BERLIN (dpa) — Stunden­wei­se gehört der Himmel über einigen Regio­nen Deutsch­lands im Juni Kampf­jets, Trans­port- und Tankflug­zeu­gen. Piloten und Besat­zun­gen aus 18 Natio­nen trainie­ren, wie sie einen Angrei­fer bekämp­fen. Die Nato-Übung könnte auch Auswir­kun­gen auf zivile Flüge haben.

Bei der größten Verle­ge­übung von Kampf­flug­zeu­gen seit dem Bestehen der Nato im Juni will die Luftwaf­fe Einschrän­kun­gen im Luftraum über Deutsch­land «so gering wie möglich» halten. Aller­dings werde es in den drei militä­risch genutz­ten Luftübungs­räu­men Nord, Süd und Ost täglich zeitver­setzt für etwa zwei Stunden keinen zivilen Flugver­kehr geben, teilte die Luftwaf­fe mit. Und: «Damit der Luftraum dann tatsäch­lich frei ist, werden dort auch kurze Zeiträu­me vor und nach diesen zwei Stunden gesperrt werden.» Die Flugge­sell­schaf­ten müssen diese Gebie­te dann umfliegen.

Bei der Übung «Air Defen­der 23» werden Piloten und Besat­zun­gen mit mehr als 220 Flugzeu­gen aus 18 Natio­nen vom 12. bis 23. Juni üben, wie sie einen Angrei­fer abweh­ren. Sechs weite­re Natio­nen entsen­den Beobach­ter oder sind logis­tisch betei­ligt. Deutsch­land plant und führt diese Nato-Übung und stellt den Luftraum bereit. Um für einen realen Krisen­fall gerüs­tet zu sein, sollen Piloten und Besat­zun­gen nach Angaben der Luftwaf­fe gemäß dem Prinzip «train as you fight» (Trainie­re so, wie du kämpfst) dort üben, wo sie im Ernst­fall einge­setzt werden.

«Wir fliegen an zehn Tagen im gesam­ten Übungs­zeit­raum. Zehn von 365 Tagen. Ich denke, das ist ein hinnehm­ba­rer Anteil für die Vertei­di­gung unserer aller Freiheit und Demokra­tie», sagte der Inspek­teur der Luftwaf­fe, General­leut­nant Ingo Gerhartz, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Mit Air Defen­der 2023 zeigen wir, dass Deutsch­land Führung kann und wir mehr Verant­wor­tung übernehmen.»

Nach der Invasi­on Russlands in die Ukrai­ne und vor dem Hinter­grund russi­scher Drohge­bär­den haben die Nato-Bündnis­part­ner die gemein­sa­me Vertei­di­gung wieder in den Mittel­punkt ihrer Vorbe­rei­tun­gen gestellt. Das Übungs­sze­na­rio im Juni basiert auf einer Beistands­ver­pflich­tung gemäß Artikel 5 des Nato-Vertra­ges. Angenom­men wird also die gemein­sa­me Reakti­on auf einen bewaff­ne­ten Angriff gegen einen oder mehre­re Bündnis­part­ner. Bis zu 10.000 Solda­ten sind an der Übung beteiligt.

Die USA verle­gen bei der Übung mehr als 100 Flugzeu­ge ihrer Air Natio­nal Guard aus den USA haupt­säch­lich auf die vier Stand­or­te Jagel/Hohn in Schles­wig-Holstein, Wunstorf in Nieder­sach­sen, Lechfeld in Bayern und Spang­dah­lem in Rhein­land-Pfalz. Es kommen Tarnkap­pen­jets F‑35 und Tankflug­zeu­ge, Trans­por­ter und die als «Warzen­schwein» bezeich­ne­ten Erdkampf­flug­zeu­ge A‑10 Thunder­bolt, spezia­li­siert auf die Zerstö­rung gegne­ri­scher Panzer und anderer Boden­zie­le. Die Verle­gung findet in der Woche vor dem 12. Juni statt, die Rückver­le­gung nach dem 23. Juni.

Nach aktuel­len Planun­gen der Luftwaf­fe wird der Übungs­raum Ost mit Teilen der Ostsee und der Küsten­re­gi­on von Mecklen­burg-Vorpom­mern zwischen 11.00 Uhr und 13.00 Uhr, der Übungs­raum Süd — ein Korri­dor vom bayeri­schen Lechfeld zum Übungs­platz Baumhol­der (Rhein­land-Pfalz) — zwischen 14.00 Uhr und 16.00 Uhr und der nördli­che Übungs­raum — größten­teils über der Nordsee gelegen — zwischen 17.00 Uhr und 19.00 Uhr für die militä­ri­sche Nutzung reser­viert sein. Dazu kommen Zeiten vor und nach den Übungen. Am Wochen­en­de finden demnach keine Übungs­flü­ge statt. Die Übungs­räu­me seien überdies weitge­hend identisch mit den bereits perma­nent durch die Luftwaf­fe genutz­ten Flugkorridoren.

Welche Folgen hat das für Flugpas­sa­gie­re? Die Luftwaf­fe verweist darauf, dass der unmit­tel­ba­re Flugbe­trieb zu den großen zivilen Flughä­fen in Deutsch­land nicht gesperrt werde, es aber zu zeitli­chen Verschie­bun­gen kommen könne. Die Detail­pla­nung für Flugzei­ten und ‑routen über Deutsch­land während der Übung sei noch nicht abgeschlos­sen. Derzeit laufen demnach Simula­tio­nen der Deutschen Flugsi­che­rung zusam­men mit Eurocon­trol. Die finale Planungs­kon­fe­renz mit allen betei­lig­ten Natio­nen findet Mitte April statt.

Von Carsten Hoffmann, dpa