BERLIN (dpa) — Es ist eine Diskus­sio­nen über den Küchen­tisch hinaus: Inzwi­schen beschäf­ti­gen sich auch Gerich­te damit, ob in bestimm­ten Berei­chen «gegen­dert» werden soll oder nicht. Wie sieht es im Umfeld Schule aus?

«Schüler_innen», «Schüler*innen», Schüler:innen» — sollen solche Formen, die nach Ansicht der Befür­wor­ter alle Menschen besser sicht­bar machen, von Lehrkräf­ten im Unter­richt verwen­det werden oder nicht? Ein Fall in Berlin lenkt den Blick wieder auf das Thema. Bildungs­ge­werk­schaf­ten und Lehrer­ver­band vertre­ten dazu unter­schied­li­che Ansich­ten. Bundes­ein­heit­li­che Vorga­ben gibt es bisher nicht.

Der Deutsche Lehrer­ver­band lehnt das sogenann­te Gendern durch Lehre­rin­nen und Lehrer ab. Lehrkräf­te sollten sich im Unter­richt «an das amtli­che Regel­werk halten und nicht vorge­se­he­ne Schrei­bun­gen unter­las­sen», sagte der Präsi­dent des Deutschen Lehrer­ver­bands, Heinz-Peter Meidin­ger, der Deutschen Presse-Agentur. Bei Schülern sollten sie aller­dings «tolerant und zurück­hal­tend» sein, wenn diese in Aufsät­zen und Klausu­ren «nicht­amt­li­che Gender­schreib­wei­sen» verwen­de­ten, fügte er hinzu.

Die Gewerk­schaft Erzie­hung und Wissen­schaft (GEW) steht dem Gendern auch durch Lehrkräf­te offen gegen­über: «Sprache befin­det sich in einem ständi­gen Wandel. Das muss sich auch im schuli­schen Unter­richt abbil­den können», sagte die Vorsit­zen­de Maike Finnern.

Vater zieht wegen Sprech­pau­sen vor Gericht

Aktuel­ler Hinter­grund ist ein Fall in Berlin: Ein Vater war mit einem Eilan­trag vor dem Verwal­tungs­ge­richt geschei­tert und will nun nach Angaben des Vereins Deutsche Sprache, der ihn unter­stützt, eine Instanz höher vor das Oberver­wal­tungs­ge­richt ziehen. Dem Gericht lag der Fall am Donners­tag aller­dings noch nicht vor, wie eine Spreche­rin auf Anfra­ge mitteil­te. Der Vater wendet sich dagegen, dass Lehrkräf­te an der Schule seiner Töchter teils beim Sprechen Pausen lassen — etwa bei dem Wort «Lehrer-innen». Teils würden auch Stern­chen oder ein sogenann­tes Binnen‑I in Mails an Eltern oder in der schuli­schen Aufga­ben­stel­lung verwendet.

Die GEW begrüß­te die Gerichts­ent­schei­dung. Das Verwal­tungs­ge­richt habe «klar gemacht, dass bei einer Verwen­dung gender­sen­si­bler Sprache von Lehrkräf­ten nicht zu erken­nen sei, dass hierdurch das elter­li­che Erzie­hungs­recht verletzt werde. Dieser Begrün­dung schlie­ßen wir uns an», sagte Finnern. Die GEW verwen­det in der Kommu­ni­ka­ti­on mit ihren Mitglie­dern selbst das sogenann­te Gender-Sternchen.

Gender-Stern, Unter­strich, Doppelpunkt

Für die amtli­che Recht­schrei­bung ist der Rat für Deutsche Recht­schrei­bung zustän­dig. Ihm gehören Mitglie­der aus sieben Ländern und Regio­nen an. Das Gremi­um hat laut seinem Statut die Aufga­be «die Einheit­lich­keit der Recht­schrei­bung im deutschen Sprach­raum zu bewah­ren und die Recht­schrei­bung auf der Grund­la­ge des ortho­gra­fi­schen Regel­werks (…) weiterzuentwickeln».

Der Rat hatte in seiner letzten, zwei Jahre alten Stellung­nah­me die Aufnah­me von Gender-Stern, Unter­strich, Doppel­punkt «oder anderen verkürz­ten Formen zur Kennzeich­nung mehrge­schlecht­li­cher Bezeich­nun­gen im Wortin­nern in das amtli­che Regel­werk» nicht empfoh­len. Darauf verwei­sen manche Bundes­län­der, wenn es zum Thema Gendern an ihren Schulen kommt.

Andere gehen weiter:

- Sachsen hatte etwa 2021 angewie­sen, entspre­chen­de Zeichen im Schul­be­reich und in offizi­el­len Schrei­ben von Schulen nicht zu verwenden.

- Schles­wig-Holstein hatte verfügt, Stern­chen, Binnen‑I oder ähnli­che Schreib­wei­sen in Prüfun­gen als Fehler zu werten.

- In Baden-Württem­berg gibt es laut Kultus­mi­nis­te­ri­um in den Beurtei­lungs- und Korrek­tur­richt­li­ni­en für Abschluss­prü­fun­gen keine Vorga­ben zum Thema. Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann (Grüne) und auch der Landes­ver­band der Bildungs­ge­werk­schaft VBE sind aber gegen Gendern im Klassenzimmer.

- In Nieder­sach­sen vertritt die Landes­re­gie­rung die Ansicht, gegen­der­te Schreib­wei­sen sollten in Prüfun­gen nicht als Fehler gewer­tet, aber auch nicht vorge­schrie­ben werden.

- Bayern verweist für den Unter­richt auf die amtli­che Recht­schrei­bung und auf die mögli­che Nutzung von «Paarfor­men» wie «Schüle­rin­nen und Schüler». Im öffent­li­chen Schrift­ver­kehr, also zum Beispiel mit Eltern, trügen die Schulen aber «im Rahmen ihrer Eigen­ver­ant­wort­lich­keit (…) für die Einhal­tung sprach­li­cher Normen selbst Verantwortung».

Gender­ge­rech­te Sprache im Unter­richt thematisieren

Der Verein Deutsche Sprache kriti­sier­te einen «Wildwuchs». Wenn ein Kind von einem in ein anderes Bundes­land ziehe, müsse es sich auf eine verbind­li­che Recht­schrei­bung verlas­sen können. Lehrer­prä­si­dent Meidin­ger forder­te, Schule solle ein neutra­ler Ort sein. Es sei nicht auszu­schlie­ßen, dass durch demons­tra­ti­ve Verwen­dung von nicht­amt­li­chen Gender­schreib­wei­sen bei Schülern ein Anpas­sungs­druck entste­he. Meidin­ger sprach sich aber dafür aus, im Unter­richt zu thema­ti­sie­ren, «wie gender­ge­rech­te Sprache ausse­hen kann und soll».

Von Jörg Ratzsch, dpa