BERLIN (dpa) — Ab heute gelten bestimm­te Corona-Einschrän­kun­gen für Geimpf­te und Genese­ne nicht mehr. Bislang betref­fen die Locke­run­gen aber nur einen kleinen Teil der Menschen.

Für vollstän­dig gegen Corona Geimpf­te und Menschen, die eine Infek­ti­on nachweis­lich schon durch­ge­macht haben, sind ab heute bundes­weit wesent­li­che Einschrän­kun­gen aufge­ho­ben. Seit Mitter­nacht gilt eine neue Verordnung.

Demnach können sich diese Menschen unein­ge­schränkt mit anderen Menschen treffen und müssen auch nächt­li­che Ausgangs­be­schrän­kun­gen, die aufgrund der sogenann­ten Bundes-Notbrem­se verhängt wurden, nicht mehr beachten.

Vollstän­dig geimpft sind nach den gestri­gen Angaben des Robert Koch-Insti­tuts bisher knapp 7,6 Millio­nen Menschen (9,1 Prozent). Fast 27 Millio­nen Menschen haben eine Erstimp­fung erhal­ten (32,3 Prozent). Vor allem der ältere Teil der Bevöl­ke­rung ist zuneh­mend geimpft.

FREUNDE UND FAMILIE TREFFEN

Geimpf­te und Genese­ne dürfen sich priva­ten Rahmen wieder ohne Einschrän­kun­gen mit anderen Geimpf­ten und Genese­nen treffen. Bei Treffen mit Ungeimpf­ten zählen Geimpf­te und Genese­ne laut Verord­nung ebenso wie Kinder unter 14 nicht mehr mit. Auch die nächt­li­chen Ausgangs­be­schrän­kun­gen gelten für sie nicht mehr. Nach Reisen müssen vollstän­dig Geimpf­te und Genese­ne nur noch in Ausnah­me­fäl­len in Quaran­tä­ne — etwa, wenn sie aus einem Virus­va­ri­an­ten­ge­biet einreisen.

MASKENPFLICHT BLEIBT

Perso­nen­be­schrän­kun­gen für kontakt­lo­se Indivi­du­al­sport­ar­ten, also beispiels­wei­se Joggen, entfal­len für diese Gruppen ebenfalls. Und schließ­lich müssen sie beim Einkau­fen oder beim Friseur keinen negati­ven Test mehr vorwei­sen. Es reicht dann der Impfnach­weis, etwa das gelbe Impfheft. Die Masken­pflicht an bestimm­ten Orten und das Abstands­ge­bot im öffent­li­chen Raum gelten aber weiter­hin für alle.

IMPFUNG, POSITIVER PCR-TEST ODER BEIDES

Als vollstän­dig geimpft gelten die, die ihre notwen­di­ge letzte Sprit­ze — in der Regel sind es zwei — vor mindes­tens zwei Wochen bekom­men haben. Wer schon nachweis­lich von Corona genesen ist und sich impfen lässt, gilt schon nach einer Sprit­ze als vollstän­dig geimpft. Als genesen gelten grund­sätz­lich dieje­ni­gen, die mit einem mindes­tens 28 Tage und höchs­tens sechs Monate alten positi­ven PCR-Test nachwei­sen können, dass sie eine Corona-Infek­ti­on hatten.

WARNUNG VOR FÄLSCHUNGEN VON IMPFPÄSSEN

Bundes­jus­tiz­mi­nis­te­rin Chris­ti­ne Lambrecht warnte davor, Impfaus­wei­se zu fälschen oder gefälsch­te Dokumen­te zu nutzen. «Wer dies tut, setzt andere der Gefahr einer schwe­ren Erkran­kung aus und verhin­dert eine wirkungs­vol­le Bekämp­fung der Pande­mie», sagte die SPD-Politi­ke­rin der «Welt am Sonntag». «Das ist kein Kavaliers­de­likt, sondern eine Straf­tat, die mit empfind­li­cher Geldstra­fe oder mit Freiheits­stra­fe geahn­det werden kann.» Das gelte nicht nur für die Fälscher, sondern auch für dieje­ni­gen, die die gefälsch­ten Dokumen­te gebrauchten.

«Auch wer das echte Dokument eines anderen als sein eigenes ausgibt, macht sich straf­bar», mahnte sie. «Ich bin sicher, dass hier genau hinge­schaut wird. Wer täuscht, fliegt schnel­ler auf als er denkt und riskiert ein Straf­ver­fah­ren.» Lambrecht sagte, das geplan­te digita­le Impfzer­ti­fi­kat müsse gerade mit Blick auf die anste­hen­de Urlaubs­sai­son «schnellst­mög­lich» kommen. «Wir müssen dabei sicher­stel­len, dass die Übertra­gung von gefälsch­ten Impfnach­wei­sen auf das elektro­ni­sche Zerti­fi­kat verhin­dert wird und die Taten zur Anzei­ge gebracht werden.» Die Freiga­be für die Übertra­gung soll es nach ihren Worten deshalb dort geben, wo auch geimpft worden sei.

Der Vize-Chef der Gewerk­schaft der Polizei, Jörg Radek, sagte den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe (Online Sonntag, Print Montag): «Es gibt keine Standards für die Ausstel­lung von Attes­ten für Corona-Genese­ne. Dies lässt Spiel­raum für Täuschungsversuche.»

SPANNUNGEN IN DER GESELLSCHAFT

Nach Einschät­zung des Deutschen Ethik­rats wird die Aufhe­bung von Corona-Aufla­gen für Geimpf­te und Genese­ne in der Gesell­schaft zu Konflik­ten führen. Ethik­rats­vor­sit­zen­de Alena Buyx sagte den Zeitun­gen der Funke-Medien­grup­pe (Online Sonntag, Print Montag): «Kinder, Jugend­li­che, Auszu­bil­den­de und Studen­tin­nen sind nicht geschützt und dürfen weniger. Geimpf­te dagegen haben den doppel­ten Vorteil: Sie sind geschützt und dürfen mehr.» Damit gebe es ein echtes Solida­ri­täts- und Gerech­tig­keits­pro­blem mit sozia­ler Spannung.

«Man muss aufpas­sen, dass die Spannung nicht zur Spaltung wird», sagte Buyx. «Ich erwar­te von der Politik, dass sie diese tempo­rär ungerech­te Situa­ti­on ernst nimmt, anspricht und gestal­tet.» Es müsse Angebo­te für dieje­ni­gen geben, die ungeimpft weniger Freihei­ten hätten. «Man könnte die freiwer­den­den Testka­pa­zi­tä­ten Famili­en und jungen Menschen anbie­ten.» Auch eine Erhöhung des Impftem­pos könne zu einer gesell­schaft­li­chen Entspan­nung beitra­gen. Es brauche auf jeden Fall «große und kreati­ve Förder­pro­gram­me» für die junge Genera­ti­on, um die verschie­de­nen Belas­tun­gen und Rückstän­de zu kompensieren.