BERLIN (dpa) — Die Steuer­be­hör­den stehen vor einer riesi­gen Heraus­for­de­rung: Fast 36 Millio­nen Grund­stü­cke müssen für eine Steuer­re­form neu bewer­tet werden. Für Hausbe­sit­zer bedeu­tet das in den nächs­ten Monaten Arbeit.

Für viele Hausbe­sit­zer dürfte das überra­schend kommen: Im Sommer steht für sie eine Art zweite Steuer­erklä­rung an. Grund ist die Reform der Grund­steu­er, für die die Finanz­äm­ter Infor­ma­tio­nen zum Grund­stück, zum Haus oder zur Wohnung brauchen.

Doch viele Bürger wüssten gar nicht, dass sie diese Angaben im Sommer einrei­chen müssten, kriti­sie­ren Immobi­li­en­ver­bän­de und Steuer­be­ra­ter. Zwar schrei­ben einige Kommu­nen die Hausbe­sit­zer direkt an, Pflicht ist das aber nicht. Die Befürch­tung: Viele Eigen­tü­mer könnten zu spät von der Grund­steu­er­erklä­rung erfah­ren — und die nötigen Daten zusam­men­zu­su­chen, kann richtig aufwen­dig sein.

Grund­steu­er wichti­ge Einnahmequelle

Für die Kommu­nen ist die Grund­steu­er eine der wichtigs­ten Einnah­me­quel­len. Sie deckte vor der Corona-Krise etwa 15 Prozent ihrer Steuer­ein­nah­men, aus denen dann etwa Straßen, Schwimm­bä­der oder Theater bezahlt werden. Es ist eine jährli­che Steuer auf den Besitz von Grund­stü­cken und Gebäu­den — doch ein Vermie­ter kann sie über die Neben­kos­ten­ab­rech­nung auch auf die Mieter umlegen. Bei den meisten Wohnungs­ei­gen­tü­mern geht es um einige Hundert Euro im Jahr, bei Eigen­tü­mern von Miets­häu­sern dagegen oft um vierstel­li­ge Beträge.

Die Reform wurde bereits vor mehr als zwei Jahren beschlos­sen, nachdem das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt eine Neure­ge­lung gefor­dert hatte. Denn zuletzt berech­ne­ten die Finanz­äm­ter den Wert einer Immobi­lie auf Grund­la­ge völlig veral­te­ter Daten — von 1935 in Ostdeutsch­land und von 1964 in Westdeutsch­land. Ab 2025 soll nun die neue Grund­steu­er-Berech­nung gelten. Vorher müssen fast 36 Millio­nen Grund­stü­cke in Deutsch­land neu bewer­tet werden. Laut Finanz­mi­nis­te­ri­um stehen die Steuer­be­hör­den vor einem ihrer größten Projek­te in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Auskunft über Grund­stü­cke und Gebäude

Dafür müssen Hausbe­sit­zer im Sommer Auskunft über ihre Grund­stü­cke und Gebäu­de geben. Weil die Bundes­län­der unter­schied­li­che Berech­nungs­mo­del­le anwen­den, sind mal mehr, mal weniger Angaben gefragt. Meist geht es um die Grund­stücks- und Wohnflä­che, die Art des Gebäu­des, Baujah­re und den sogenann­ten Boden­richt­wert. Der Präsi­dent des Deutschen Steuer­be­ra­ter­ver­bands, Torsten Lüth, erwar­tet ein «riesi­ges Daten­cha­os». Er kriti­siert, die Last der Infor­ma­ti­ons­be­schaf­fung werde auf die Steuer­pflich­ti­gen und auf die Steuer­be­ra­ter abgewälzt. «Es kann nicht sein, dass wir mühsam auf Daten­su­che gehen, während Behör­den auf etlichen Daten­schät­zen sitzen.»

