STUTTGART (dpa/lsw) — Auf die «Bundes-Notbrem­se» will Baden-Württem­berg nicht warten und legt schon­mal vor. Ab Montag gelten für Hotspots einheit­lich schär­fe­re Regeln. Nicht bei allem folgt der Südwes­ten aber den Plänen aus Berlin.

Baden-Württem­berg zieht die Notbrem­se und verschärft schon am Montag die Corona-Maßnah­men in den Hotspots im Südwes­ten. Am Wochen­en­de legte das Land die neue Corona-Verord­nung vor, die der angekün­dig­ten, bisher aber noch ausste­hen­den «Bundes-Notbrem­se» vorgreift. In Stadt- und Landkrei­sen, in denen die Inzidenz an drei aufein­an­der­fol­gen­den Tagen über 100 liegt, treten damit unter anderem verschärf­te Kontakt­re­geln in Kraft. Museen, Zoos und Wettan­nah­me­stel­len müssen schlie­ßen, für den Friseur­be­such ist ein negati­ver Schnell­test erfor­der­lich. Bei den Regeln für den Einzel­han­del weicht Baden-Württem­berg vom Gesetz­ent­wurf des Bundes ab: Abhol­an­ge­bo­te bleiben erlaubt.

Nach den jüngs­ten Zahlen des Landes­ge­sund­heits­amts in Stutt­gart liegen nur noch sechs Stadt- und Landkrei­se im Südwes­ten unter der Inzidenz von 100. Darüber liegen 38 Kreise, davon 10 sogar über 200.

Ab einer Inzidenz von über 100 dürfen nur noch Laden­ge­schäf­te der Grund­ver­sor­gung öffnen — also etwa Super­märk­te, Apothe­ken und Droge­rien. Bei der maximal zuläs­si­gen Verkaufs­flä­che pro Kunde verschärft das Land die Aufla­gen: von 10 auf 20 Quadrat­me­ter bei Laden­flä­chen bis 800 Quadrat­me­ter und von 20 auf 40 Quadrat­me­ter bei Laden­flä­chen über 800 Quadratmeter.

Das Sozial­mi­nis­te­ri­um sieht in der Zulas­sung von Abhol­an­ge­bo­ten, dem sogenann­ten Click&Collect, keine Abwei­chung vom Gesetz­ent­wurf des Bundes. «Der vorlie­gen­de Entwurf und die Beratun­gen über eine bundes­ge­setz­li­che ‘Notbrem­se’ deuten aus unserer Sicht darauf hin, dass auch der Bund Click&Collect weiter zulas­sen und nur die Öffnung für den Kunden­ver­kehr unter­sagt sehen will», beton­te Amtschef Uwe Lahl. «Von einer Schlie­ßung von Abhol­stel­len ist dort nicht die Rede.» Gerade vor dem Hinter­grund, dass man die bundes­wei­ten Regelun­gen vorweg­neh­men wolle, sei die Entschei­dung konse­quent und stütze auch den Handel, sagte er.

Auch im priva­ten Bereich gelten bei Aktivie­rung der Notbrem­se schär­fe­re Regeln. Mitglie­der eines Haushalts dürfen sich nur noch mit einer weite­ren Person eines anderen Haushalts treffen — Kinder unter 14 Jahren nicht mitge­zählt. Hier hatte Baden-Württem­berg, anders als von Bund und Ländern einst verein­bart, bisher auch in Regio­nen mit hohen Inziden­zen mehr erlaubt.

Zwischen 21.00 und 5.00 Uhr darf man in Hotspots die eigene Wohnung oder das eigene Grund­stück nur noch aus «trifti­gen Gründen» verlas­sen, etwa um zur Arbeit oder zum Arzt oder mit dem Hund Gassi zu gehen. Sport oder Spazie­ren gehen zählt nicht dazu. In zahlrei­chen Kreisen im Südwes­ten galten solche Regeln aber ohnehin schon.

Für Schulen und Kitas gilt: Überschrei­tet die Sieben-Tage-Inzidenz an drei aufein­an­der­fol­gen­den Tagen den Schwel­len­wert von 200, wird der Präsenz­un­ter­richt verbo­ten. Ausnah­men beson­ders für Abschluss­klas­sen und auch eine Notbe­treu­ung sind möglich. Angesichts der Zahlen stell­te sich Schulen schon vergan­ge­ne Woche die Frage, ob sie am Montag überhaupt öffnen sollten. Stutt­gart und Ulm haben angekün­digt, die für diesen Montag geplan­te weitge­hen­de Öffnung der Schulen und Kitas zu verschieben.

Weil die Länder verein­bar­te Maßnah­men gegen die dritte Corona-Welle unein­heit­lich umsetz­ten und die Infek­ti­ons­la­ge zugleich mehr und mehr außer Kontrol­le gerät, soll die «Notbrem­se» auf Bundes­ebe­ne gesetz­lich veran­kert werden. In Landkrei­sen mit mehr als 100 wöchent­li­chen Neuin­fek­tio­nen pro 100 000 Einwoh­nern müssten Locke­run­gen dann verpflich­tend zurück­ge­nom­men werden. Baden-Württem­berg wollte nicht warten, bis der Entwurf im Bund beschlos­sen ist, und hat die Notbrem­se schon in die neue Corona-Verord­nung einge­ar­bei­tet. Sie tritt jeweils wieder außer Kraft, wenn die Schwel­le von 100 in einer Region an fünf aufein­an­der­fol­gen­den Tagen unter­schrit­ten wird. Auch Branden­burg und Mecklen­burg-Vorpom­mern wollen schon an diesem Montag beginnen.

Die Bundes­re­gie­rung will trotz anhal­ten­der Kritik an der einheit­li­chen «Notbrem­se» festhal­ten. Mehre­re Minis­ter vertei­dig­ten am Wochen­en­de auch die beson­ders umstrit­te­nen Pläne für Ausgangs­be­schrän­kun­gen abends und in der Nacht. Wirtschafts­mi­nis­ter Peter Altmai­er (CDU) sagte der «Frank­fur­ter Allge­mei­nen Sonntags­zei­tung», man wolle sich das Vorha­ben nicht wieder «zerre­den» lassen. Bundes­tag und Bundes­rat wollen in den nächs­ten Tagen darüber entschei­den. Kriti­ker drohen bereits mit dem Gang vors Bundesverfassungsgericht.