Angesichts weiter steigen­der Corona-Zahlen gibt es für viele Menschen in Deutsch­land immer mehr Beschrän­kun­gen. Doch zuneh­mend wird auch Kritik an den Maßnah­men laut.

Köln überschritt als weite­re deutsche Großstadt die wichti­ge Warnstu­fe von 50 Neuin­fek­tio­nen pro 100.000 Einwoh­ner in sieben Tagen. Wirtschafts­ver­bän­de laufen unter­des­sen Sturm gegen das unein­heit­li­che Vorge­hen der Bundes­län­der bei der Bekämp­fung der Corona-Pandemie.

Das nordrhein-westfä­li­sche Landes­zen­trum Gesund­heit gab den Wert für die Millio­nen­stadt Köln am Samstag mit 54,8 an. Die Kölner Stadt­ver­wal­tung hatte das Überschrei­ten der Schwel­le erwar­tet und deshalb von diesem Samstag an bereits zahlrei­che Einschrän­kun­gen für das öffent­li­che Leben angeord­net. Auf Straßen und Plätzen darf abends ab 22.00 Uhr kein Alkohol mehr konsu­miert werden. An den Wochen­en­den gilt an Party-Hotspots ein Verkaufs­ver­bot für Alkohol. Zudem dürfen sich nur noch bis zu fünf Perso­nen aus verschie­de­nen Haushal­ten in der Öffent­lich­keit treffen — bisher waren es zehn. Außer­dem wurde die Perso­nen­zahl bei Feiern beschränkt. In Fußgän­ger­zo­nen müssen die Menschen Masken tragen.

Deutsch­land­weit haben sich seit Beginn der Corona-Krise nach RKI-Angaben mindes­tens 319.381 Menschen nachweis­lich mit dem Virus Sars-CoV‑2 infiziert (Daten­stand 10.10., 0.00 Uhr). Die Zahl der Todes­fäl­le im Zusam­men­hang mit einer Corona-Infek­ti­on lag demnach bei 9604. Das waren 15 mehr als am Vortag. Etwa 273 500 Menschen haben die Infek­ti­on nach RKI-Schät­zun­gen überstanden.

Die Repro­duk­ti­ons­zahl, kurz R‑Wert, lag nach RKI-Schät­zun­gen in Deutsch­land laut Lagebe­richt vom Freitag bei 1,34 (Vortag: 1,17). Das bedeu­tet, dass ein Infizier­ter im Mittel mehr als einen weite­ren Menschen ansteckt.

In einer Reihe von Bundes­län­dern haben die Herbst­fe­ri­en begon­nen. Wer aber aus einem Corona-Hotspot kommt, wird in einigen Bundes­län­dern mit einem Beher­ber­gungs­ver­bot belegt. Das trifft etwa viele Berli­ner, die in den Ferien an die Ostsee­küs­te wollten. In der Haupt­stadt wurde am Freitag erneut der wichti­ge Wert von 50 Neuin­fek­tio­nen je 100.000 Einwoh­ner in den vergan­ge­nen sieben Tagen überschritten.

Berlin versucht, mit stren­ge­ren Corona-Regeln der Ausbrei­tung des Virus entge­gen­zu­wir­ken. Neue Vorschrif­ten gelten ab diesem Samstag. Von 23.00 bis 6.00 Uhr müssen Restau­rants, Bars, Kneipen und die meisten Geschäf­te geschlos­sen sein. Bei priva­ten Zusam­men­künf­ten in geschlos­se­nen Räumen dürfen nur noch höchs­tens zehn Menschen zusam­men­kom­men. Im Freien dürfen sich von 23.00 Uhr bis 06.00 Uhr nur noch fünf Perso­nen versammeln.

Am Freitag hatte Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel (CDU) mit den Bürger­meis­tern der elf größten Städte beraten und sich auf eine Reihe von Maßnah­men zur Eindäm­mung der Corona-Pande­mie verstän­digt. Kommen­de Woche steht wieder ein Gespräch Merkels mit den Minis­ter­prä­si­den­ten der Länder an, wie Bayerns Regie­rungs­chef Markus Söder (CSU) angekün­digt hatte. Nach dpa-Infor­ma­tio­nen sollen die Beratun­gen am Mittwoch­nach­mit­tag sein.

