BERLIN/FRANKFURT (dpa) — Die Pande­mie stellt Paarbe­zie­hun­gen auf die Probe. Knirsch­te es schon vorher, kann es nun richtig schwie­rig werden. Eine Psycho­lo­gin sieht den bevor­ste­hen­den Valen­tins­tag als Chance.

Enge und Eintö­nig­keit: Für Paare ist Corona eine nie dagewe­se­ne Heraus­for­de­rung. Sänger Alexan­der Klaws machte im Dezem­ber seine pande­mie­be­ding­te Ehekri­se öffentlich.

Er erklär­te, er habe sich nach Konflik­ten über Unord­nung und Putzen mit seiner Frau an einen Paarthe­ra­peu­ten gewandt. Andere Paare strei­ten sich hinter verschlos­se­nen Türen weiter — und drehen sich dabei im Kreis. «Corona ist eine Bewäh­rungs­si­tua­ti­on», sagt der Berli­ner Psycho­the­ra­peut und Buchau­tor zum Thema Liebe und Partner­schaft, Wolfgang Krüger.

Im Zuge von Corona-Beschrän­kun­gen und Homeof­fice-Regelun­gen verbrin­gen viele Paare gerade viel mehr Zeit mitein­an­der als zuvor. Werde die eigene schlech­te Laune dann am Anderen festge­macht, bestehe die Gefahr unent­weg­ter und zermür­ben­der Strei­tig­kei­ten über Kleinig­kei­ten wie den Abwasch. «Da liegen schnell die Nerven blank», sagt der Thera­peut. Viele ohnehin schon angeschla­ge­ne Bezie­hun­gen überstün­den das nicht. «Ich gehe von einer Trennungs­wel­le nach Corona aus», sagt Krüger.

Eltern, vor allem junge Mütter seien erschöpft, sagt die Psycho­lo­gin Chris­ti­ne Backhaus, die als Bezie­hungs-Coach in Frank­furt am Main tätig ist: «Die kriechen auf dem Zahnfleisch.» Familie und Beruf in der Pande­mie unter einen Hut zu bekom­men, sei strecken­wei­se mehr als belastend.

Home-Schoo­ling und Kinder­be­treu­ung bleiben an Frauen hängen

Das in Deutsch­land vorherr­schen­de, sehr tradi­tio­nel­le Rollen­ver­ständ­nis habe dazu geführt, dass die meiste Arbeit in Sachen Home-Schoo­ling und Kinder­be­treu­ung während der Lockdowns an den Frauen hängen­blieb, sagt die Sozial­wis­sen­schaft­le­rin Mine Kühn vom Max-Planck-Insti­tut für demogra­fi­sche Forschung in Rostock. Den gestie­ge­nen Stress und die Erschöp­fung der Mütter hat sie in einer Studie gemes­sen. Die Politik solle dies bei mögli­chen weite­ren Maßnah­men berück­sich­ti­gen, fordert die Forscherin.

Ob Eltern oder nicht — Paare, die vorher schon Proble­me hatten, erleb­ten Corona wie einen Brand­be­schleu­ni­ger, sagt die Psycho­lo­gin Backhaus. Die Pande­mie habe zudem gezeigt, dass das Leben endlich sei — und viele stell­ten fest, dass sie ihre Zeit nicht mit einer schlecht­lau­fen­den Bezie­hung vergeu­den wollten.

Es gebe aber auch positi­ve Effek­te: «Berufs­tä­ti­ge Ehepaa­re, die vorher vor allem am Funktio­nie­ren waren, die haben die Chance gehabt, die Partner­schaft einmal anders zu leben.» Die Paare hätten sich durch mehr Zweisam­keit und Entschleu­ni­gung neu entde­cken können. Vorsich­ti­ge Menschen hätten durch die Lockdown-Erfah­run­gen eher den Mut zum Zusam­men­zie­hen gefasst. «Für Menschen, die mit Bezie­hun­gen und Bindun­gen Schwie­rig­kei­ten haben, ist das ein schöner Beschleu­ni­ger gewesen.» Auch für Partner­schaf­ten mit Untreue-Proble­men gab es Entspan­nung durch das Homeoffice.

Valen­tins­tag als Gelegen­heit, sich gegen­sei­tig zu überraschen

«Das große Thema aber ist Autono­mie, wie viel Freiraum brauche ich?», sagt Backhaus. Die Möglich­keit, die eigenen Bedürf­nis­se auszu­le­ben, mit Freun­den auszu­ge­hen und in Urlaub zu fahren, fiel weg. Und wenn man sich dann noch jeden Tag in Jogging­ho­se sehe, werde es schwer mit Anzie­hung und Erotik. Da gilt es, Druck und Engege­fühl auszu­hal­ten: «Viele haben hier auch Durch­hal­ten gelernt, ohne vor den Konflik­ten immer gleich wegzu­lau­fen.» Und, mit ihrem Partner oder ihrer Partne­rin darüber zu sprechen. So seien stellen­wei­se sogar neue Zuver­sicht und Glaube an sich selbst entstanden.

Den Valen­tins­tag sieht die Psycho­lo­gin als Gelegen­heit, sich gegen­sei­tig zu überra­schen und es sich schön zu machen. «Selbst wenn dicke Luft ist, kann man sich einen Ruck geben und überle­gen, worüber würde sich der Andere freuen?» Oder einfach mal wieder zu sagen «Ich liebe Dich» oder «Ich liebe Dich, weil…».

Der Psycho­the­ra­peut Krüger rät zudem, sich gut um sich selbst zu kümmern. «Jeder ist für seine Stimmung selbst verant­wort­lich.» Wichtig sei, vielfäl­ti­ge sozia­le Bezie­hun­gen zu pflegen, was auch beim Spazie­ren­ge­hen, über das Telefon oder per Video möglich sei. «Dann kann die Bezie­hung atmen und man kann auch wieder etwas Neues berich­ten.» Wichtig sei, einan­der Raum zu lassen — was selbst in einer kleinen Wohnung gehe: «Ich spreche zum Beispiel meine Frau nicht an, wenn sie liest.»

Die Zeit ohne Konzert­be­su­che und Partys lasse sich nutzen zum Aufräu­men oder für lang liegen­ge­blie­be­ne Angele­gen­hei­ten wie die Steuer­erklä­rung. Oder man könne ein neues Hobby anfan­gen. Der Thera­peut schlägt vor, sich in einer Art Ritual morgens zu fragen, wofür man dankbar sei. Abends könne man sich fragen, was gut gelun­gen sei am Tag. Auch dies könne Stimmung und Selbst­be­wusst­sein steigern und die Grund­la­ge bieten für eine gelin­gen­de Partner­schaft trotz Coronakrise.

Von Isabell Scheu­plein, dpa