BERLIN (dpa) — Seit Ende Febru­ar verhan­delt die EVG mit der Bahnbran­che über neue Tarif­ver­trä­ge, Ergeb­nis­se sind bisher nicht in Sicht. Kann ein Warnstreik nun Bewegung in die festge­fah­re­ne Lage bringen?

Der Warnstreik der Eisen­bahn- und Verkehrs­ge­werk­schaft EVG hat den Bahnver­kehr nahezu komplett lahmge­legt. «Der Bahnver­kehr der DB steht derzeit aufgrund des Streiks der EVG still. Die Situa­ti­on an den Bahnhö­fen ist aktuell ruhig», teilte die Deutsche Bahn online mit.

«Gegen 13.00 Uhr werden wir wieder schritt­wei­se den Fernver­kehr hochfah­ren. Im Regio­nal- und S‑Bahnverkehr der DB wird es etwas früher schon losge­hen», sagte eine Spreche­rin. Vor allem im Fernver­kehr könnte es aber auch noch Stunden nach dem Warnstrei­ken­de zu Beein­träch­ti­gun­gen kommen. Vom Ausstand betrof­fen sind laut Online-Mittei­lung auch der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr, an den Rangier­bahn­hö­fen bilde­ten sich Staus.

Die EVG hat die Beschäf­tig­ten bei rund 50 Bahnun­ter­neh­men zum Warnstreik von 3.00 Uhr bis 11.00 Uhr aufgerufen.

Paral­lel bestreikt die Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft Verdi weiter die Flughä­fen Hamburg, Köln/Bonn und Düssel­dorf — und ab heute zusätz­lich die Airports in Stutt­gart und Karls­ru­he/­Ba­den-Baden.

Homeof­fice statt Verkehrschaos

Der heuti­ge Warnstreik ist der zweite in der aktuel­len Tarif­aus­ein­an­der­set­zung der EVG mit den Bahnun­ter­neh­men. Bei der Arbeits­nie­der­le­gung am 27. März gingen EVG und Verdi gemein­sam vor und legten neben dem öffent­li­chen Nah‑, Regio­nal- und Fernver­kehr auch mehre­re Flughä­fen in der Bundes­re­pu­blik lahm. Stunden­lang ging auf der Schie­ne nichts — ein Verkehrs­chaos etwa auf der Straße blieb durch den ganztä­gi­gen Ausstand Ende März aber aus. Viele Menschen setzten offen­sicht­lich auf Homeof­fice oder stell­ten sich anders auf die Ausfäl­le ein.

Die Verhand­lun­gen für neue Tarif­ver­trä­ge laufen seit Ende Febru­ar. Die EVG verhan­delt dabei für 230.000 Beschäf­tig­te, 180.000 davon arbei­ten bei der Deutschen Bahn. Die Gesprä­che mit dem bundes­ei­ge­nen Konzern kamen aller­dings von Beginn an nicht in Schwung: Der erste Termin endete nach nur zwei Stunden, auch beim zweiten Treffen wurden dem Verneh­men nach ledig­lich die jewei­li­gen Stand­punk­te ausgetauscht.

EVG: «Druck auf die Arbeit­ge­ber erhöhen»

Die Gewerk­schaft will für die Beschäf­tig­ten ein Lohnplus von mindes­tens 650 Euro errei­chen oder zwölf Prozent bei den oberen Einkom­men, das alles bei einer Laufzeit des Tarif­ver­trags von zwölf Monaten. Die bundes­ei­ge­ne Bahn zeigte sich zuletzt offen, den jüngs­ten Schlich­ter­spruch im Tarif­streit des öffent­li­chen Diens­tes als Orien­tie­rung für eine bahnspe­zi­fi­sche Lösung zu übernehmen.

Der Schlich­ter­spruch sieht zunächst einen steuer- und abgabe­frei­en Infla­ti­ons­aus­gleich in mehre­ren Stufen von insge­samt 3000 Euro vor. Ab März 2024 soll es dann einen Sockel­be­trag von 200 Euro sowie anschlie­ßend ein Lohnplus von 5,5 Prozent geben. Über den Vorschlag wollen die Gewerk­schaf­ten mit Bund und Kommu­nen am kommen­den Wochen­en­de verhandeln.

Die EVG lehnt es strikt ab, den Schlich­ter­spruch als weite­re Verhand­lungs­grund­la­ge zu überneh­men. «Wir müssen den Druck auf die Arbeit­ge­ber erhöhen, die glauben, die Forde­run­gen ihrer Beschäf­tig­ten ignorie­ren zu können und statt­des­sen Tarif­ver­hand­lun­gen nach Gutsher­ren­art führen wollen. Das ist nicht akzep­ta­bel», sagten die beiden EVG-Tarif­vor­stän­de Cosima Ingen­schay und Kristi­an Loroch zur Begrün­dung des neuer­li­chen Warnstreiks.

DB-Perso­na­ler: «EVG hat Maß und Mitte komplett verloren»

DB-Perso­nal­vor­stand Martin Seiler bezeich­ne­te den Warnstreik dagegen als überzo­gen und unnütz. «Am Freitag, dem reise­stärks­ten Tag der Woche, trifft er viele Pendler:innen beson­ders hart. Die EVG hat Maß und Mitte komplett verlo­ren und setzt nur auf Krawall», sagte der Manager. Die nächs­te Verhand­lungs­run­de zwischen EVG und DB ist für kommen­den Diens­tag in Fulda angesetzt.

Das Unter­neh­men Trans­dev versuch­te am Donners­tag noch, den Warnstreik per einst­wei­li­ger Verfü­gung zu stoppen. Das Arbeits­ge­richt in Frank­furt wies die Anträ­ge aller­dings am Donners­tag­nach­mit­tag nach Angaben eines Sprechers zurück.

An den Flughä­fen Düssel­dorf, Köln/Bonn und Hamburg werden die am Donners­tag begon­nen Warnstreiks des Sicher­heits­per­so­nal heute fortge­setzt. Zusätz­lich hat die Gewerk­schaft Verdi auch am Stutt­gar­ter Flugha­fen zum Ausstand aufge­ru­fen. Verdi will so bei Verhand­lun­gen für die Beschäf­tig­ten im Luftsi­cher­heits­be­reich, in der Fluggast­kon­trol­le, der Perso­nal- und Waren­kon­trol­le und in Service­be­rei­chen den Druck auf die Arbeit­ge­ber erhöhen.

Die Gewerk­schaft verhan­delt seit gerau­mer Zeit mit dem Bundes­ver­band der Luftsi­cher­heits­un­ter­neh­men über Zuschlä­ge für Nacht‑, Samstags‑, Sonntags- und Feier­tags­ar­beit sowie Regelun­gen zur Entloh­nung von Überstun­den für die Sicher­heits- und Servicekräfte.