Der Präsi­dent des Deutschen Indus­trie- und Handels­kam­mer­ta­ges (DIHK), Eric Schweit­zer, kriti­sier­te «unkoor­di­nier­te Regelun­gen» bei Beher­ber­gungs­ver­bo­ten. Dies sorge aktuell für große Verun­si­che­rung bei den Unter­neh­men, sagte er den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe (Samstag). Schließ­lich hätten gerade die Betrie­be in der Touris­mus­wirt­schaft siche­re Hygie­ne­kon­zep­te ausge­ar­bei­tet, digita­le Lösun­gen entwi­ckelt und sich unter erschwer­ten Bedin­gun­gen weiter engagiert.

Die Haupt­ge­schäfts­füh­re­rin des Hotel- und Gaststät­ten­ver­ban­des Dehoga, Ingrid Hartges, bezeich­ne­te es als «völlig unbefrie­di­gend, dass wir keine bundes­ein­heit­li­chen Regel­wer­ke haben». Gäste wie Hoteliers hätten unzäh­li­ge Fragen und wüssten nicht, was jetzt im Detail gelte. «Daher muss dringend mehr Einheit­lich­keit her», forder­te Hartges in der «Passau­er Neuen Presse» (Online/Samstag). So müsse zum Beispiel generell klar sein, dass Geschäfts­rei­sen­de von den Beher­ber­gungs­ver­bo­ten ausge­nom­men werden.

Unmut kommt auch aus der Ärzte­schaft. Der Chef des Kassen­ärz­te- Verban­des, Andre­as Gassen, warf den Ländern auch überzo­ge­ne Maßnah­men vor. «Diese Regelungs­wut ist oft eher kontra­pro­duk­tiv», sagte der Vorstands­vor­sit­zen­de der Kassen­ärzt­li­chen Bundes­ver­ei­ni­gung (KBV) der «Neuen Osnabrü­cker Zeitung» (Samstag). Gassen bezeich­ne­te inner­deut­sche Reisen als «Pseudo-Gefahr». Massen­in­fek­tio­nen gebe es durch tradi­tio­nel­le Großhoch­zei­ten, in Fleisch verar­bei­ten­den Betrie­ben und durch unkon­trol­lier­tes Feiern. Auch Sperr­stun­den und Alkohol­ver­bo­te wie in Berlin seien «mehr als fragwür­dig». «Durch den Wust an nicht nachvoll­zieh­ba­ren Regelun­gen verlie­ren wir aber eventu­ell die Akzep­tanz für die Maßnah­men, die wirklich etwas bringen», warnte Gassen.

Warnun­gen, die Pande­mie könnte außer Kontrol­le geraten, werte­te er als überzo­gen. «Wir müssen aufhö­ren, auf die Zahl der Neuin­fek­tio­nen zu starren wie das Kanin­chen auf die Schlan­ge, das führt zu falschem Alarmis­mus», sagte Gassen. «Selbst 10.000 Infek­tio­nen täglich wären kein Drama, wenn nur einer von 1000 schwer erkrankt, wie wir es im Moment beobachten.»

Der Virolo­ge Chris­ti­an Drosten hält in den kommen­den Monaten wieder mehr bundes­ein­heit­li­che Regelun­gen zur Bekämp­fung der Corona-Pande­mie für notwen­dig. «Es ist gut, wenn es klare Regeln gibt. Das ist ganz eindeu­tig», sagte er dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (RND/Samstag). Sie durch­zu­set­zen, sei angesichts einer regio­nal unter­schied­li­chen Häufig­keit der Krank­heit derzeit verständ­li­cher­wei­se noch schwie­rig, räumte der Exper­te ein. Er beton­te aber: «Das Virus wird sich immer gleich­mä­ßi­ger vertei­len. Wir werden mehr und mehr in eine Situa­ti­on kommen, wo man besser pauschal reguliert».