Auch der Eigen­tü­mer­ver­band Haus und Grund erwar­tet einige Schwie­rig­kei­ten für seine Mitglie­der. So müssen etwa die Boden­richt­wer­te bei unabhän­gi­gen Gutach­ter­aus­schüs­sen erfragt oder im Inter­net recher­chiert werden. Größter Knack­punkt könnte aber das Baual­ter sein, sagt Sibyl­le Barent, die Steuer­ex­per­tin des Verbands. Hier müssten zum Beispiel auch Kernsa­nie­run­gen berück­sich­tigt werden, die die Restnut­zungs­dau­er eines Hauses wieder verlän­gern könnten. Selbst bei der Wohnflä­che gibt es Stolper­fal­len: An- und Umbau­ten müssen notfalls sogar selbst ausge­mes­sen werden. Stich­tag für alle Angaben ist der 1. Januar 2022, was danach noch verän­dert wurde, muss nicht berück­sich­tigt werden.

Generell sollten die Hausbe­sit­zer rasch begin­nen, die nötigen Daten aus Grund­bü­chern und teils auch Inter­net­por­ta­len zusam­men­zu­su­chen, meint Barent. Einrei­chen kann man die Grund­steu­er­erklä­rung aber noch nicht: Das muss zwischen dem 1. Juli und dem 31. Oktober passie­ren — und mit wenigen Ausnah­men ausschließ­lich online über die Steuer­platt­form Elster. Wenn man nicht recht­zei­tig einreicht, könnten Verspä­tungs­zu­schlä­ge drohen.

Lohnsteu­er­hil­fe­ver­ei­ne dürfen nicht beraten

Hilfe können sich die Hausbe­sit­zer von ihren Steuer­be­ra­tern oder Eigen­tü­mer­ver­tre­tun­gen wie Haus und Grund holen. Die Lohnsteu­er­hil­fe­ver­ei­ne dagegen dürfen in diesem Fall nicht beraten. Der Steuer­be­ra­ter­ver­band sieht sich vor einer Herku­les­auf­ga­be. Würden sich alle Eigen­tü­mer an ihre Steuer­be­ra­ter wenden, könnten auf jeden Berater rund 400 Erklä­run­gen zukom­men, sagt Lüth. «Das ist Wahnsinn.» Dazu kämen die unter­schied­li­chen Normen in den Bundes­län­dern. «Das allein ist neben dem Tages­ge­schäft kaum stemm­bar», sagt er.

Außer­dem fielen die Arbei­ten zur Grund­steu­er­erklä­rung unmit­tel­bar mit den Corona-Schluss­rech­nun­gen zusam­men. Die Steuer­be­ra­ter beantra­gen derzeit auch etwa Überbrü­ckungs­hil­fen für von der Pande­mie betrof­fe­ne Firmen. «Es wird ein Wettlauf gegen die Zeit», sagt Lüth voraus. Die Steuer­be­ra­ter fordern daher, dass Daten, die den Behör­den bereits vorlie­gen, in einer digita­len Steuer­erklä­rung bereits voraus­ge­füllt werden. Davon aller­dings seien die Behör­den noch meilen­weit entfernt.

Die Finanz­äm­ter ermit­teln aus den einge­reich­ten Daten den sogenann­ten Grund­steu­er­wert, der aller­dings nur eine Kompo­nen­te bei der Berech­nung der Grund­steu­er ist. Wie viel am Ende fällig wird und ob sie mehr oder weniger zahlen müssen als bisher, erfah­ren die Eigen­tü­mer erst 2025. Denn das hängt entschei­dend von den sogenann­ten Hebesät­zen der Gemein­den ab. Diese Fakto­ren können in den rund 11.000 deutschen Gemein­den zwischen 0 und auch schon­mal mehr als 1000 Prozent liegen. Die Gemein­den sind zwar angehal­ten, ihre Einnah­men in etwa auf dem gleichen Niveau zu belas­sen, verpflich­tet sind sie dazu jedoch nicht.