MOSKAU (dpa) — Vor der russi­schen Parla­ments­wahl im Herbst wird die Arbeit der Opposi­ti­on per Gerichts­be­schluss lahmge­legt. Die Staats­an­walt­schaft wirft den Organi­sa­tio­nen von Kreml­geg­ner Nawal­ny Extre­mis­mus vor.

Die Organi­sa­tio­nen des im Straf­la­ger inhaf­tier­ten Kreml­geg­ners Alexej Nawal­ny dürfen nach Angaben seines Teams und seiner Anwäl­te nicht mehr arbeiten.

Ein Gericht in Moskau habe das Arbeits­ver­bot verfügt, teilte der Direk­tor von Nawal­nys Anti-Korrup­ti­ons-Stiftung, Iwan Schdanow, am Montag mit. Das Verbot gelte, bis über einen Antrag der Moskau­er Staats­an­walt­schaft entschie­den werde, die Organi­sa­tio­nen als extre­mis­tisch einzustufen.

Die Opposi­ti­on wirft dem Kreml vor, die Justiz für die Zerstö­rung all dessen zu instru­men­ta­li­sie­ren, was Nawal­ny und seine gegen Korrup­ti­on gerich­te­te Bewegung in Jahren aufge­baut haben. Die Moskau­er Staats­an­walt­schaft will die Organi­sa­tio­nen, darun­ter seine Anti-Korrup­ti­ons-Stiftung und seine Regio­nal­stä­be, als extre­mis­tisch einstu­fen und damit dauer­haft verbie­ten lassen.

Die Bewegung, so die Anklä­ger, «desta­bi­li­siert die gesell­schaft­lich-politi­sche Lage im Land». Sie rufe auf zur «extre­mis­ti­schen Tätig­keit, zu Massen­un­ru­hen — auch mit Versu­chen, Minder­jäh­ri­ge in geset­zes­wid­ri­ge Handlun­gen zu verwi­ckeln». Beschul­digt werden die Organi­sa­tio­nen, sie handel­ten «im Auftrag verschie­de­ner auslän­di­scher Zentren, die destruk­ti­ve Handlun­gen gegen Russland ausfüh­ren». Das angeb­li­che Ziel: eine Revolu­ti­on, um den Macht­ap­pa­rat des Kreml­chefs Wladi­mir Putin zu stürzen.

Nawal­nys enger Vertrau­ter Leonid Wolkow sagte am Wochen­en­de in einem Inter­view des Inter­net­por­tals Znak.com, die Behör­den würden die Konten einfrie­ren, die Räumlich­kei­ten versie­geln «und unsere Offline-Arbeit in Russland insge­samt unmög­lich machen». Womög­lich sei eine Pause nötig, sagte Wolkow, um zu sehen, wie die Opposi­ti­ons­ar­beit künftig noch ausse­hen könne. Es werde «fieber­haft» an der Umorga­ni­sa­ti­on gearbeitet.

Aus dem Ausland können zudem führen­de Köpfe der Bewegung wie Wolkow, Schad­now und Maria Pewtschich (Pevchikh) weiter arbei­ten und die populä­ren Videos mit Enthül­lun­gen von Korrup­ti­on im russi­schen Macht­ap­pa­rat im Inter­net veröf­fent­li­chen. Von dort gibt es auch weiter Aufru­fe an die russi­sche Bevöl­ke­rung nicht nur zu Protes­ten. Vor allem sind die Bürger aufge­ru­fen, bei der Duma-Wahl im Herbst für einen belie­bi­gen Kandi­da­ten zu stimmen — nur nicht für jenen der Kreml­par­tei. Das «schlaue Abstim­men» soll das Macht­mo­no­pol brechen.

«Wir sind die letzte Vertei­di­gungs­li­nie gegen Putin», sagte er mit Blick auf das Vorge­hen des Macht­ap­pa­rats unter Präsi­dent Wladi­mir Putin gegen Anders­den­ken­de. «Wenn mit diesem Extre­mis­mus alles nach dem schlech­tes­ten Szena­rio läuft, dann wird es ziemlich schwer sein, das Netz der Stäbe zu erhal­ten.» Zuvor hatte er in einer Mittei­lung erklärt, es bestehe die Gefahr, dass alle Gegner Putins zu Extre­mis­ten erklärt würden.

Ungeach­tet dessen solle der Kampf um die Freilas­sung Nawal­nys weiter­ge­hen. Wolkow bezeich­ne­te es als Erfolg des politi­schen Drucks, dass Nawal­ny nun in Haft von zivilen Ärzten unter­sucht worden sei. Zudem hätten Ärzte seines Vertrau­ens Zugang zu den medizi­ni­schen Unter­su­chungs­er­geb­nis­sen erhal­ten. Damit habe sich der Kreml auf eine «seltsa­me Form eines öffent­li­chen Kompro­mis­ses» einge­las­sen. «Ich denke, das ist ein gutes Ergebnis.»

Nawal­ny hatte danach angekün­digt, seinen drei Wochen dauern­den Hunger­streik zu beenden. Begon­nen hatte er ihn, um eine Behand­lung von unabhän­gi­gen Spezia­lis­ten wegen eines Rücklei­dens und Lähmungs­er­schei­nun­gen in den Glied­ma­ßen zu errei­chen. Die Forde­rung bestehe aber weiter, hieß es. Nach Darstel­lung Wolkows ist Nawal­ny nach letzten Erkennt­nis­sen auf einer Kranken­sta­ti­on im Straf­la­ger IK‑3 in Wladi­mir unweit von Moskau unter­ge­bracht. Nawal­ny hat sich für die inter­na­tio­na­le Solida­ri­tät bedankt.