Die Impfun­gen sollen das entschei­den­de Instru­ment im Kampf gegen die Pande­mie sein. Doch der ruckeln­de Auftakt hat viel Ärger angerich­tet. Zu einem Bund-Länder-Treffen kommen jetzt mehre­re positi­ve Signale.

BERLIN (dpa) — Nach dem schlep­pen­den Start der Corona-Impfun­gen in Deutsch­land kommt mehr dringend erhoff­ter Nachschub in Sicht.

Bis zum Sommer sollen die Liefer­men­gen deutlich anzie­hen, wie aus einer neuen Schät­zung des Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums hervor­geht, die zu einem «Impfgip­fel» von Bund und Ländern in Berlin bekannt wurde. Der Pharma­rie­se Bayer kündig­te den Einstieg in die Produk­ti­on eines Impfstof­fes an, den das Tübin­ger Unter­neh­men Curevac entwi­ckelt. Für den jetzt zugelas­se­nen dritten Impfstoff des Herstel­lers Astra­ze­ne­ca soll die Impfver­ord­nung geändert werden — das Präpa­rat sollen vorran­gig Erwach­se­ne bis 64 Jahre bekommen.

Kanzle­rin Angela Merkel (CDU) und die Minis­ter­prä­si­den­ten der Länder berie­ten per Video­kon­fe­renz über den Stand der Impfun­gen, die vor gut einem Monat angelau­fen sind. Angesichts knapper Mengen, teils unsiche­rer Liefe­run­gen und oft überlas­te­ter Telefon-Hotlines für Impfter­mi­ne hat sich massi­ve Kritik aufge­staut. Länder und Kommu­nen fordern mehr Zuver­läs­sig­keit bei Liefer­an­ga­ben, damit die regio­na­len Impfzen­tren vor Ort besser planen können.

Am «Impfgip­fel» nahmen auch die Pharma­bran­che und die EU-Kommis­si­on teil. Mit dabei waren unter anderem Gesund­heits­kom­mis­sa­rin Stella Kyria­ki­des und Binnen­markt-Kommis­sar Thier­ry Breton sowie Vertre­ter der Firmen Biontech, Pfizer, Curevac, IDT, Moder­na, Astra­ze­ne­ca, Johnson&Johnson, Sanofi, Bayer und Schott.

Nordrhein-Westfa­lens Minis­ter­prä­si­dent Armin Laschet mahnte eine realis­ti­sche Bestands­auf­nah­me an. Ziel sei dann, das Impfen optimal voran­zu­brin­gen. Der CDU-Chef wandte sich gegen den Eindruck, man könne die Impfstoff­pro­duk­ti­on «mal eben in einer Woche» hochfah­ren. Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) sagte, er verste­he die große Erwar­tungs­hal­tung. Realis­tisch sei aber, noch mit einigen Wochen Impfstoff­knapp­heit zu rechnen. Es gelte, gemein­sam zu schau­en, wo konkret etwa Beschaf­fung, Produk­ti­on und Termin­ver­ga­be verbes­sert werden können.

Die Impfstoff-Mengen sollen im Lauf des Jahres spürbar anwach­sen. Das geht aus einer Übersicht des Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Nach 18,3 Millio­nen Impfdo­sen im laufen­den ersten Quartal könnten demnach laut aktuel­ler Schät­zung im zweiten Quartal voraus­sicht­lich 77,1 Millio­nen Dosen und im dritten Quartal 126,6 Millio­nen Dosen verschie­de­ner Herstel­ler folgen. Im vierten Quartal könnten es dann weite­re 100,2 Millio­nen Dosen sein. Die Schät­zung bezieht sich auf Verträ­ge und geplan­te Verein­ba­run­gen sowie voraus­sicht­li­che Zulas­sungs­ter­mi­ne einiger Impfstof­fe. Zugleich hieß es, Termi­ne und Liefer­men­gen hingen von vielen Fakto­ren ab — etwa klini­schen Prüfun­gen, Zulas­sungs­ver­fah­ren und Produktionsprozessen.

Bayer und die Biotech­no­lo­gie­fir­ma Curevac gaben eine Erwei­te­rung ihrer Anfang Januar geschlos­se­nen Koope­ra­ti­on bekannt. Konkret will Bayer 2022 rund 160 Millio­nen Dosen des Impfstof­fes von Curevac herstel­len. Angestrebt wird ein Start bereits Ende 2021. Wenn die weite­ren Entwick­lungs- und Zulas­sungs­schrit­te planmä­ßig verlau­fen, könnte er ab Sommer gespritzt werden — dann zunächst mit Dosen, die nicht von Bayer produ­ziert werden. Curevac-Chef Franz-Werner Haas sagte: «Zum Ende des Jahres werden wir mehre­re hundert Millio­nen Dosen zur Verfü­gung haben.» Für das Jahr 2022 seien bisher 600 Millio­nen Dosen geplant gewesen. Durch Auswei­tung des bestehen­den Produk­ti­ons­netz­wer­kes würden es nun mindes­tens eine Milli­ar­de werden.

