LONDON (dpa) — Insge­samt 24 Ankla­ge­punk­te wirft ein Gericht Ex-Tennis­star Boris Becker im Zusam­men­hang mit dessen Insol­venz vor. Sein Anwalt zeich­net ihn als Menschen, der von finan­zi­el­len Dingen nie viel wusste.

Im Londo­ner Straf­pro­zess gegen Boris Becker hat der frühe­re Tennis­star erstmals ausführ­lich ausge­sagt. Am fünften Tag des Verfah­rens wegen mögli­cher Verschleie­rung von Vermö­gens­be­stand­tei­len während seiner Insol­venz äußer­te sich der Wahl-Londo­ner auf Fragen der Verteidigung.

Etwas schwer­mü­tig wirkte der 54-Jähri­ge, als er den Gerichts­saal im schmuck­lo­sen Gebäu­de des Southwark Crown Court im Herzen der briti­schen Haupt­stadt betrat. Er trug einen stahl­blau­en Anzug, dazu weißes Hemd und blaue Sport­schu­he. Immer­hin: Während seiner Aussa­ge durfte er den Glaskas­ten des Angeklag­ten inmit­ten des Saals verlas­sen und im Zeugen­stand Platz nehmen.

Das Wort hatte während der stunden­lan­gen Anhörung in erster Linie sein Anwalt Jonathan Laidlaw, der Becker Frage über Frage zu seinem Privat­le­ben, seiner sport­li­chen und profes­sio­nel­len Karrie­re und — vor allem — seinem Verhält­nis zum Geld stell­te. Immer wieder kommen­tier­te Becker die Ausfüh­run­gen seines Rechts­bei­stands mit: «Das ist korrekt.»

Anwalt: Immer auf andere verlassen

Die Vertei­di­gungs­li­nie wurde schnell klar: Der frühe­re Tennis­star habe sich nie um finan­zi­el­le Fragen geküm­mert, sondern sich stets auf die Einschät­zung seiner Berater verlas­sen. Er habe auch nie selbst Rechnun­gen gezahlt. Becker habe auch weder Zeit noch Geduld gehabt, um Verträ­ge zu lesen. Dies sei «leider» auch jetzt noch so, sagte der frühe­re Tennis­star aus. Er habe nicht gewusst, wie viele Konten er besitzt, so der in London leben­de Leime­ner. Hin und wieder drehte sich Becker nach seiner Überset­ze­rin um.

Bei den 24 Ankla­ge­punk­ten geht es unter anderem darum, dass der dreima­li­ge Wimble­don-Sieger versucht haben soll, Geld und Wertge­gen­stän­de, etwa Trophä­en, sowie Immobi­li­en dem Zugriff des Insol­venz­ver­wal­ters zu entzie­hen. Becker strei­tet das ab. Ihm könnten theore­tisch bis zu sieben Jahre Haft drohen.

Vertei­di­ger Laidlaw präsen­tier­te den Geschwo­re­nen einen Mann, der womög­lich durch Nachläs­sig­keit, aber keines­wegs durch böse Absicht in die Situa­ti­on gekom­men war, in der er sich nun befindet.

Becker hat viel Geld verloren

2017 war Becker von einem Gericht in London für zahlungs­un­fä­hig erklärt worden. Auslö­ser war, dass er einen Kredit bei einer engli­schen Privat­bank nicht mehr bedie­nen konnte, den er einige Jahre zuvor aufge­nom­men hatte — mit einem Zinssatz von 25 Prozent. Davor führte der Vertei­di­ger aus, wie Becker durch die Trennung von seiner ersten Frau Barba­ra einen Image­ver­lust erlit­ten sowie an Vermö­gen und Einnah­me­quel­len einge­büßt hatte. Auch die Insol­venz selbst habe sein Einkom­men drastisch reduziert, sagte Becker.

Obwohl eine Privat­in­sol­venz in England in der Regel inner­halb von zwölf Monaten abgeschlos­sen werden kann, dauert das Verfah­ren seitdem an. Verschie­de­ne Aufla­gen gegen den 54-Jähri­gen wurden sogar auf eine Dauer von zwölf Jahren verlängert.

Nun geht es für Becker erst einmal darum, nicht schul­dig gespro­chen zu werden. Ob die von seinem Vertei­di­ger einge­schla­ge­ne Strate­gie bei den Geschwo­re­nen verfan­gen wird, war am Montag noch unklar, der Prozess könnte sich noch zwei Wochen lang hinzie­hen. Nur eines schien sicher: Boris Becker gibt sich noch längst nicht geschlagen.

Von Chris­toph Meyer und Benedikt von Imhoff, dpa