Bei der ersten TV-Debat­te von Donald Trump und Joe Biden wurde einiges an Streit erwar­tet — doch das Streit­ge­spräch versank nahezu im Chaos. Der Präsi­dent hatte maßgeb­li­chen Anteil daran.

Vor allem Trump fiel Biden in Cleve­land (Ohio) immer wieder ins Wort und ließ ihn seine Sätze nicht beenden. Wieder­holt sprachen beide Männer gleichzeitig.

Biden bezeich­ne­te Trump zwischen­zeit­lich als «Rassis­ten», «Putins Welpen» und «den schlech­tes­ten Präsi­den­ten, den Ameri­ka je hatte». Trump weiger­te sich auch vor einem riesi­gen TV-Publi­kum zu verspre­chen, sich nicht vor dem offizi­el­len Wahler­geb­nis zum Sieger zu erklä­ren. Biden tat das.

Das Konzept der TV-Debat­te war eigent­lich, jeweils 15 Minuten lang sechs Themen­blö­cke zu disku­tie­ren. Der Modera­tor stellt eine Frage, die Kandi­da­ten haben jeweils zwei Minuten für ihr State­ment, danach folgt eine offene Diskus­si­on. Diese Struk­tur fiel schnell auseinander.

Trump ließ Biden oft nicht ausre­den, der ehema­li­ge Vizeprä­si­dent reagier­te häufig mit einem ironi­schen Lächeln und wehrte sich gelegent­lich mit leicht resignier­tem Ton. «Würden Sie mal die Klappe halten, Mann?», fragte er an einer Stelle. Und: «Es ist schwer, mit diesem Clown auf den Punkt zu kommen.» Auch der erfah­re­ne TV-Journa­list Chris Wallace als Modera­tor der Debat­te hatte zum Teil große Proble­me, Trump zur Ordnung zu rufen.

Bei den Zuschau­ern kam das Spekta­kel nicht gut an. Befragt nach ihrem überwie­gen­den Gefühl beim Anschau­en der Debat­te antwor­te­ten in einer CBS-Blitz­um­fra­ge mehr als zwei Drittel (69 Prozent), die Diskus­si­on habe sie vor allem verärgert.

Als erste Frage wählte Wallace die aktuell laufen­de Neube­set­zung des Posten der versto­be­nen Richte­rin Ruth Bader Ginsburg am Obers­ten Gericht der USA aus. Daraus wurde schnell eine Debat­te über das Gesund­heits­we­sen in der USA, weil Biden argumen­tier­te, dass mit der von Trump vorge­schla­ge­nen Richte­rin Amy Coney Barrett die Gesund­heits­re­form von Präsi­dent Barack Obama zu Grabe getra­gen würde. Biden will, dass erst der Sieger der Wahl die Ginsburg-Nachfol­ge regelt. Trump konter­te, er sei immer noch Präsi­dent: «Wir haben die Wahl gewon­nen, und wir haben das Recht, das zu machen.»

Auch eine zentra­le Frage für die USA — der Umgang mit der Corona-Krise — sorgte für Streit. «Er will einen Shutdown dieses Landes, und ich will es offen halten», sagte Trump. Biden konter­te, Trump habe sich «völlig unver­ant­wort­lich» verhal­ten und so Tausen­de von Menschen­le­ben gefähr­det. Grenz­schlie­ßun­gen, Venti­la­to­ren, Impfbe­reit­schaft, Abstand halten, Masken — die Fernseh­de­bat­te sprang von einem zum anderen Streit­the­ma der Corona-Krise.

Biden beton­te, dass er als Präsi­dent zum Tragen von Masken ermuti­gen würde, weil das viele Menschen­le­ben retten könne. Trump warf ein, dass einige den Nutzen von Masken bestrei­ten. «Keine ernst­haf­te Person hat das Gegen­teil gesagt», konter­te Biden. Die Corona-Pande­mie hat in den USA bislang mehr als 200.000 Menschen das Leben gekostet.

Mit dem Vorwurf, dass Trump Kreml­chef Wladi­mir Putin nicht die Stirn biete, presch­te Biden im Zusam­men­hang mit Berich­ten über angeb­li­che Kopfgel­der Russlands auf US-Solda­ten in Afgha­ni­stan. «Er ist Putins Welpe», sagte Biden. Bestä­tigt wurden die Berich­te bisher nicht.

Trump weiger­te sich, sich ausdrück­lich von weißen rassis­ti­schen Gruppen wie die «Proud Boys» zu verur­tei­len. «Wen soll ich verur­tei­len?», fragte er Modera­tor Wallace. «Proud Boys — haltet euch zurück und haltet Euch bereit», sagte Trump danach («stand down and stand by»). Der Satz sorgte unter US-Kommen­ta­to­ren für Stirn­run­zeln. Trumps Sohn Donald Trump Jr. sagte nach der Debat­te im TV-Sender CBS, dass sein Vater sich wohl verspro­chen habe.

Biden nutzte den Wirtschafts­teil der Debat­te, um sich direkt an die Wähler zu wenden. In der Corona-Krise sei es Millio­nä­ren und Milli­ar­dä­ren wie Trump gut ergan­gen, «aber Ihr Leute zuhau­se, wie geht es Euch?», sagte Biden in die Kamera. Es ist ein klassi­scher Zug in TV-Debat­ten in Ameri­ka, seit der damali­ge Kandi­dat 1979 die Zuschau­er aufrief, darüber nachzu­den­ken, ob es ihnen besser gehe als vor vier Jahren. Trump wieder­hol­te unter­des­sen, dass er die beste Wirtschaft in der Geschich­te des Landes aufge­baut habe.

Ein eher überra­schen­der Moment kam als Trump in der Debat­te den Einfluss des Menschen auf den Klima­wan­del einräum­te — zumin­dest teilwei­se. Auf die Frage, ob er glaube, dass Umwelt­ver­schmut­zung und Treib­haus­ga­se zur Erder­wär­mung beitrü­gen, sagte der Präsi­dent: «Viele Dinge tun das, aber in einem gewis­sen Ausmaß: ja.» Trump sagte, die Waldbrän­de an der US-Westküs­te hätten ihre Ursache auch darin, dass dort anders als in Europa keine ausrei­chen­de Forst­wirt­schaft betrie­ben werde.