Auch auf EU-Ebene gibt es Bewegung. So will der Herstel­ler Biontech im zweiten Quartal mögli­cher­wei­se bis zu 75 Millio­nen zusätz­li­che Dosen seines Vakzins an die Europäi­sche Union auslie­fern. Und auch der Pharma­kon­zern Astra­ze­ne­ca will nun doch mehr Impfstoff liefern. Im ersten Quartal kämen neun Millio­nen Dosen hinzu, insge­samt seien es also 40 Millio­nen Dosen, teilte EU-Kommis­si­ons­che­fin Ursula von der Leyen mit. Der Herstel­ler hatte vor gut einer Woche mitge­teilt, im ersten Quartal nur 31 Millio­nen statt 80 Millio­nen Dosen zu liefern.

Spahn kündig­te Änderun­gen bei der Verord­nung an, die Vorga­ben für die Impfun­gen macht. Hinter­grund ist, dass der Astra­ze­ne­ca-Impfstoff in Deutsch­land laut Empfeh­lung der Ständi­gen Impfkom­mis­si­on vorerst nur Erwach­se­nen unter 65 Jahren gespritzt werden soll. «Im Grund­satz werden die Priori­sie­rungs­grup­pen so bleiben, wie sie sind», sagte der Minis­ter. Einge­fügt werden sollen aber Altersvorgaben.

Das betrifft auch die laufen­den Impfun­gen der Gruppe mit höchs­ter Priori­tät — dazu gehören Über-80-Jähri­ge, Bewoh­ner und Perso­nal in Pflege­hei­men sowie Gesund­heits­per­so­nal etwa in Inten­siv­sta­tio­nen. Sind diese Beschäf­tig­ten jünger als 65, sollen sie vorran­gig mit Astra­ze­ne­ca geimpft werden. Ab 65 soll man Anspruch auf Impfun­gen mit einem der beiden anderen Impfstof­fe von Biontech und Moder­na haben.

Zudem sollen Menschen mit Vorer­kran­kun­gen voraus­sicht­lich teilwei­se etwas früher zum Zug kommen können als bisher geplant. Nach einem der Deutschen Presse-Agentur vorlie­gen­den Entwurf sollen etwa Diabe­ti­ker mit hohen Blutzu­cker­wer­ten eine Impfung in der zweiten Gruppe mit «hoher Priori­tät» erhal­ten können. Dies gilt etwa auch für Menschen mit chroni­schen Leber- oder Nieren­er­kran­kun­gen sowie bestimm­ten schwe­ren chroni­schen Lungen­er­kran­kun­gen. In dieser Gruppe sollen sonst weiter schwer­punkt­mä­ßig Menschen ab 70 erfasst werden.

Die Bundes­re­gie­rung bekräf­tig­te das Ziel, bis Ende des Sommers allen Bürgern ein Impfan­ge­bot zu machen — aber voraus­ge­setzt, dass bei Liefe­run­gen und Zulas­sun­gen alles wie vorge­se­hen läuft, wie die stell­ver­tre­ten­de Regie­rungs­spre­che­rin Marti­na Fietz deutlich machte. Vizekanz­ler Olaf Scholz (SPD) sagte dazu der «Süddeut­sche Zeitung»: «Diese Zusage haben Kanzle­rin und Gesund­heits­mi­nis­ter gegeben. Wenn ich die aktuel­le Debat­te über Impfstoff­lie­fe­run­gen verfol­ge und hochrech­ne, müssen wir uns sehr anstrengen.»

Trotz der Liefer­eng­päs­se sieht EU-Kommis­si­ons­prä­si­den­tin Ursula von der Leyen den Staaten­ver­bund auf dem richti­gen Weg. Inzwi­schen seien zwölf Millio­nen Menschen in der Europäi­schen Union geimpft worden — eine «statt­li­che Zahl» im Verhält­nis zu den rund 370 Millio­nen erwach­se­nen EU-Bürgern, sagte sie im ZDF-«heute journal». Ziel der EU sei es, dass bis zum Ende des Sommers 70 Prozent der Erwach­se­nen geimpft seien.