BERLIN (dpa) — Minis­ter Heil hat nach Gerichts­ur­tei­len eine Reform des Arbeits­zeit­ge­set­zes angekün­digt. Jetzt liegt ein Entwurf vor. Das hat Auswir­kun­gen für Millio­nen von Beschäftigte.

Eine Rückkehr zur Stech­uhr soll es nicht geben — die tägli­che Arbeits­zeit von Beschäf­tig­ten in Deutsch­land soll aber künftig elektro­nisch aufge­zeich­net werden. Dabei soll es Ausnah­men geben. Das sind Kernpunk­te eines Gesetz­ent­wurfs aus dem Bundes­ar­beits­mi­nis­te­ri­um für eine Reform des Arbeits­zeit­ge­set­zes. Dieser lag der Deutschen Presse-Agentur am Diens­tag vor. Zuvor hatte die «Süddeut­sche Zeitung» darüber berichtet.

Das Arbeits­mi­nis­te­ri­um reagiert mit den Geset­zes­plä­nen auf Urtei­le des Europäi­schen Gerichts­hofs (EuGH) und des Bundes­ar­beits­ge­richts (BAG), die eine Erfas­sung der Arbeits­zei­ten verlangt hatten.

Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit

Laut dem Gesetz­ent­wurf soll der Arbeit­ge­ber dazu verpflich­tet werden, Beginn, Ende und Dauer der tägli­chen Arbeits­zeit der Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer jeweils am Tag der Arbeits­leis­tung elektro­nisch aufzu­zeich­nen. Die Aufzeich­nung soll aber auch durch die Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer selbst oder durch einen Dritten erfol­gen können, zum Beispiel einen Vorge­setz­ten. Der Arbeit­ge­ber soll die Beschäf­tig­ten zudem auf Verlan­gen über die aufge­zeich­ne­te Arbeits­zeit informieren.

Die Tarif­part­ner sollen Ausnah­men verein­ba­ren können. Sie sollen von der elektro­ni­schen Form der tägli­chen Arbeits­zeit­er­fas­sung abwei­chen und eine händi­sche Aufzeich­nung in Papier­form zulas­sen können. Die Aufzeich­nung soll zudem auch an einem anderen Tag erfol­gen können, spätes­tens aber bis zum Ablauf des siebten, auf den Tag der Arbeits­leis­tung folgen­den Kalendertages.

Nach der BAG-Entschei­dung sei das Urteil des EuGH bereits heute von den Arbeit­ge­bern in Deutsch­land zu beach­ten, heißt es im Gesetz­ent­wurf. Das BAG habe die Frage des «Ob» der Arbeits­zeit­auf­zeich­nung entschie­den. Bezüg­lich des «Wie» bestün­den jedoch weiter­hin Unsicher­hei­ten. Es sei nun Aufga­be des Gesetz­ge­bers, diese Unsicher­hei­ten zu klären. Nach dem Arbeits­zeit­ge­setz mussten bisher nur Überstun­den und Sonntags­ar­beit dokumen­tiert werden, nicht die gesam­te Arbeitszeit.

Praxis­taug­li­che Lösungen

Arbeits­mi­nis­ter Huber­tus Heil (SPD) hatte nach dem Urteil des Bundes­ar­beits­ge­richts angekün­digt, eine Geset­zes­re­form vorzu­le­gen. Es gehe um praxis­taug­li­che Lösun­gen, hatte er in der «Rheini­schen Post» angekün­digt: «Es geht nicht darum, die Stech­uhr wieder einzu­füh­ren, es gibt heute auch digita­le Möglichkeiten.»

Im Entwurf heißt es nun, bei der Arbeits­zeit­auf­zeich­nung biete sich die Vorga­be einer elektro­ni­schen Erfas­sung an. Dadurch werde dem Arbeit­ge­ber die Kontrol­le der aufge­zeich­ne­ten Arbeits­zeit erleich­tert, etwa durch besse­re Lesbar­keit und IT-gestütz­te Auswer­tung der Unter­la­gen. Dies erhöhe auch die Chance einer korrek­ten Erfassung.

Eine bestimm­te Art der elektro­ni­schen Aufzeich­nung will das Arbeits­mi­nis­te­ri­um nicht vorschrei­ben. Neben bereits gebräuch­li­chen Zeiter­fas­sungs­ge­rä­ten kämen auch andere Formen der elektro­ni­schen Aufzeich­nung mit Hilfe von elektro­ni­schen Anwen­dun­gen wie Apps auf einem Mobil­te­le­fon in Betracht, heißt es im Entwurf. Möglich sei auch eine kollek­ti­ve Arbeits­zeit­er­fas­sung durch die Nutzung und Auswer­tung elektro­ni­scher Schicht­plä­ne — falls sich daraus Beginn, Ende und Dauer der tägli­chen Arbeits­zeit ablei­ten lassen.

Arbeits­zei­ten sind immer flexi­bler geworden

Generell heißt es im Entwurf, die Arbeits­zei­ten seien im Zuge der Globa­li­sie­rung und der Digita­li­sie­rung in den vergan­ge­nen Jahren immer flexi­bler gewor­den. «Gerade in einer flexi­blen Arbeits­welt kommt der Erfas­sung der geleis­te­ten Arbeits­zei­ten eine beson­de­re Bedeu­tung zu.» Sie erleich­te­re dem Arbeit­ge­ber die Kontrol­le der gesetz­li­chen Höchst­ar­beits­zei­ten und Mindestru­he­zei­ten und leiste damit auch einen Beitrag, um die Gesund­heit und Sicher­heit der Arbeit­neh­mer zu gewährleisten.

Die Möglich­keit von «Vertrau­ens­ar­beits­zeit» soll durch die Pflicht zur Arbeits­zeit­auf­zeich­nung nicht beein­träch­tigt werden. Damit gemeint ist ein flexi­bles Arbeits­zeit­mo­dell, bei dem der Arbeit­ge­ber auf die Festle­gung von Beginn und Ende der vertrag­lich verein­bar­ten Arbeits­zeit verzichtet.

Der Deutsche Gewerk­schafts­bund hatte die Feststel­lung des Bundes­ar­beits­ge­richts zur Erfas­sung der Arbeits­zei­ten im vergan­ge­nen Septem­ber als lange überfäl­lig bezeich­net. «Die Arbeits­zei­ten der Beschäf­tig­ten ufern immer mehr aus, die Zahl der geleis­te­ten Überstun­den bleibt seit Jahren auf besorg­nis­er­re­gend hohem Niveau», hatte DGB-Vorstands­mit­glied Anja Piel gesagt. Arbeits­zeit­er­fas­sung sei kein bürokra­ti­scher Selbst­zweck, sondern Grund­be­din­gung, damit Ruhe- und Höchst­ar­beits­zei­ten einge­hal­ten werden.

Von Andre­as Hoenig, dpa