Der Bundes­prä­si­dent hat zum Kaffee geladen, um über Corona zu reden — auch mit Kriti­kern der Maßnah­men. Sein Fazit: Die eine oder andere Frage lasse sich durch­aus gemein­sam erörtern, wenn man die eigene Sicht nicht als Maß der Dinge sieht.

Es gebe sicher­lich unter­schied­li­che Sicht­wei­sen auf die Pande­mie und die Maßnah­men — je nachdem, ob man auf dem Land lebe oder in der Stadt, ob man Kinder habe oder womög­lich der Arbeits­platz gefähr­det sei, sagte der Bundes­prä­si­dent am Diens­tag in Berlin. In der Debat­te über Corona-Maßnah­men müsse aber die Meinung anderer ernst genom­men und respek­tiert werden. Die eigene Kritik sei nicht die einzig richti­ge Sicht der Dinge.

Stein­mei­er hatte mehre­re Bürge­rin­nen und Bürger, darun­ter auch Gegner oder Kriti­ker der Corona-Maßnah­men, zu einer sogenann­ten Kaffee­ta­fel einge­la­den. Der Bundes­prä­si­dent wies in der Debat­te auf die hohe Zustim­mung in der Bevöl­ke­rung zu den Maßnah­men hin. Er hoffe, dass Deutsch­land Erfah­run­gen wie in Frank­reich oder Spani­en erspart bleiben, sagte Stein­mei­er zu der Möglich­keit einer zweiten Infek­ti­ons­wel­le. «Vielleicht sind wir ein bisschen Opfer des eigenen Erfolgs.» Die Zahl der Corona-Opfer sei in Deutsch­land wohl deshalb so gering, «weil wir dieses Manage­ment hatten».

Er habe zur Kaffee­ta­fel einge­la­den, als die tägli­chen Infek­ti­ons­zah­len deutlich unter 1000 gelegen hätten. Aktuell liegen sie wieder über dieser Marke. Der Virolo­ge Jonas Schmidt-Chana­sit unter­strich, dass trotz der steigen­den Zahlen die Belas­tung in den Kranken­häu­sern glück­li­cher­wei­se nicht zu stark sei — dies könne sich aber auch ändern. Man brauche Erfol­ge bei der Forschung. Denn je länger die Pande­mie das Leben beein­träch­ti­ge, desto größer die Gefahr der gesell­schaft­li­chen Spaltung.

Der Bundes­prä­si­dent zeigte grund­sätz­lich Unver­ständ­nis dafür, dass wissen­schaft­li­che Erkennt­nis­se «gänzlich in Zweifel gezogen» würden. Gleich­wohl sei es verständ­lich, wenn man die Maßnah­men kritisiere.

Eine Teilneh­me­rin der Kaffee­ta­fel monier­te, dass kriti­sche Meinun­gen unter­drückt und die Kriti­ker gleich in die Ecke der Rechts­ra­di­ka­len gedrängt würden. Eine bitte­re Erfah­rung nannte sie, dass viele Menschen ohne Verab­schie­dung starben — auch solche, die nicht im Zusam­men­hang mit dem Corona­vi­rus gestor­ben seien. «Es war ein wirklich einsa­mer Tod», sagte sie und ließ deutli­che Zweifel erken­nen, dass dies notwen­dig gewesen sei.

Nach Darstel­lung mehre­re Teilneh­mer der Tafel lebten viele Menschen in diesen Zeiten mit großer Angst, ja Panik. Angst führe zu Einsam­keit und Isola­ti­on, so ein Argument, eine solch weitrei­chen­de Verun­si­che­rung der Bürger könne ein Land schwächen.

Stein­mei­er lobte dagegen, dass die führen­den Virolo­gen in Deutsch­land — Chris­ti­an Drosten, Hendrik Streeck oder eben Schmidt-Chana­sit — gerade keine Panik verbrei­tet hätten. Es sei für die Politik auch ein Lernpro­zess gewesen, dass es in dieser Pande­mie nicht den einen richti­gen Rat eines Virolo­gen geben konnte, sondern dass sich hier erst etwas entwickle.

Deutlich wurde in der Runde, dass vor allem Angst zu unter­schied­li­chen Reaktio­nen führt. Der eine zieht aus Angst oder — wie es die Frau des Bundes­prä­si­den­ten, Elke Büden­ben­der, ausdrück­te — aus Respekt vor dem Corona­vi­rus seine Gesichts­mas­ke auf und hält sich strikt an die Regeln. Auf andere in einer anderen Lebens­la­ge wirkt die Maske selbst beängstigend.

Wenn die Angst nicht genom­men werde, werde auch dadurch der Graben in der Bevöl­ke­rung immer tiefer, argumen­tier­te ein anderer Teilneh­mer. Das merke man auch in den Schulen, wo Corona-Fälle zum Teil zu massi­ven Beschul­di­gun­gen unter den Eltern führten — auch wenn der Erreger ohne Fahrläs­sig­keit einge­fan­gen worden sei.