MAINZ/KÖLN (dpa) — Noch ist völlig unklar, wie sich die drohen­de Omikron-Welle auf Deutsch­land auswirkt. Bekann­te Virolo­gen zeigen sich aber gedämpft optimis­tisch — ein Grund dafür sind Nachrich­ten aus anderen Ländern. Diese sind aber nicht unbedingt übertragbar.

Promi­nen­te Virolo­gen sehen Anlass für vorsich­ti­gen Optimis­mus bei der weite­ren Entwick­lung der Corona-Pande­mie in Deutschland.

Der Berli­ner Virolo­ge Chris­ti­an Drosten verweist dabei auf Daten aus Südafri­ka, wo sich die beson­ders anste­cken­de Virus­va­ri­an­te Omikron zunächst verbrei­tet hatte: «In gewis­ser Weise kann uns das beruhi­gen. Südafri­ka ist sicher ein Blick in eine Zukunft, in eine endemi­sche Situa­ti­on, die sich dort gerade einstellt», sagte Drosten am Donners­tag­abend im ZDF-«heute journal». «Nur sind wir leider noch ein ganzes Stück davon entfernt.»

Der Übergang von einer pande­mi­schen zu einer endemi­schen Situa­ti­on bedeu­tet, dass das Virus sich zwar weiter­hin verbrei­tet, aber weniger gefähr­lich ist — vergleich­bar etwa den typischen Erkäl­tungs­vi­ren, zu denen auch andere Corona­vi­ren zählen.

Gesund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) äußer­te sich in der Nacht vorsich­tig über die Daten aus Südafri­ka: «Sehr inter­es­san­te Studie zu Omicron in SA im @TheLancet. Zeigt, dass Omicron sich zwar 4 mal so schnell wie Delta verbrei­te­te, aber deutlich weniger schwe­re Fälle verur­sach­te. Trotz­dem lassen die Daten keine klaren Schlüs­se auf ältere Ungeimpf­te zu», schrieb er auf Twitter.

Der Bonner Virolo­ge Hendrik Streeck sagte in der Sendung «RTL Direkt»: «Deutsch­land hat Glück, dass die anderen Länder uns voraus sind. Wir können sehen, was dort passiert, und uns darauf einstel­len.» Außer­dem hätte die Politik hierzu­lan­de «ziemlich starke Maßnah­men» ergrif­fen. «Das lässt hoffen, dass wir eine milde­re Welle bekom­men.» Beide Wissen­schaft­ler sitzen im neuen Exper­ten­rat der Bundes­re­gie­rung. Die meisten Exper­ten wie auch Lauter­bach rechnen damit, dass der Höhepunkt einer Omikron-Welle in Deutsch­land erst noch bevorsteht.

Noch schär­fe­re Maßnah­men hält Streeck derzeit nicht für notwen­dig: «Wir müssen erstmal abwar­ten, bis wir eine besse­re Daten­la­ge haben, um dann zu sehen, wie sich die Fallzah­len entwi­ckeln.» Mit milde­rem Wetter im Frühjahr werde die Zahl der Infek­tio­nen wieder zurück­ge­hen, deshalb werde Deutsch­land sicher «einen entspann­ten Sommer haben».

Auch die Entwick­lung in Großbri­tan­ni­en mit Blick auf Omikron sei ermuti­gend, sagte Drosten, «denn die Zahl der schwe­ren Erkran­kun­gen scheint gerin­ger zu sein». Der Virolo­ge sieht aller­dings in Deutsch­land die Politik weiter gefor­dert, «vielleicht bis Ostern». Danach könnte ein «Update» der Impfstof­fe mehr Sicher­heit auch gegen Omikron schaf­fen. Sorgen mache er sich aber um die relativ große Gruppe der Bürger, die weder geimpft noch genesen seien, sagte Drosten. «Das ist leider ein deutsches Spezialproblem.»

Etwas pessi­mis­ti­scher als Drosten und Streeck zeigt sich der Leiter des Inten­siv­re­gis­ters der Deutschen Inter­dis­zi­pli­nä­ren Verei­ni­gung für Inten­siv- und Notfall­me­di­zin (Divi), Chris­ti­an Karagi­ann­idis. Es sei möglich, dass die Omikron-Varian­te milde­re Krank­heits­ver­läu­fe verur­sa­che, sagte er der «Rheini­schen Post» (Freitag). «Die schie­re Anzahl von Neuin­fek­tio­nen, auf die wir derzeit zusteu­ern, könnte die Inten­siv­ka­pa­zi­tä­ten dennoch vor große Heraus­for­de­run­gen stellen, noch mehr aber die Hospi­ta­li­sie­rung insge­samt.» Daher sollten sich Bund und Länder schnell auf ein Warnsys­tem aus den Fakto­ren Inten­siv­bet­ten­be­le­gung, Hospi­ta­li­sie­rungs­quo­te und Inzidenz einigen.

Die meisten der in Deutsch­land angebo­te­nen Corona-Schnell­tests sind nach Einschät­zung des Paul-Ehrlich-Insti­tuts (PEI) auch zum Nachweis der neuen Omikron-Varian­te geeig­net. Davon sei «auf der Grund­la­ge der aktuel­len Daten­la­ge auszu­ge­hen», schreibt das PEI auf seiner Inter­net­sei­te. Aller­dings seien für endgül­ti­ge Aussa­gen noch weite­re Unter­su­chun­gen erforderlich.

Die US-Arznei­mit­tel­be­hör­de FDA hatte zuvor mitge­teilt, dass vorläu­fi­ge Daten einer Studie mit Lebend­vi­ren von Patien­ten darauf hindeu­te­ten, «dass Antigen­tests die Omikron-Varian­te erken­nen, aber mögli­cher­wei­se eine verrin­ger­te Sensi­ti­vi­tät aufwei­sen.» Eine verrin­ger­te Sensi­ti­vi­tät bedeu­tet, dass weniger Infek­tio­nen tatsäch­lich erkannt werden.