BERLIN (dpa) — Ein Stufen­plan soll den Weg aus dem Korsett von Corona-Aufla­gen weisen — so Überle­gun­gen vor der Bund-Länder-Runde. In der Ärzte­schaft gibt es dafür Zustim­mung. Einige Forde­run­gen reichen noch weiter.

Überle­gun­gen für einen Stufen­plan mit Locke­run­gen von Corona-Aufla­gen stoßen bei der Ärzte­schaft auf Zustimmung.

Der Deutsche Städte­tag forder­te vor der nächs­ten Bund-Länder-Runde einen Rechts­rah­men über den 20. März hinaus nach Auslau­fen der im Infek­ti­ons­schutz­ge­setz geregel­ten Maßnah­men. Die Minis­ter­prä­si­den­ten der Länder beraten am Mittwoch mit Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) über das weite­re Vorge­hen in der Corona-Pandemie.

In einem am Montag bekannt gewor­de­nen und zwischen Kanzler­amt, Vorsitz und Co-Vorsitz der Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz (MPK) abgestimm­ten Vorschlag ist davon die Rede, dass bis zum 20. März die Corona-Schutz­maß­nah­men weitge­hend und stufen­wei­se wegfal­len sollen. In einem ersten Schritt sollen priva­te Zusam­men­künf­te für Geimpf­te und Genese­ne wieder mit mehr Menschen ermög­licht werden. Im Einzel­han­del soll die 2G-Regel bundes­weit fallen, die Pflicht zum Masken­tra­gen aber bestehen bleiben.

Fortset­zung der Beratungen

Bei dem der Deutschen Presse-Agentur vorlie­gen­den Papier handelt es sich um eine Diskus­si­ons­grund­la­ge für einen Beschluss­ent­wurf für die Bund-Länder-Gesprä­che. Die Chefs und Chefin­nen der Staats­kanz­lei­en der Länder berie­ten am Montag über die Lage. Die Beratun­gen sollten an diesem Diens­tag fortge­setzt werden.

In der Ärzte­schaft werden die Überle­gun­gen gutge­hei­ßen. «Die Gesell­schaft braucht einen Plan für schritt­wei­se Locke­run­gen, diesen aber selbst­ver­ständ­lich mit Augen­maß», sagte der Vorstands­vor­sit­zen­de der Deutschen Kranken­haus­ge­sell­schaft, Gerald Gaß, dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land. «Dies gilt vor allem auch, weil die Zahlen ja erken­nen lassen, dass wir auch den Schei­tel­punkt der Omikron-Welle überschrit­ten haben.»

Rückgang der Inzidenz

Am Diens­tag melde­te das Robert Koch-Insti­tut (RKI) am dritten Tag in Folge einen Rückgang der bundes­wei­ten Sieben-Tage-Inzidenz — wobei die Aussa­ge­kraft der Daten derzeit einge­schränkt ist. Demnach lag der Wert pro 100.000 Einwoh­ner und Woche bei 1437,5. Zum Vergleich: Am Vortag hatte der Wert bei 1459,8 gelegen. Die Zahlen haben aller­dings im Moment nur begrenz­te Aussa­ge­kraft. Exper­ten gehen von einer hohen Zahl von Fällen aus, die in den RKI-Daten nicht erfasst sind.

Auch der Ärzte­ver­band Marbur­ger Bund hält ein gestuf­tes Vorge­hen für einen «richti­gen Ansatz». «Es kann nur schritt­wei­se gehen und mit Augen­maß», sagte Verbands­che­fin Susan­ne Johna der «Neuen Osnabrü­cker Zeitung». Als letztes sollte die FFP2-Masken­pflicht fallen. Diese sei angesichts der noch hohen Infek­ti­ons­ak­ti­vi­tät gerade in Innen­räu­men unent­behr­lich. «Wahrschein­lich wird man sie erst im Frühsom­mer nicht mehr brauchen, in Teilbe­rei­chen des Gesund­heits­we­sens werden sie aber wohl zum Alltag gehören», sagte Johna voraus.

