BERLIN (dpa) — Millio­nen Küken werden jedes Jahr getötet, weil sie männlich sind und sich nicht vermark­ten lassen — so ist es Routi­ne. Nach langem Ringen kommt jetzt ein Verbot, um mehr Tierschutz durchzusetzen.

Mit dem massen­haf­ten Töten männli­cher Küken in der Legehen­nen­zucht soll ab Anfang 2022 in Deutsch­land Schluss sein. Das legt ein Verbot von Agrar­mi­nis­te­rin Julia Klöck­ner (CDU) fest, das der Bundes­tag am Donners­tag­abend beschlie­ßen soll.

Statt­des­sen sollen dann Verfah­ren auf breiter Front einsetz­bar sein, um das Geschlecht schon im Ei zu erken­nen und männli­che Küken gar nicht erst schlüp­fen zu lassen. Tierschüt­zer machen seit Jahren Druck für ein Ende der Praxis. Die Geflü­gel­bran­che warnte vor einem natio­na­len Allein­gang. Große Super­markt­ket­ten haben schon damit begon­nen, ihre Sorti­men­te auf Eier aus Produk­ti­on ohne Küken­tö­ten umzustellen.

Klöck­ner sagte der Deutschen Presse-Agentur, das Gesetz sei ein Meilen­stein für den Tierschutz. «Damit sind wir weltweit Vorrei­ter.» Um das Küentö­ten jetzt rechts­si­cher unter­sa­gen zu können, seien Millio­nen in Spitzen­for­schung inves­tiert worden. Brüte­rei­en stünden dadurch nun Alter­na­ti­ven zur Verfü­gung. «Damit zeigen wir, dass Tierschutz und Wirtschaft­lich­keit zusam­men­geht», beton­te die Minis­te­rin. «Wir lagern Tierschutz­fra­gen nicht einfach ins Ausland aus, sondern bieten hier in Deutsch­land eine Lösung an.» Mit dem Gesetz soll sich abschlie­ßend auch noch der Bundes­rat befassen.

DAS PROBLEM: Jährlich werden mehr als 40 Millio­nen männli­che Küken in Deutsch­land kurz nach dem Schlüp­fen routi­ne­mä­ßig getötet, weil sie für Brüte­rei­en wirtschaft­lich nicht lohnend sind. Denn sie legen keine Eier und setzen nicht so viel Fleisch an. Teils ist von «Schred­dern» die Rede, die Küken werden meist aber mit Gas getötet. Dabei legt das Tierschutz­ge­setz fest, dass niemand einem Tier «ohne vernünf­ti­gen Grund» Schmer­zen, Leiden oder Schäden zufügen darf. Mit Blick hierauf entschied das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt 2019, dass Tierschutz­be­lan­ge schwe­rer wiegen als wirtschaft­li­che Inter­es­sen der Hennen­züch­ter und erklär­te die Praxis nur noch für eine Übergangs­zeit für zulässig.

DAS VERBOT: Konkret soll es im Tierschutz­ge­setz künftig heißen: «Es ist verbo­ten, Küken von Haushüh­nern der Art Gallus gallus zu töten.» Und zwar gültig ab 1. Januar 2022, ausge­nom­men für Maßnah­men bei Tierseu­chen oder für Tierver­su­che. Zum 1. Januar 2024 soll zudem eine Verschär­fung bei der Geschlechts­be­stim­mung im Ei folgen. Dann sollen nur noch Metho­den erlaubt sein, die frühzei­ti­ger funktio­nie­ren — ab dem 7. Tag des Bebrü­tens sollen Eingrif­fe tabu sein. Hinter­grund ist, dass Embry­os ab dann ein Schmerz­emp­fin­den haben, wie das Minis­te­ri­um erläu­ter­te. Derzeit seien Verfah­ren zwischen dem 9. und dem 14. Tag markt­reif. Insge­samt dauert es 21 Tage, bis Küken schlüpfen.

DIE BRANCHE: Der Zentral­ver­band der Deutschen Geflü­gel­wirt­schaft nannte den Ausstieg richtig, kriti­sier­te aber ein rein natio­na­les Verbot. «Unseren heimi­schen Brüte­rei­en wird damit quasi der Boden unter den Füßen wegge­zo­gen», warnte Präsi­dent Fried­rich-Otto Ripke. EU-weit einheit­li­che Regeln müssten dringend voran­ge­bracht werden. Die vielen kleine­ren Brüte­rei­en könnten durch höhere Erzeu­gungs­kos­ten für Küken und Junghen­nen nicht mehr wirtschaft­lich agieren. Große, inter­na­tio­nal agieren­de Anbie­ter bekämen mehr Anrei­ze, Brutge­schäft ins Ausland zu verla­gern. Der Verband begrüß­te, dass eine Prüfklau­sel einge­fügt wurde: Bis Ende März 2023 soll das Minis­te­ri­um über den Stand bei Verfah­ren zur frühe­ren Geschlechts­be­stim­mung berichten.

DER HANDEL: Für mehr Tierschutz kommt es auch darauf an, dass das Verbot nicht durch Einkauf aus dem Ausland umgan­gen wird. Das betrifft Großab­neh­mer, die Eier zum Beispiel zu Nudeln und Kuchen verar­bei­ten. Klöck­ner rief die Super­märk­te zuletzt auch schon auf, Eier ohne Küken­tö­ten in die Regale zu nehmen. Damit würde ein Ei nach Handels­an­ga­ben ein bis zwei Cent teurer. Tatsäch­lich haben Ketten wie Rewe, Aldi, Edeka und Lidl teils schon vor länge­rem mit Umstel­lun­gen begon­nen und wollen dies im Sorti­ment schritt­wei­se weiter ausdehnen.

DIE REAKTIONEN: Der Deutsche Tierschutz­bund mahnte noch, das «lange überfäl­li­ge Ende» des Küken­tö­tens nicht aufzu­wei­chen, sondern endlich festzu­schrei­ben — im schwarz-roten Koali­ti­ons­ver­trag steht ein Aus eigent­lich bis 2019. Ein echtes Mehr an Tierschutz können nur eine Abkehr von der Hochleis­tungs­zucht bringen, erläu­ter­te der Verband. Geför­dert werden müssten auch «Zweinut­zungs­hüh­ner» — dabei sollen weibli­che Küken Eier legen, männli­chen Küken werden zur Mast aufge­zo­gen. Der FDP-Agrar­po­li­ti­ker Gero Hocker warnte, künftig würden noch mehr Produk­te aus dem Ausland in den Regalen landen. «Einfluss auf die Produk­ti­ons­be­din­gun­gen wie das Tierwohl verlie­ren wir dann immer mehr.» Nötig sei ein EU-weites Verbot des Kükentötens.

Von Sascha Meyer, dpa