ROM/STRESA (dpa) — Nach dem Seilbahn­un­glück am Monte Motta­ro­ne laufen die Ermitt­lun­gen zur Ursache auf Hochtou­ren. Die Polizei nahm drei Menschen fest. Ein erster Verdacht scheint sich zu erhärten.

Immer mehr Details kommen nach dem tödli­chen Seilbahn­un­glück am Monte Motta­ro­ne ans Licht. Der unbeque­me Verdacht der italie­ni­schen Ermitt­ler erhär­tet sich: Der Mecha­nis­mus an der Gondel, der die Notbrem­se auslö­sen sollte, falls das Seil reißt, war wohl deakti­viert worden.

Drei Tage nach dem Unglück mit insge­samt 14 Toten an dem Berg westlich des Lago Maggio­re wurden in der Nacht zu Mittwoch drei Menschen festge­nom­men. Dabei handel­te es sich laut Medien­be­rich­ten um Mitar­bei­ter des Seilbahn­be­trei­bers Ferro­vie del Motta­ro­ne. Darun­ter sei auch ein Manager. Die Staats­an­walt­schaft ermit­telt in dem Fall wegen mehrfa­cher fahrläs­si­ger Tötung.

In Itali­en durften Seilbah­nen seit Samstag im Zuge der schritt­wei­sen Locke­rung von Corona-Beschrän­kun­gen durch die Regie­rung wieder Ausflüg­ler trans­por­tie­ren. Die Ermitt­ler gehen davon aus, dass es eine Störung an der Seilbahn gab, aber verhin­dert werden sollte, dass sich der Betrieb verlangsamt.

Der ermit­teln­den Staats­an­wäl­tin Olimpia Bossi zufol­ge wurde deshalb wohl eine Vorrich­tung genutzt, mit der die Klemm­ba­cken der Bremse an der Gondel ausein­an­der gehal­ten wurden. Diese sollten eigent­lich das Tragseil blockie­ren, falls das Antriebs­seil reißt. Es habe offen­sicht­lich Unregel­mä­ßig­kei­ten an dem System gegeben und ein Eingriff wäre notwen­dig gewesen, erklär­te Bossi.

«Man wollte die Seilbahn in Betrieb halten, auch als sich das Problem offen­bar­te», erklär­te ein Komman­dant der Carabi­nie­ri im Fernse­hen. So konnten am Sonntag trotz­dem Menschen bei bestem Ausflugs­wet­ter auf den Monte Motta­ro­ne trans­por­tiert werden, der für seinen Blick auf den See Lago Maggio­re und das Bergpan­ora­ma bekannt ist. Die Unter­su­chun­gen, weshalb das Seil riss, liefen indes am Mittwoch weiter. Für Donners­tag wurde ein Gutach­ter erwartet.

Viele blick­ten am Mittwoch auch nach Turin, wo der einzi­ge Überle­ben­de des Unglücks, ein kleiner israe­li­scher Junge, weiter im Kranken­haus behan­delt wurde. Der Fünfjäh­ri­ge hatte bei dem Unfall in der nordita­lie­ni­schen Region Piemont seine Eltern und seinen Bruder verlo­ren. Am Mittwoch­mor­gen hätten die Ärzte den Beatmungs­schlauch entfernt, der Junge sei kurz bei Bewusst­sein gewesen, sagte der Direk­tor des Kranken­hau­ses vor Journa­lis­ten. Dabei habe er auch kurz die Augen auf gemacht.

Der Junge habe aber noch unter dem Einfluss der Medika­men­te gestan­den, erklär­te der Direk­tor weiter. «Seine Tante und ein Psycho­lo­ge waren bei ihm». In den kommen­den Stunden solle er weiter aus dem künst­li­chen Koma aufwa­chen können.

Der Kleine und ein anderes Kind waren per Rettungs­hub­schrau­ber nach dem Gondel­ab­sturz schwer verletzt in die Klinik geflo­gen worden. Das andere Kind starb noch am Abend, wodurch sich die Zahl der Menschen, die bei dem Unglück starben, auf insge­samt 14 erhöh­te. Der Überle­ben­de wurde wegen seiner Fraktu­ren umgehend operiert.

Die Särge mit den Leichen seiner Eltern, seines Bruders und seiner Urgroß­el­tern, die alle bei dem Gondel­ab­sturz ums Leben kamen, sollten am Mittwoch laut Medien­be­rich­ten nach Israel zurück­ge­flo­gen werden. Am Flugha­fen Malpen­sa in Mailand seien die Särge für den Rücktrans­port vorbe­rei­tet worden. Menschen lagen sich in den Armen, wie auf Fernseh­bil­dern zu sehen war. Vor Ort wurde auch eine Zeremo­nie abgehalten. 

Von Johan­nes Neude­cker, dpa