BERLIN (dpa) — Impfzen­tren klagen über aggres­si­ve Impfwil­li­ge — und Versu­che, sich eine vorzei­ti­ge Impfung zu erschlei­chen. Bundes­prä­si­dent Stein­mei­er mahnt: Das Impfen dürfe nicht zur sozia­len Frage werden.

Angesichts zuneh­men­der Versu­che von Impfwil­li­gen, sich ungerecht­fer­tigt und teils mit falschen Angaben eine vorzei­ti­ge Impfung zu verschaf­fen, wird der Ruf nach Strafen laut.

«Zwar werden Tausen­de erwischt, aber es fehlt an Sanktio­nen», sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patien­ten­schutz, Eugen Brysch, der dpa. «Sich beim Impfen vorzu­drän­gen, ist weiter­hin keine Ordnungswidrigkeit.»

Viele Impfzen­tren klagen nach einem Medien­be­richt über Aggres­si­vi­tät von Impfwil­li­gen und zuneh­men­de Versu­che, sich eine vorzei­ti­ge Impfung zu erschlei­chen. Das SWR-Fernseh­ma­ga­zin «Report Mainz» berich­te­te von mehre­ren tausend Fällen.

Allein das Hambur­ger Impfzen­trum melde­te demnach zuletzt 2000 Vordräng­ler in einer Woche. Um vorzei­tig an einen Impfter­min zu kommen, würden etwa falsche Alters- oder Berufs­an­ga­ben gemacht, berich­te­te «Report». In München würden bis zu 350 Vordräng­ler in der Woche erwischt, in Saarbrü­cken bis zu 140. Die Redak­ti­on hatte bei den Impfzen­tren der Landes­haupt­städ­te nachge­fragt, aller­dings erfas­sen nicht alle die Zahlen zu Impfvordränglern.

Der Sprecher der Hambur­ger Sozial­be­hör­de, Martin Helfrich, sagte dem ARD-Magazin: «Die Stimmung wird aggres­si­ver. Den Menschen ist teilwei­se sehr klar, dass sie nicht berech­tigt sind und trotz­dem versu­chen sie, sich impfen zu lassen.»

Insge­samt haben die Impfstel­len mittler­wei­le mehr als 35 Millio­nen Impfdo­sen gegen Corona verab­reicht — etwas weniger als 27,3 Millio­nen bei Erstimp­fun­gen und weite­re gut 7,8 Millio­nen bei Zweit­imp­fun­gen (Stand Montag). 32,8 Prozent der Menschen haben mindes­tens eine Impfung erhal­ten. Den vollen Impfschutz erhiel­ten demnach bislang 9,4 Prozent der Bevölkerung.

Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Stein­mei­er rief dazu auf, das Impfen gegen das Corona­vi­rus nicht zur sozia­len Frage werden zu lassen. «Wir müssen immer wieder auch sehen, dass es eine sozia­le Dimen­si­on der Krise gibt, und müssen Vorsor­ge dafür treffen, dass in der Pande­mie die Gräben in der Gesell­schaft nicht noch tiefer werden», sagte er nach dem Besuch einer Hausarzt­pra­xis im Berli­ner Stadt­teil Moabit.

In Stadt­tei­len wie diesem, die kultu­rell, religi­ös und sozial sehr gemischt seien, gebe es oft große sozia­le Proble­me. Die Infek­ti­ons­ra­ten dort seien teils deutlich höher, sagte Stein­mei­er. Beson­ders in solchen Stadt­tei­len sei «die Beratung und die Behand­lung durch Hausärz­te wirklich Gold wert». Sie könnten im Gespräch mit ihren Patien­tin­nen und Patien­ten Vertrau­en dafür schaf­fen, die angebo­te­nen Impfun­gen auch in Anspruch zu nehmen, beton­te der Bundespräsident.

Um alle Menschen mit der Impfkam­pa­gne errei­chen zu können, sei es wichtig, verschie­de­ne Möglich­kei­ten zu suchen. Die Hausarzt­pra­xen seien ein immer wichti­ger werden­der Bestand­teil der Impfkam­pa­gne. Man brauche aber gleicher­ma­ßen die Impfzen­tren: «Ich glaube, wir sollten im Moment das eine nicht gegen das andere ausspie­len.» Zudem komme es darauf an, gezielt in die Wohnge­bie­te, Betrie­be und Kultur­ein­rich­tun­gen zu gehen, um die Menschen dort aufzu­klä­ren und ihnen mit mobilen Einrich­tun­gen Impfan­ge­bo­te zu machen.

«Report»-Recherchen zeigen demnach, dass die Impfbe­trü­ger sich oft als höher priori­sier­te Kontakt­per­so­nen von Pflege­be­dürf­ti­gen oder Schwan­ge­ren ausge­ben. Denn eine pflege­be­dürf­ti­ge Person etwa kann zwei Kontakt­per­so­nen benen­nen, die vorran­gig geimpft werden. In einem der SWR-Redak­ti­on bekann­ten Fall schaff­ten es aber statt zwei acht junge und gesun­de Leute, sich als Kontakt­per­so­nen impfen zu lassen.