom­men das Geld mit der Gehalts­ab­rech­nung vom Arbeit­ge­ber. Offizi­ell heißt es nun, das Geld solle «dieje­ni­gen Bevöl­ke­rungs­grup­pen entlas­ten, denen typischer­wei­se Fahrt­kos­ten im Zusam­men­hang mit ihrer Einkünf­te­er­zie­lung entste­hen» — die also mit Auto oder Bahn zur Arbeit fahren und deshalb höhere Kosten haben.

Wie genau funktio­niert die Energiepreispauschale?

Anspruch auf die 300 Euro haben alle, die in Deutsch­land leben und arbei­ten oder Grenz­pend­ler sind: Angestell­te, Auszu­bil­den­de, Beamte, Solda­ten, Vorstän­de, Minijob­ber oder Aushilfs­kräf­te. Auch Arbeit­neh­mer in Alters­teil­zeit bekom­men Geld. Die Pauscha­le wird in der Regel mit dem Septem­ber-Gehalt gezahlt. Bei Selbst­stän­di­gen wird die Steuer-Voraus­zah­lung vom 10. Septem­ber gesenkt. Wer Anfang des Jahres noch beschäf­tigt war, jetzt aber arbeits­los ist, bekommt das Geld ohne beson­de­ren Antrag über die Steuererklärung.

Warum muss man darauf Steuern zahlen?

Die 300 Euro werden brutto ausge­zahlt. Es werden Lohn- und Einkom­men­steu­er abgezo­gen, aber keine Sozial­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge. Damit will die Ampel eine sozia­le Staffe­lung errei­chen: Menschen mit wenig Einkom­men bekom­men mehr Geld raus als Topverdiener.

Wie viel bleibt dann für wen übrig?

Im Durch­schnitt 193 Euro, sagt das Finanz­mi­nis­te­ri­um. Nur Arbeit­neh­mer, die mit ihrem zu versteu­ern­den Einkom­men unter dem Grund­frei­be­trag von rund 10 000 Euro bleiben, bekom­men die vollen 300 Euro. Bei Spitzen­ver­die­nern dagegen bleiben nach Berech­nung des Steuer­zah­ler­bunds nur rund 180 Euro übrig — etwa Singles mit Steuer­klas­se 1 und 72 000 Euro Jahres­ge­halt. Wer wegen seines hohen Einkom­mens den Reichen­steu­er­satz bezahlt, bekommt noch weniger raus.

Ein verhei­ra­te­ter Arbeit­neh­mer mit Kind, Steuer­klas­se 4 und Jahres­ge­halt von 45.000 Euro erhält 216,33 Euro Pauscha­le. Bei 15.000 Euro Jahres­ge­halt erhiel­te dersel­be Arbeit­neh­mer 248,83 Euro. Ist er in Steuer­klas­se 3, bleibt er unter dem Grund­frei­be­trag und bekommt die vollen 300 Euro.

Wer geht leer aus?

Alle, die keine steuer­pflich­ti­gen Einkünf­te haben. Vor allem viele Rentne­rin­nen und Rentner, aber auch Studen­ten — wenn sie nicht mindes­tens einen Minijob haben. Aufpas­sen muss, wer sich pro forma zum Beispiel von den eigenen Kindern als Babysit­ter anstel­len lässt. Voraus­set­zung für die Pauscha­le sei, dass so ein Dienst­ver­hält­nis «ernst­haft verein­bart und entspre­chend der Verein­ba­rung tatsäch­lich durch­ge­führt wird», heißt es.

Die Bundes­ar­beits­ge­mein­schaft Schuld­ner­be­ra­tung fürch­tet, dass die Pauscha­le überschul­de­ten Menschen bei einer Lohn- oder Konto­pfän­dung direkt wieder wegge­nom­men wird. Das Finanz­mi­nis­te­ri­um stellt klar: Die Pauscha­le sei von einer Lohnpfän­dung nicht betrof­fen, da es sich recht­lich nicht um einen Arbeits­lohn hande­le. Zu Konto­pfän­dun­gen gab es zunächst keine Angaben.

Besteht die Gefahr, dass manche doppelt kassieren?

Das könnte Leuten passie­ren, die angestellt sind und neben­bei freibe­ruf­lich arbei­ten — behal­ten dürfen sie die doppel­te Pauscha­le aber nicht. Das Finanz­amt soll in solchen Fällen korri­gie­rend eingrei­fen. Außer­dem müssen Minijob­ber ihrem Arbeit­ge­ber bestä­ti­gen, dass es sich um das erste Dienst­ver­hält­nis handelt.

Was kostet das ganze den Bund?

Die Pauscha­le selbst erzeugt nach offizi­el­len Angaben Kosten von 13,8 Milli­ar­den Euro. Aller­dings kassiert der Staat auch 3,4 Milli­ar­den Euro dadurch, dass die Beschäf­tig­ten auf die Pauscha­le Lohn- und Einkom­men­steu­er sowie in einigen Fällen Solida­ri­täts­zu­schlag zahlen. Unterm Strich bleiben Kosten von 10,4 Milli­ar­den Euro.

Reicht das Geld, um den Preis­an­stieg auszugleichen?

Nein, das ist inzwi­schen klar. Gas‑, Strom- und Sprit­preis sind in den vergan­ge­nen Monaten explo­diert. Allein beim Strom zählte das Vergleichs­por­tal Verivox für August, Septem­ber und Oktober 123 Preis­stei­ge­run­gen von Grund­ver­sor­gern, die für einen durch­schnitt­li­chen 3‑Per­so­nen-Haushalt jährli­che Mehrkos­ten von mehr als 300 Euro bedeu­ten. Beim Gas fallen die Erhöhun­gen noch safti­ger aus, dazu kommt die staat­li­che Gasumlage.

Was ist denn dann zusätz­lich geplant?

Die Bundes­re­gie­rung arbei­tet an einem weite­ren Entlas­tungs­pa­ket, von dem laut Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) auch Rentne­rin­nen und Rentner profi­tie­ren sollen. In Regie­rungs­krei­sen erwar­tet man aber, dass dieses Bündel nicht ganz so üppig ausfällt wie das letzte mit Einmal­zah­lun­gen, 9‑Euro-Ticket und Steuer­sen­kun­gen. Es ist wahrschein­lich, dass gezielt Bevöl­ke­rungs­grup­pen mit wenig Geld entlas­tet werden. Für das kommen­de Jahr plant Finanz­mi­nis­ter Chris­ti­an Lindner (FDP) dann eine Steuer­re­form, von der alle Steuer­zah­ler profi­tie­ren sollen.

Von There­sa Münch, dpa