STUTTGART (dpa/lsw) — Die Klima­schutz­zie­le im grün-schwar­zen Koali­ti­ons­ver­trag sind ehrgei­zig, die Zweifel am erfolg­rei­chen Ausbau der Windkraft sind groß. Die Regie­rung bläst nun zur Aufhol­jagd, denn im bundes­wei­ten Vergleich ist für Baden-Württem­berg noch Luft nach oben.

Mit einer breit angeleg­ten Planung für den Ausbau und die Vermark­tung von Windrä­dern will Baden-Württem­berg zur Aufhol­jagd in der Windkraft anset­zen. In großem Stil soll die den Staats­wald bewirt­schaf­ten­de ForstBW zusätz­li­che Flächen bereit­stel­len. Das geht aus einem Sieben-Punkte-Plan für eine «Vermark­tungs­of­fen­si­ve Windkraft» im Staats­wald hervor, das am Diens­tag im grün-schwar­zen Minis­ter­rat verab­schie­det wurden. «Als größter Waldbe­sit­zer hat das Land Baden-Württem­berg bei der Unter­stüt­zung dieser Ziele eine beson­de­re Verant­wor­tung», wirbt Forst­mi­nis­ter Peter Hauk (CDU) in dem Papier für seine Pläne.

Nach dem Willen der Koali­ti­on soll mindes­tens die Hälfte der Flächen für die geplan­ten 1000 neuen Windrä­der im Staats­wald bereit­ge­stellt werden. Damit soll in den kommen­den Jahren das im Koali­ti­ons­ver­trag festge­schrie­be­ne Ausbau­ziel bei der Windener­gie erreicht werden. Rund 320.000 Hektar oder etwa ein Viertel des baden-württem­ber­gi­schen Waldes gehören dem Land, 40 Prozent sind in Besitz von Städten und Gemeinden.

«Flächen für den Windkraft­aus­bau sollen von ForstBW identi­fi­ziert und zeitnah und umfang­reich bereit­ge­stellt werden», heißt es unter anderem in der Kabinetts­vor­la­ge von Hauk. Die Landes­forst­ver­wal­tung soll zudem im Nord- und Südschwarz­wald prüfen, wie die Nutzung von Windkraft in Auerwild­ge­bie­ten möglich sein könnte. Die Verfah­ren zur Verpach­tung sollen einfa­cher und schnel­ler werden. «Die von den Bewer­bern einzu­rei­chen­den Unter­la­gen sollen schlan­ker werden und sich auf die für die Projekt­pla­nung wichtigs­ten Punkte konzen­trie­ren», heißt es dazu auch in einer Antwort des Umwelt­mi­nis­te­ri­ums auf eine Anfra­ge der FDP-Frakti­on. Außer­dem wird an Ausgleichs­flä­chen im Staats­wald gedacht.

Die Offen­si­ve ist nötig. Baden-Württem­berg liegt im Länder­ver­gleich beim Ausbau von Windrä­dern im ersten Halbjahr zwar auf Rang fünf, wie aus Zahlen der Branchen­ver­bän­de Bundes­ver­band Windener­gie sowie VDMA Power Systems hervor­geht. Aller­dings waren im Südwes­ten Ende vergan­ge­nen Jahres auch nur 731 Anlagen in Betrieb, das sind gerade Mal 12 mehr als im Jahr zuvor. Derzeit sind es nach jüngs­ten Angaben des Umwelt­mi­nis­te­ri­ums 750 Anlagen. Nur einige Dutzend davon drehen sich bislang im Staats­wald. Zum Vergleich: In flachen Ländern wie Nieder­sach­sen stehen mehr als 6350 Windräder.

Landes­um­welt­mi­nis­te­rin Thekla Walker (Grüne) sieht sich aller­dings durch die jüngs­te Statis­tik der Branchen­ver­bän­de motiviert: «Sie zeigt, dass wir im Land die Energie­wen­de hin zu saube­rem Strom weiter ehrgei­zig voran­trei­ben», sagte sie. Dagegen zeigt sich SPD-Frakti­ons­chef Andre­as Stoch skeptisch und kriti­siert den Verwal­tungs­auf­wand: «Diese Hürden kann man nicht wegbe­ten, man muss sie abbau­en», sagte er. «Und erst wenn das geschieht, ist es ein Signal für einen echten Aufbruch.» Er glaube den Ankün­di­gun­gen nicht, bevor nicht tatsäch­lich einige Hundert neue Anlagen geneh­migt und auf gutem Weg sind.

Und auch die Natur­schüt­zer gießen Wasser in den Wein: Es mache zwar Hoffnung, dass in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 21 Windrä­der mit einer Leistung von über 80 Megawatt errich­tet worden seien, sagte Sylvia Pilars­ky-Grosch, die Landes­vor­sit­zen­de des Bunds für Umwelt und Natur­schutz Deutsch­land (BUND). Nach Zahlen des Deutschen Insti­tuts für Wirtschafts­for­schung brauche der Südwes­ten aber neue Anlagen mit einer Leistung von 15.000 Megawatt. «Das wären bei der momen­ta­nen Anlagen­grö­ße etwa 4000 Stück», sagte die BUND-Vorsit­zen­de. «Um das bis 2040 zu errei­chen, muss sich der jährli­che Zubau in Baden-Württem­berg auf mehr als 200 Anlagen verfünffachen.»

Ökostrom aus Wind ist ein zentra­ler Pfeiler der Energie­wen­de, er ist in Baden-Württem­berg in den vergan­ge­nen Jahren aber stark ins Stocken geraten. Als wesent­li­che Gründe gelten lange Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren, viele Klagen und Vorga­ben des Bundes, die Baden-Württem­berg im Vergleich zu Norddeutsch­land benach­tei­li­gen. Außer­dem müssen Arten­schutz und Windkraft zusam­men­ge­dacht werden.