Das Corona­vi­rus kommt zurück, das Land droht die Kontrol­le zu verlie­ren. Die Landes­re­gie­rung zündet deshalb erstmals die nächs­te Alarm­stu­fe im Frühwarn­sys­tem, um einen Lockdown zu vermeiden.

Deutlich anstei­gen­de Infek­ti­ons­zah­len, ein diffu­ses Infek­ti­ons­ge­sche­hen in einzel­nen Landkrei­sen, zahlrei­che Ausbrü­che nach priva­ten Feiern sowie neue Infek­tio­nen in Pflege­hei­men seien ausschlag­ge­bend für den Schritt gewesen, teilte das Staats­mi­nis­te­ri­um mit. Kretsch­mann appel­lier­te an die Bürger: Es liege an allen, einen zweiten landes­wei­ten Lockdown zu verhin­dern und damit nicht erneut Schulen, Kitas oder Geschäf­te flächen­de­ckend schlie­ßen zu müssen.

Die Landes­re­gie­rung hatte im Septem­ber ein dreistu­fi­ges Alarm-System im Kampf gegen eine zweite Welle vorge­stellt. Entschei­dend für die Einstu­fung dabei ist die sogenann­te Sieben-Tage-Inzidenz. Sie zeigt die Zahl der Neuin­fek­tio­nen inner­halb einer Woche pro 100 000 Einwoh­ner. Aber auch andere Fakto­ren spielen bei der Bewer­tung eine Rolle, etwa die absolu­ten Infek­ti­ons­zah­len, die Zahl der Tests oder der Repro­duk­ti­ons­wert (R‑Wert), der angibt, wie viele Menschen ein Erkrank­ter im Schnitt mit dem Virus ansteckt.

Die Pande­mie­stu­fe 2 gilt, wenn die landes­wei­te Sieben-Tage-Inzidenz von 10 Fällen je 100 000 Einwoh­ner überschrit­ten wird und zusätz­lich das Infek­ti­ons­ge­sche­hen diffus ansteigt oder sich die landes­wei­ten wöchent­li­chen Fallzah­len inner­halb von zwei Wochen verdop­peln. Die landes­wei­te Sieben-Tage-Inzidenz lag am Montag bei 16,4.

Die dritte, kriti­sche Phase gilt ab einer landes­wei­ten Sieben-Tage-Inzidenz von 35 Fällen auf 100 000 Einwoh­ner. Das Konzept sieht dann etwa eine Auswei­tung der Masken­pflicht an Schulen etwa auf den Unter­richt vor. In der Gastro­no­mie könnten dann der Ausschank von Alkohol einge­schränkt und der Betrieb auf Außen­be­rei­che beschränkt werden. Veran­stal­tun­gen sollen dann einge­schränkt, Hygie­ne­maß­nah­men sowie Sanktio­nen bei Verstö­ßen ausge­wei­tet werden.

Derzeit bleibt es noch bei Kontrol­len und Appel­len. Die zweite Stufe sieht bei Bedarf auch das Hochfah­ren von Corona-Ambulan­zen und Teststel­len vor. Dies habe man aber bereits in der ersten, stabi­len Phase erledigt, sagte Sozial­mi­nis­ter Manne Lucha (Grüne).

Beson­ders kritisch ist derzeit die Lage im Kreis Esslin­gen, in dem inner­halb von sieben Tagen 40,4 Neuin­fek­tio­nen pro 100 000 Einwoh­ner regis­triert wurden. Damit liegt der Kreis momen­tan ebenso über der kriti­schen Marke von 35 neuen Fällen wie die Stadt Stutt­gart mit 35,4 und bis vor kurzem Mannheim mit am Montag noch 36,1 Anste­ckun­gen. Am Diens­tag unter­schritt die Quadra­te­stadt den brisan­ten Wert aber wieder.

Eine Spreche­rin des Landkrei­ses Esslin­gen sprach am Montag von einem diffu­sen Infek­ti­ons­ge­sche­hen im Kreis. Es gebe keine einzel­nen Hotspots, sondern Ausbrü­che in Unter­künf­ten für Flücht­lin­ge, in Famili­en, Sport­ver­ei­nen und Betrieben.

Das Landrats­amt Esslin­gen schränkt deshalb priva­te Feiern im Kreis ein. In öffent­li­chen oder angemie­te­ten Räumen wie Gaststät­ten sollen dort höchs­tens noch 50 Perso­nen gemein­sam feiern dürfen, in priva­ten Räumen die Hälfte. Auch die Verwal­tung Mannheims ordne­te diese Regelung an. Darüber hinaus besteht jetzt im Jungbusch, dem Ausgeh­vier­tel der Stadt eine Masken­pflicht für Menschen, die vor Cafés, Restau­rants und Kneipen warten.

Die Zahl der Corona­vi­rus-Infek­tio­nen hat sich in Baden-Württem­berg im Vergleich zum Vortag um 388 Fälle erhöht. Insge­samt haben sich im nun 51 570 Menschen nachweis­lich mit dem Erreger Sars-CoV‑2 angesteckt, wie das Landes­ge­sund­heits­amt am Diens­tag (Stand: 16.00 Uhr) mitteil­te. Die Zahl der Todes­fäl­le im Zusam­men­hang mit dem Virus blieb unver­än­dert bei 1894. Als genesen gelten 44 932 Menschen — 236 mehr als am Vortag.

Liegt die Inzidenz über 50, wird die Teilneh­mer­zahl bei Feiern weiter begrenzt. Auf diese Einschrän­kun­gen hatten sich Bund und Länder geeinigt. Das grün-schwar­ze Kabinett beschloss am Diens­tag eine entspre­chen­de Änderung der Corona-Verord­nung des Landes.

Zudem können falsche persön­li­che Angaben in Gäste­lis­ten in Restau­rants nun mit einem Bußgeld belegt werden. Gäste, die über ihre Identi­tät falsche Angaben machen, können mit einem Bußgeld zwischen 50 und 250 Euro bedacht werden. Lucha beton­te vor allem die Bedeu­tung der Nachver­fol­gung von Infek­ti­ons­ket­ten. Deshalb werde auch in Gaststät­ten und Kneipen verstärkt kontrol­liert, dass Kontakt­lis­ten ordent­lich ausge­füllt werden. Die Wirte müssten da eine erste Plausi­bi­li­täts­kon­trol­le als ersten nieder­schwel­li­gen Schritt machen, sagte Kretschmann.

Der Deutsche Hotel- und Gaststät­ten­ver­band lehnt aller­dings eine Verant­wor­tung der Wirte für diese Kontakt­lis­ten strikt ab. «Wir sind Gastge­ber und keine Hilfs­po­li­zis­ten», sagte ein Sprecher des Landes­ver­ban­des. Es gebe keine Rechts­grund­la­ge, die die Gastro­no­men verpflich­te, ihre Gäste zu kontrol­lie­ren. «Unsere Betrie­be können das auch gar nicht leisten», sagte der Dehoga-Sprecher. Er appel­lier­te an die Besucher von Restau­rants und Kneipen, die Listen richtig auszu­fül­len. «Das ist eine wichti­ge Sache», sagte er. «Da gibts keinen Raum für Späße.»