Können auslän­di­sche Saison­kräf­te überhaupt zur Apfel­ern­te ins Land kommen? Wie bringt man sie unter, um Infek­tio­nen zu vermei­den? Und was, wenn es doch zu Corona-Fällen auf einem Betrieb kommt? Für die Landwir­te sind vor dem Start der Ernte noch einige Fragen offen.

«Wir müssen uns vorbe­rei­ten, die Hygie­ne­vor­schrif­ten beach­ten, Desin­fek­ti­ons­mit­tel bereit­stel­len», sagt der Obstbau­er Johan­nes Michel. Zudem müsse er die Arbeits­ab­läu­fe während der Ernte anpas­sen, da er mit den Mitar­bei­tern kleine­re Gruppen als sonst bilden müsse.

Der Landwirt aus Frickin­gen am Boden­see erwar­tet in diesem Jahr 16 Saison­kräf­te unter anderem aus Polen und Rumäni­en. Aller­dings hat er Sorge, dass die Helfer auch wirklich einrei­sen können. «Die Vorschrif­ten in den einzel­nen Ländern sind unter­schied­lich. Und die Ernte­hel­fer aus Rumäni­en müssen bei der Anrei­se beispiels­wei­se mehre­re Grenzen überque­ren.» Zudem stehe die Ernte erst in ein paar Wochen an. «Was, wenn bis dahin eine zweite Welle droht?»

Um Infek­tio­nen möglichst zu verhin­dern, müssen die Bauern einiges beach­ten: Neben der Eintei­lung in kleine­re Ernte­grup­pen und der Bereit­stel­lung etwa von Desin­fek­ti­ons­mit­teln müsse beispiels­wei­se auch eine Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung vorlie­gen, die der Arbeit­ge­ber für seine Beschäf­tig­ten erstellt, sagte eine Spreche­rin des Stutt­gar­ter Wirtschafts­mi­nis­te­ri­ums. Kontrol­liert werde die Einhal­tung durch die Arbeitsschutzbehörden.

Im bayri­schen Lindau werden die Saison­kräf­te zudem nach der Einrei­se auf Covid-19 getes­tet. Das Problem sei jedoch, dass sie auch erst arbei­ten dürften, wenn das Ergeb­nis vorlie­ge, sagt Martin Nüber­lin von der Erzeu­ger­ge­mein­schaft Lindau­er Obstbau­ern. «Wir haben aber keine indus­tri­el­le Produk­ti­on — wir müssen ernten, wenn die Äpfel reif sind.» Durch das heiße Wetter sei es dieses Jahr schon früh so weit. Wenn die Testergeb­nis­se aber auf sich warten ließen, müsse man im dümms­ten Fall zuschau­en, wie die Äpfel von den Bäumen fielen.

Der Frickin­ger Landwirt Michel will seine Ernte­hel­fer ebenfalls auf das Corona-Virus testen lassen. «Damit wir zumin­dest einen gewis­sen Grad an Sicher­heit haben», sagt er. Gleich­zei­tig betont der Landwirt, dass man neben all dem Ernst der Lage auch optimis­tisch bleiben müsse. «Das Jammern bringt nicht viel. Wir haben schon viel geschafft in der Landwirt­schaft und das kriegen wir auch hin. Solan­ge wir hier eine regio­na­le Produk­ti­on umset­zen können, ist das das Beste, was wir machen können.»

Auch in Nieder­sach­sen wird die Ernte in diesem Jahr spürbar von den Auswir­kun­gen der Corona-Pande­mie geprägt sein. «Es ist eine angespann­te, ungewohn­te Situa­ti­on», sagt der Vorsit­zen­de der Fachgrup­pe Obstbau beim nieder­säch­si­schen Landvolk, Ulrich Buchter­kirch. Natür­lich gebe es die Angst vor einem Infek­ti­ons­fall und den daraus folgen­den Konse­quen­zen. Trotz Virus-Krise rechnet er aber mit einer durch­schnitt­li­chen Ernte.

Nieder­sach­sens bekann­tes­tes Obstbau­ge­biet ist das Alte Land an der Nieder­el­be. Da ein Großteil der Ernte­hel­fer aus Polen kommt, wird derzeit nicht damit gerech­net, dass sie Proble­me bei der Einrei­se haben werden. Außer­dem gebe es nach der Ernte von Erdbee­ren und Spargel auch schon Erfah­rung im Umgang mit den Einschrän­kun­gen durch das Virus, sagte Buchterkirch.

In Rumäni­en und Bulga­ri­en sind dagegen einige Regio­nen derzeit Risiko­ge­bie­te. «Die Sorge ist sehr groß», sagt der Vorsit­zen­de der Obstre­gi­on Boden­see, Thomas Heilig. Es sei noch nicht sicher, ob die Saison­kräf­te einrei­sen können. Zudem dürfen in den Unter­künf­ten nur halb so viele Ernte­hel­fer unter­ge­bracht werden wie zu anderen Zeiten. Heilig selbst setzt in diesem Jahr auf angemie­te­te Contai­ner, um weite­ren Platz für seine Mitar­bei­ter zu schaffen.

Sollte es auf einem Betrieb zu Corona-Fällen kommen, greift nach Angaben des baden-württem­ber­gi­schen Sozial­mi­nis­te­ri­ums das örtli­che Gesund­heits­amt ein. Perso­nen, die direkt Kontakt zu Verdachts­per­so­nen hatten, müssen in Quaran­tä­ne und werden gegebe­nen­falls getes­tet, wie ein Sprecher sagt. Bei größe­ren Ausbrü­chen kann auch das Landes­ge­sund­heits­amt zur Unter­stüt­zung hinzu­ge­zo­gen werden.

Nach Angaben des baden-württem­ber­gi­schen Landes­bau­ern­ver­ban­des werden zur Apfel­ern­te allein am Boden­see rund 8000 Ernte­hel­fer erwar­tet. Die Markt­ge­mein­schaft Boden­see­obst rechnet für die Region in diesem Jahr mit einer Ernte von rund 242.000 Tonnen, nach 252.000 Tonnen im Vorjahr. Für ganz Deutsch­land geht die Genos­sen­schaft von 951.000 Tonnen Ernte aus, nach 991.000 Tonnen 2019.