LONDON (dpa) — Medien­be­rich­ten zufol­ge könnte Boris Becker bald aus Großbri­tan­ni­en nach Deutsch­land abgescho­ben werden. Drohen ihm in seinem Heimat­land juris­ti­sche Konsequenzen?

Ex-Tennis-Star Boris Becker droht im Falle einer Abschie­bung aus briti­scher Haft nach Deutsch­land keine weite­re Strafe. «Für dassel­be Verge­hen oder Verbre­chen kann man nicht mehrfach straf­recht­lich verfolgt werden», sagte die Rechts­an­wäl­tin Natalie von Wisting­hau­sen der Deutschen Presse-Agentur. «Dahin­ter steckt der Rechts­grund­satz «ne bis in idem», also das Verbot der Doppel­be­stra­fung.» Auch die Rechts­an­wäl­tin Gül Pinar, Mitglied des Ausschus­ses Straf­recht des Deutschen Anwalt­ver­eins (DAV), beton­te: «Er kommt als freier Mensch an.»

Briti­schen Medien­be­rich­ten zufol­ge steht Beckers Freilas­sung und umgehen­de Abschie­bung kurz bevor. «Er wird vom Gefäng­nis direkt von der Polizei zum Flugha­fen gebracht», sagte Pinar. Norma­ler­wei­se würden Abschie­be­häft­lin­ge mit Linien­flü­gen ausrei­sen und in Deutsch­land in Frank­furt am Main landen. Möglich sei aber auch, dass Becker mit einem Privat­jet das Land verlässt, in dem er seit rund zehn Jahren lebt. Die briti­sche Zeitung «Daily Mail» legte diese Varian­te nahe. Sie will aus einer Quelle erfah­ren haben, dass Becker ein priva­ter Flug nach Deutsch­land bezahlt wird.

Der dreifa­che Wimble­don-Sieger war Ende April zu zweiein­halb Jahren Haft verur­teilt worden. Er hatte seinen Insol­venz­ver­wal­tern Vermö­gens­wer­te in Millio­nen­hö­he verschwie­gen. Nach briti­schem Recht muss Becker eigent­lich mindes­tens die Hälfte der Strafe absit­zen, bevor er auf Bewäh­rung entlas­sen werden kann. Das wäre Ende Juli 2023 der Fall. Da der 55-Jähri­ge aber nicht briti­scher Staats­bür­ger ist, könnte er von einem Schnell­ver­fah­ren profi­tie­ren, mit dem auslän­di­sche Häftlin­ge schnel­ler abgescho­ben werden sollen, um den Druck auf die überfüll­ten briti­schen Gefäng­nis­se zu lindern.

Nach seiner Abschie­bung darf Becker aller Voraus­sicht nach länge­re Zeit nicht nach Großbri­tan­ni­en einrei­sen, obwohl dort seine Partne­rin wohnt. Der Zeitung «Mirror» zufol­ge gilt das Einrei­se­ver­bot mindes­tens so lange, wie seine eigent­li­che Strafe gewährt hätte, also bis Ende Oktober 2024. Anwäl­tin Pinar sagte, dass der Zeitraum norma­ler­wei­se länger sei und mindes­tens fünf Jahre betrage.

Offen ist bisher auch, ob Becker sich an bestimm­te Bewäh­rungs­auf­la­gen zu halten hat. Dabei werde in der Regel mindes­tens vorge­schrie­ben, dass ein Wohnort­wech­sel bei den Behör­den anzuzei­gen ist, sagte Pinar. Doch hier könnte Becker der Brexit zugute­kom­men. Seit dem briti­schen EU-Austritt könnten etwaige Bewäh­rungs­auf­la­gen nicht mehr auf der Grund­la­ge von EU-Recht in Deutsch­land überwacht werden, teilte das Bundes­jus­tiz­mi­nis­te­ri­um auf Anfra­ge mit. «Eine isolier­te Vollstre­ckung von Bewäh­rungs­auf­la­gen sehen andere völker­ver­trag­li­che Rechts­grund­la­gen nicht vor», hieß es weiter.

Zwar könnte mögli­cher­wei­se gelten, dass sich laut dem Gesetz über die inter­na­tio­na­le Rechts­hil­fe in Straf­sa­chen (IRG) die Zustän­dig­keit deutscher Behör­den aus dem Wohnsitz des Verur­teil­ten ergebe. Sollte Becker also beispiels­wei­se in seinem Geburts­ort Leimen unter­kom­men, wo seine Mutter Elvira lebt, wäre die Justiz von Baden-Württem­berg zustän­dig. Aller­dings sei kein vergleich­ba­rer Fall bekannt, «in dem eine Abschie­bung nach Deutsch­land mit einer Überwa­chung von Aufla­gen einher­ging», hieß es aus dem Ministerium.