CANNES (dpa) — Im vergan­ge­nen Jahr konnte das weltweit wichtigs­te Festi­val wegen der Pande­mie nicht statt­fin­den. Nun treffen sich Stars und Filme­ma­cher wieder in Südfrank­reich. Wird alles wie immer?

Auf den ersten Blick scheint es ein Festi­val zu werden, wie man es aus Cannes gewohnt ist. Auf dem roten Teppich werden zahlrei­che inter­na­tio­na­le Stars wie Jodie Foster, Sean Penn, Tilda Swinton und Adam Driver erwartet.

Im Wettbe­werb konkur­rie­ren Regie-Größen wie Wes Ander­son, François Ozon, Jacques Audiard und Paul Verhoe­ven um die Preise. Trotz­dem werden es keine gewöhn­li­chen Filmfest­spie­le werden. Denn nach langem, schmerz­vol­lem Still­stand durch die Corona-Pande­mie gilt allein schon die glamou­rö­se Eröff­nung des weltweit größten Filmfes­ti­vals am Diens­tag (6.7.) als wichti­ges Signal für den Neustart der Kinobranche.

Eröff­nungs­film mit Adam Driver

Los geht es mit «Annet­te» von Leos Carax. Der franzö­si­sche Regis­seur konnte dafür Oscar-Preis­trä­ge­rin Marion Cotil­lard und Adam Driver gewin­nen, die in dem Drama ein Liebes­paar spielen. Nach diesem Auftakt werden am Pracht­bou­le­vard Croiset­te 23 weite­re Werke im Wettbe­werb ihre Premie­ren feiern, bevor die Jury unter dem US-ameri­ka­ni­schen Regis­seur Spike Lee am 17. Juli die Golde­ne Palme für den besten Film vergibt. Hinzu kommen zahlrei­che andere Beiträ­ge, die es in die offizi­el­le Auswahl geschafft haben — in diesem Jahr wurden wohl so viele Beiträ­ge einge­reicht, dass das Festi­val kurzer­hand auch noch die neue Sekti­on «Cannes Premie­re» ausrief.

Die Gäste­lis­te dürfte daher wieder ziemlich lang sein: Allein bei Wes Ander­sons Wettbe­werbs­bei­trag «The French Dispatch» spielen — unter anderem — Jungstar Timothée Chala­met («Call Me by Your Name»), Frances McDor­mand, Bill Murray, Chris­toph Waltz und Owen Wilson mit. Sean Penn schickt das Vater-Tochter-Drama «Flag Day» ins Palmen­ren­nen, für das er selbst mit seiner Tochter Dylan Penn vor der Kamera stand. Die Franzö­sin Cathe­ri­ne Corsi­ni wieder­um, eine von vier Regis­seu­rin­nen im Wettbe­werb, drehte «The Divide» mit Valeria Bruni Tedeschi, der Schwes­ter von Carla Bruni. Außer Konkur­renz stellt Tom McCar­thy den Thril­ler «Still­wa­ter» mit Matt Damon vor, und Cathe­ri­ne Deneuve ist in «Peaceful» von Emmanu­el­le Bercot zu sehen.

Es könnte sehr politisch werden

Doch auch wenn sich die Filmbran­che an der sonnen­ver­wöhn­ten Côte d’Azur tradi­tio­nell selbst feiert, so gehören auch ernste Töne zum Festi­val. In «Every­thing Went Fine» etwa widmet sich François Ozon mit Sophie Marceau dem Thema aktive Sterbe­hil­fe und Paul Verhoe­ven erzählt mit «Benedet­ta» die wahre Geschich­te einer lesbi­schen Nonne. Politisch könnte es ebenfalls werden: Der doppel­te Oscar-Gewin­ner Asghar Farha­di («Nader und Simin – Eine Trennung») drehte sein jüngs­tes Werk «A Hero» erneut im Iran, während der in seiner Heimat verur­teil­te Russe Kirill Serebren­ni­kow wahrschein­lich wieder nicht ausrei­sen und seinen Film «Petrov’s Flu» in Cannes nicht vorstel­len kann.

Beiträ­ge deutscher Filme­ma­cher sind in diesem Jahrgang nicht dabei. Trotz­dem ist das Filmland Deutsch­land sicht­bar, vor allem durch zahlrei­che Ko-Produk­tio­nen. Wes Ander­son zum Beispiel drehte «The French Dispatch» teilwei­se in Branden­burg, auch in Serebren­ni­kows Werk sowie in «Memoria» des frühe­ren Golde­nen-Palmen-Gewin­ners Apichat­pong Weera­set­ha­kul aus Thailand stecken Gelder aus Deutschland.

Spannend wird außer­dem, wie diese Filmfest­spie­le in Zeiten von Corona durch­ge­führt werden. Viele Maßnah­men — wie Masken­pflicht im Kino, Abstand­hal­ten beim Schlan­ge­ste­hen — erinnern an das Festi­val Venedig, das im vergan­ge­nen Herbst als erstes nach Beginn der Pande­mie an den Start ging. Cannes aber konnte 2020 nicht statt­fin­den und wurde in diesem Jahr vom Mai in den Juli verscho­ben. Nun muss es sich neu organisieren.

Wegen der aktuel­len Reise­re­ge­lun­gen werden außer­dem deutlich weniger inter­na­tio­na­le Gäste als sonst erwar­tet. Das könnte weniger Star-Rummel, weniger Holly­wood-Präsenz und weniger kaufkräf­ti­ge Teilneh­mer beim eigent­lich umsatz­star­ken Filmmarkt bedeu­ten. Letzt­end­lich aber geht es bei diesem Festi­val um die Beiträ­ge, die Magie der Filme — und eben auch den lang ersehn­ten Start­schuss für eine lang gebeu­tel­te Kinobranche.

Die Filme im Wettbewerb

«Annet­te» von Leos Carax (Frank­reich); Eröffnungsfilm
«A Felesé­gem Törté­ne­te (The Story of My Wife)» von Ildikó Enyedi (Ungarn)
«Benedet­ta» von Paul Verhoe­ven (Nieder­lan­de)
«Bergman Island» von Mia Hansen-Løve (Frank­reich)
«Drive My Car» von Ryusuke Hamaguchi (Japan)
«Flag Day» von Sean Penn (USA)
«Ha’be­rech (Ahed’s Knee)» von Nadav Lapid (Israel)
«Casablan­ca Beats» von Nabil Ayouch (Marok­ko)
«Hytti No 6 (Compart­ment No 6)» von Juho Kuosma­nen (Finnland)
«The Worst Person in the World» von Joachim Trier (Norwe­gen)
«The Divide» von Cathe­ri­ne Corsi­ni (Frank­reich)
«The Restless» von Joachim Lafos­se (Belgi­en)
«Paris 13th District» von Jacques Audiard (Frank­reich)
«Lingui, the Sacred Bonds» von Mahamat-Saleh Haroun (Tschad)
«Memoria» von Apichat­pong Weera­set­ha­kul (Thailand)
«Nitram» von Justin Kurzel (Austra­lia)
«France» von Bruno Dumont (Frank­eich)
«Petrov’s Flu» von Kirill Serebren­ni­kow (Russland)
«Red Rocket» von Sean Baker (USA)
«The French Dispatch» von Wes Ander­son (USA)
«Titane» von Julia Ducour­n­au (Frank­reich)
«Tre Piani (Three Floors)» von Nanni Moret­ti (Itali­en)
«Every­thing Went Fine» von François Ozon (Frank­reich)
«A Hero» von Asghar Farha­di (Iran)

Von Aliki Nassou­fis, dpa