STUTTGART (dpa/lsw) — Angst vor Anste­ckung im Super­markt? Oder doch die Lust, mal dem Homeof­fice zu entflie­hen? Das könnten Gründe dafür sein, dass es Verbrau­cher in der Corona-Pande­mie zum Einkau­fen auf die Bauern­hö­fe zieht. Die Branche sieht noch weite­re mögli­che Erklärungen.

In den Corona-Lockdowns waren Spazier­gän­ge plötz­lich ziemlich angesagt — viel anderes gab es ja nicht zu tun. Dem Obstpa­ra­dies im südba­di­schen Staufen hat diese schnö­de Freizeit­be­schäf­ti­gung neue Kundschaft beschert. «Ganz viele Leute haben uns auf Spazier­gän­gen entdeckt», erzählt Johan­nes Geng, Inhaber des Obsthofs, der unter anderem Früch­te, Säfte und zugekauf­tes Gemüse im eigenen Hofla­den und auf Märkten verkauft. Und auch jetzt schätz­ten Kunden seinen Hof als Ausflugs­ziel vor allem im Alltag mit Kindern — nach dem Motto: «Dann waren wir zum Einkau­fen alle mal draußen, bevor wir uns wieder in die Homeof­fice-Einöde begeben.»

Geng verzeich­net eine gestie­ge­ne Nachfra­ge nach seinen Produk­ten — und ist damit nicht allein. Der Bauern­ver­band spricht von einem wahren Boom bei Hoflä­den, Märkten und Verkaufs­au­to­ma­ten. «Die Baden-Württem­ber­ger rennen unseren Landwir­ten regel­recht die Bude ein», sagt Ariane Amstutz, Spreche­rin des Landes­bau­ern­ver­bands, der Deutschen Presse-Agentur.

Der Trend habe mit der ersten Corona-Welle begon­nen — vermut­lich weil die Menschen Sorge gehabt hätten, sich in vollen Super­märk­ten mit dem Corona­vi­rus zu infizie­ren. Nicht wenige Bauern seien im Zuge der Krise neu in die Direkt­ver­mark­tung einge­stie­gen, sagt Amstutz. Auch nach mehr als einem Jahr Pande­mie halte sich die erhöh­te Nachfra­ge nach direkt verkauf­ten, regio­na­len Produkten.

Obstland­wirt Geng sagt, er führe den Zuwachs unter anderem auf ein verän­der­tes Kochver­hal­ten zurück. «Wer im Homeof­fice sitzt, der kocht auch mittags mal aufwen­di­ger.» Man merke zudem, dass der Wochen­ver­brauch an Gemüse gestie­gen sei — jetzt wo Kanti­ne, Mensa und Schules­sen in vielen Fällen wegfie­len. «Wenn eine vier‑, fünfköp­fi­ge Familie plötz­lich zuhau­se speist, das schlägt sich nieder.» An anderer Stelle verzeich­ne sein Betrieb aber Einbu­ßen, so fielen Führun­gen und andere Events weg. Dadurch stagnier­ten seit Corona die Umsät­ze eher, statt wie in den Vorjah­ren zu wachsen.

Nicht nur Hoflä­den, Märkte und Automa­ten bieten derweil die Möglich­keit, regio­nal und direkt vom Landwirt zu kaufen. Auffäl­lig sei, dass sich viele neue Gemüse-Liefer­diens­te gegrün­det hätten, sagt Andrea Gierden, die als Regio­nal­ma­na­ge­rin von der Landes­re­gie­rung beauf­tragt wurde, in der Region Freiburg Landwir­te und andere «Akteu­re der Wertschöp­fungs­ket­te» mitein­an­der zu vernet­zen. Bestehen­de Liefer­diens­te hätten zudem eine deutlich höhere Nachfra­ge erfahren.

Neben den schon genann­ten Gründen für den Direkt­ver­mark­tungs­boom glaubt sie, dass die Wertschät­zung für heimisch produ­zier­te Lebens­mit­tel gestie­gen sei. «Corona hat ja schon gezeigt wie stark abhän­gig unserer Versor­gung von globa­len Waren­strö­men ist.» Da sei es vielen bewusst gewor­den, wie wichtig es sei, dass essen­zi­el­le Produk­te wie Lebens­mit­tel tatsäch­lich vom Bauern neben­an gekauft werden könnten.

Zahlen zur Direkt­ver­mark­tung in Baden-Württem­berg gibt es derweil wenige. Das Minis­te­ri­um für Ländli­chen Raum in Stutt­gart teilt mit, im vergan­ge­nen Jahr hätten bundes­weit 7,5 Prozent mehr Haushal­te frische Lebens­mit­tel direkt ab Hof einge­kauft. Die Haushal­te hätten auch 13 Prozent mehr Geld für frische Lebens­mit­tel ausge­ge­ben als 2019. Die Direkt­ver­mark­tung habe im Frische­be­reich — mit dem Online-Handel — die größten Zuwäch­se verbucht, führe aber trotz­dem noch ein Nischendasein.

Wie viele Direkt­ver­mark­ter 2020 dazuge­kom­men sind, kann das Minis­te­ri­um nicht sagen. Die neues­ten Zahlen stammen aus dem Jahr 2016. Damals gab es im Südwes­ten den Angaben zufol­ge rund 2890 landwirt­schaft­li­che Betrie­be, die ihre Produk­te auch direkt verkauf­ten, das entsprach einem Anteil von gut sieben Prozent. «In Zeiten von Corona essen die Menschen verstärkt zu Hause und machen sich mehr Gedan­ken über die Herkunft ihrer Lebens­mit­tel», erklärt Landwirt­schafts­mi­nis­ter Peter Hauk (CDU). Er hoffe, dass diese Wertschät­zung für die Bauern auch nach der Pande­mie erhal­ten bleibe.