MÜNCHEN (dpa) — Wenn ein dringend benötig­tes Medika­ment nicht mehr verfüg­bar ist, kann es kritisch werden. Der Apothe­ker­ver­band sieht vor allem zwei Ursachen für solche Lieferengpässe.

Medika­men­te vom Fieber­saft bis zum Krebs­the­ra­peu­ti­kum sind nach Aussa­ge des Deutschen Apothe­ker­ver­ban­des hierzu­lan­de immer häufi­ger und immer länger nicht erhält­lich. «Über 250 Mittel sind aktuell als nicht liefer­fä­hig gemel­det», sagte der Vizevor­sit­zen­de des Verbands, Hans-Peter Hubmann, der Deutschen Presse-Agentur vor dem Welttag der Patien­ten­si­cher­heit, der am Samstag began­gen wird. «Das Problem ist schon sehr bedeu­tend, das muss man klar sagen.»

«Liefer­eng­päs­se gibt es immer wieder mal, weil ein Produ­zent ausfällt, aber die Menge und die Länge des Ausfalls ist deutlich drama­ti­scher gewor­den», schil­der­te Hubmann. Vor fünf Jahren seien zahlen­mä­ßig nicht einmal halb so viele Produk­te betrof­fen gewesen. Proble­me gibt es dabei nicht nur bei Nischen­pro­duk­ten, sondern auch gängi­ge Mittel gegen Bluthoch­druck und Diabe­tes oder Schmerz­mit­tel wie Ibuprofen waren phasen­wei­se bereits nicht erhältlich.

Während sich in vielen Fällen mit einigem Aufwand ein Ausweich­mit­tel mit dem gleichen oder einem ähnli­chen Wirkstoff finden lässt, gibt es manch­mal keiner­lei Alter­na­ti­ve, die den Patien­tin­nen und Patien­ten angebo­ten werden kann. «Im April und im Mai hatten wir einen absolu­ten Mangel am Brust­krebs­mit­tel Tamoxi­fen», berich­te­te Hubmann. Für die betrof­fe­nen Frauen ein Risiko: «Sie wissen nie, wann die Zeitbom­be hochgeht, deswe­gen ist da schon die Gesund­heit gefährdet.»

Die Ursachen sind laut Hubmann vielfäl­tig, doch stechen zwei heraus: «Das ist einer­seits die Vermin­de­rung der Produk­ti­ons­viel­falt in Europa.» So hätten nahezu alle Anbie­ter die Produk­ti­on von Fieber­saft einge­stellt, weil die Herstel­lung aufgrund der Festbe­trä­ge und des Drucks der Kassen nicht mehr wirtschaft­lich gewesen sei. «Jetzt gibt es noch einen, und der kann die Menge nicht schultern.»

«Die andere Ursache sind Liefer­ket­ten­ab­ris­se», sagte Hubmann. Die Wirkstof­fe werden heutzu­ta­ge überwie­gend in Fernost, vor allem in China und Indien, herge­stellt. Wenn dort wegen Corona Fabri­ken geschlos­sen werden oder Frach­ter die Häfen nicht mehr anlau­fen dürfen, fehlen am Ende selbst dieje­ni­gen ferti­gen Arznei­mit­tel in den Regalen der hiesi­gen Apothe­ken, die in Europa herge­stellt werden. Manch­mal könnten auch Liefe­run­gen wegen Verun­rei­ni­gun­gen nicht verwen­det werden.

«Deshalb ist unsere Forde­rung seit länge­rem, dass auch die Wirkstoff­pro­duk­ti­on wieder in Europa statt­fin­den muss», beton­te Hubmann. Die Politik müsse dringend die Voraus­set­zun­gen dafür schaf­fen. Doch selbst, wenn Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren schnel­ler durch­gin­gen, der Kosten­druck gesenkt und eine Produk­ti­on in Europa wieder renta­bler würde — «das geht nicht von heute auf morgen». Fünf bis zehn Jahre brauche es mindes­tens, bis entspre­chen­de Struk­tu­ren aufge­baut seien, sagte Hubmann.