Montgo­me­ry mit Gegenvorschlag

Der Vorstands­vor­sit­zen­de des Weltärz­te­bun­des, Frank Ulrich Montgo­me­ry, sieht «viel Vernünf­ti­ges in diesem Papier.» Dass man aber die Locke­run­gen an kalen­da­ri­sche Daten festma­che, halte er «für proble­ma­tisch, denn das Virus kümmert sich nicht um den kalen­da­ri­schen Frühlings­an­fang», sagte Montgo­me­ry den Zeitun­gen der Funke-Medien­grup­pe. «Sinnvol­ler wäre es, das an einen Mix von Daten zu Hospi­ta­li­sie­run­gen, Inten­siv­bet­ten­be­le­gun­gen und die Inzidenz der Neuin­fek­tio­nen zu binden», schlug er vor.

Der Virolo­ge Klaus Stöhr rief die Politik zu schnel­len Locke­run­gen auf. «Umfang­rei­che Locke­run­gen sind längst überfäl­lig», sagte er dem RND. Eine Aufhe­bung aller G‑Regeln in Einzel­han­del und Gastro­no­mie sei zwingend notwen­dig, beide Branchen seien nie Hotspots gewesen. FDP-Vize Wolfgang Kubicki sprach sich bei «RTL direkt» dafür aus, auch die Masken­pflicht abzuschaffen.

Der Deutsche Städte­tag mahnte einen Rechts­rah­men für den Infek­ti­ons­schutz für Kontakt­be­schrän­kun­gen, Abstands­re­geln und Masken­pflicht über den 20. März hinaus an. Die Kommu­nen müssten handlungs­fä­hig sein, «wenn neue Virus­va­ri­an­ten anrol­len», sagte Städte­tags­prä­si­dent Markus Lewe dem RND. Wenn das Infek­ti­ons­schutz­ge­setz ohne Ersatz­re­ge­lung im März auslau­fe, «stehen wir sonst mit blanken Händen da», warnte der CDU-Politiker.

Dreyer für «einfa­che schritt­wei­se Lockerungen»

Die rhein­land-pfälzi­sche Minis­ter­prä­si­den­tin Malu Dreyer (SPD) sagte den Funke-Zeitun­gen, sie halte «einfa­che schritt­wei­se Locke­run­gen» für richtig. Wichtig sei eine Verstän­di­gung auf bundes­weit einheit­li­che Regelungen.

Der bayeri­sche Minis­ter­prä­si­dent Markus Söder hatte bereits am Montag für einen Stufen­plan plädiert, um die Corona-Regeln schritt­wei­se zurück­zu­fah­ren. Zugleich hatte er in einem dpa-Inter­view eine länger gülti­ge gesetz­li­che Grund­la­ge für Schutz­maß­nah­men wie die Masken­pflicht und Abstands­re­geln sowie eine Notfall-Strate­gie für mögli­che neue Wellen gefor­dert. In der «Augsbur­ger Allge­mei­nen» mahnte er konkret auch eine einheit­li­che Lösung für die Öffnung von Clubs und Disko­the­ken an, «damit wir keinen Disco- oder Party­tou­ris­mus bekommen».

Wüst: Impfpflicht ist verhältnismäßig

Der CSU-Chef sprach sich ferner für eine allge­mei­ne Impfpflicht aus. Sie könne «die Chance bieten, uns dauer­haft von dem Joch Corona zu befrei­en». Er sei aber offen, ab welchem Alter sie gelten solle. Der nordrhein-westfä­li­sche Regie­rungs­chef Hendrik Wüst (CDU) hält eine allge­mei­ne Impfpflicht «zur Abwen­dung von gravie­ren­den Grund­rechts­ein­grif­fen etwa in Folge von Lockdowns im Herbst» im dritten Jahr der Pande­mie für verhält­nis­mä­ßig, wie er der «Stutt­gar­ter Zeitung» und den «Stutt­gar­ter Nachrich­ten» sagte.

Der Chef der Kranken­haus­ge­sell­schaft Gaß sieht dies ähnlich. «Wir brauchen politi­sche Weichen­stel­lun­gen, die dafür sorgen, dass wir für den Winter gerüs­tet sind. Die Politik sollte deshalb dringend an der allge­mei­nen Impfpflicht festhal­ten» sagte Gaß der «Rheini­schen Post».