Sie kommen meist in der Nacht, schla­gen blitz­schnell zu und sind Minuten später mit hoher Beute wieder verschwun­den: Banden, die Geldau­to­ma­ten spren­gen. Zurück bleiben verwüs­te­te Gebäu­de und oft genug auch trauma­ti­sier­te Anwoh­ner. Süddeut­schen Ermitt­lern ist nun ein Schlag gegen eine nieder­län­di­sche Bande gelun­gen, die hierzu­lan­de mehr als 50 Geldau­to­ma­ten gesprengt und dabei 5,2 Millio­nen Euro erbeu­tet haben soll.

Die seit Novem­ber 2021 aktiven Täter hatten sich nach aktuel­len Erkennt­nis­sen stets Geldau­to­ma­ten in den beiden süddeut­schen Bundes­län­dern ausge­sucht, mit Ausnah­me einer Attacke in Thürin­gen. Das teilten die Landes­kri­mi­nal­äm­ter Bayern und Baden-Württem­berg sowie die Staats­an­walt­schaft Bamberg am Donners­tag in München mit.

Drei Tage zuvor hatten die Beamten bei einer Razzia in den nieder­län­di­schen Provin­zen Utrecht und Limburg sowie in Belgi­en in Zusam­men­ar­beit mit der dorti­gen Polizei 16 Gebäu­de durch­sucht. Dabei wurden neun per Haftbe­fehl gesuch­te Männer im Alter von 25 bis 41 Jahren festge­nom­men, die nun nach Deutsch­land ausge­lie­fert werden sollen. Nach drei weite­ren wird noch gefahn­det. «Es handelt sich hierbei um eine der größten Aktio­nen gegen Geldau­to­ma­ten-Spren­ger in den Nieder­lan­den», teilten die deutschen Ermitt­ler mit.

«Moder­ne» Überfall-Strategie

«Die Geldau­to­ma­ten­spren­gung gilt als Banküber­fall der Moder­ne», bilan­zier­te Bayerns Justiz­mi­nis­ter Georg Eisen­reich (CSU). Für die Täter sei die Metho­de wegen der hohen Beute­sum­men attrak­tiv, obwohl darauf bis zu 15 Jahre Haft stünden. Innen­mi­nis­ter Joachim Herrmann (CSU) berich­te­te unter Berufung auf das Bundes­kri­mi­nal­amt (BKA), bundes­weit habe es im Vorjahr 493 solcher Taten gegeben — ein Rekord.

Das BKA hatte zuvor auf Anfra­ge erläu­tert: «Teilwei­se haben sich bis zu fünf Geldau­to­ma­ten­spren­gun­gen in einer Nacht im gesam­ten Bundes­ge­biet ereig­net.» Dabei verwen­de­ten die Täter zuletzt oft feste Explo­siv­stof­fe, wodurch die Explo­sio­nen ein deutlich höheres Gefah­ren­po­ten­zi­al bekom­men als bei der zuvor üblichen Metho­de der Spren­gung durch einge­lei­te­tes Gas. Anschlie­ßend rasen sie meist mit hoch motori­sier­ten Autos davon. Im Fall der nun aufge­flo­ge­nen Bande hatte der mit gestoh­le­nen Kennzei­chen verse­he­ne und mit Reser­ve­ka­nis­tern belade­ne Flucht­wa­gen 600 PS.

Durch die Spren­gung selbst ist in Deutsch­land noch kein Todes­op­fer zu bekla­gen gewesen. Aller­dings kam es laut BKA danach bereits mehrfach zu tödli­chen Verkehrs­un­fäl­len. «Die Todes­op­fer waren bislang ausschließ­lich Täter.» Manche ihrer Kompa­gnons erlit­ten zudem schwers­te Verlet­zun­gen. Unbetei­lig­te Dritte mussten den Angaben zufol­ge wegen Rauch­ver­gif­tun­gen, Schock­zu­stän­den oder Knall­trau­ma­ta behan­delt werden.

Meist hoher Sachschaden

«Die Täterin­nen und Täter spren­gen sich völlig rücksichts­los den Weg zum Geld frei, riskie­ren das Leben unbetei­lig­ter Menschen und zerstö­ren Gebäu­de», beton­te deshalb auch Baden-Württem­bergs Innen­mi­nis­ter Thomas Strobl (CDU) per Mittei­lung. Der Sachscha­den sei dabei regel­mä­ßig höher als die Beute. Bei der aktuel­len Serie beläuft er sich den Angaben zufol­ge auf 6,5 Millio­nen Euro.

Aufgrund «der Skrupel­lo­sig­keit und außer­or­dent­li­chen Gefähr­lich­keit bei der Ausfüh­rung» ermit­telt die Staats­an­walt­schaft deshalb nun nicht nur wegen schwe­ren Banden­dieb­stahls, Herbei­füh­ren einer Spreng­stoff­ex­plo­si­on und Zerstö­rung von Bauwer­ken, sondern in elf Fällen auch wegen versuch­ter Tötungs­de­lik­te. Oft genug lagen über den Automa­ten Wohnun­gen, einmal musste ein Alten­heim evaku­iert werden.

Um den Tätern das Handwerk zu legen, setzen Polizei und Politik auch auf die Banken und Automa­ten­her­stel­ler. In gemein­sa­men Gesprä­chen wurde Ende vergan­ge­nen Jahres festge­legt, dass nicht nur an Automa­ten in beson­ders gefähr­de­ter Lage Maßnah­men ergrif­fen werden sollen. Dazu können eine nächt­li­che Sperrung der Selbst­be­die­nungs-Foyers, eine Reduk­ti­on der Geldbe­stän­de, Verne­be­lung oder Verfär­be- und Verkle­bungs­me­cha­nis­men gehören, die das Geld bei einer Attacke unbrauch­bar machen.

Der baden-württem­ber­gi­sche Sparkas­sen­prä­si­dent Peter Schnei­der beklag­te jedoch just am Donners­tag, dass die Banken den Tätern oft «hinter­her­in­ves­tier­ten». So mehrten sich im Südwes­ten die Attacken, bei denen die Täter mecha­ni­sches Spreiz­werk­zeug benutz­ten, das sonst die Feuer­wehr bei Verkehrs­un­fäl­len im Einsatz hat.

Von Elke Richter, dpa