NEW YORK/WASHINGTON (dpa) — Viele Ameri­ka­ner sehen Trump als Schul­di­gen hinter der Erstür­mung des Kapitols — doch recht­lich bedroh­lich wird für den Ex-Präsi­den­ten zunächst eine ganz andere Sache. Die wichtigs­ten Fragen und Antworten.

Es ist ein histo­ri­scher Vorgang mit immenser politi­scher Spreng­kraft. Zum ersten Mal überhaupt klagt eine Staats­an­walt­schaft einen Ex-Präsi­den­ten der Verei­nig­ten Staaten an. Dieser Ex-Präsi­dent ist der Republi­ka­ner und aktuel­le Präsi­dent­schafts­be­wer­ber Donald Trump.

Die Ankla­ge aus New York gegen ihn sticht auch in anderer Weise heraus: Sie steht im Zusam­men­hang mit delika­ten Vorwür­fen gegen den 76-Jähri­gen. Es geht um Schwei­ge­geld­zah­lun­gen an die Porno­dar­stel­le­rin Stormy Daniels.

Wer ist die Frau und was hat sie mit Trump zu tun?

Die Vorwür­fe beglei­ten Trump schon lange. Daniels, die mit bürger­li­chem Namen Stepha­nie Clifford heißt, hatte 2006 nach eigener Aussa­ge Sex mit Trump, was er bestrei­tet. Nach Angaben der heute 44-Jähri­gen lernten sich beide im Sommer 2006 bei einem Golftur­nier-Wochen­en­de am Lake Tahoe kennen und schlie­fen dort mitein­an­der — nur wenige Monate, nachdem Trumps Ehefrau Melania den gemein­sa­men Sohn Barron auf die Welt gebracht hatte. Daniels sagt, die beiden hätten auch danach über Monate Kontakt gehabt. Trump weist all das als «falsche und erpres­se­ri­sche Anschul­di­gun­gen» zurück.

Worum geht es bei der Ankla­ge genau?

Details sind noch nicht bekannt, aber die Ankla­ge von Manhat­tans höchs­tem Staats­an­walt Alvin Bragg dreht sich wohl um Schwei­ge­geld­zah­lun­gen an Daniels und womög­lich auch an das Model Karen McDou­gal in Höhe von 130.000 und 150.000 Dollar. Dieses Geld hatte Trumps Anwalt Micha­el Cohen kurz vor der US-Präsi­den­ten­wahl 2016 überwie­sen und dann von der Trump Organiza­ti­on zurück­er­stat­tet bekom­men. Trump ging damals aus der Wahl als Sieger hervor und zog ins Weiße Haus ein. Die New Yorker Staats­an­walt­schaft beschul­dig­te Cohen 2018, die Zahlun­gen seien unzuläs­si­ge Wahlkampf­spen­den gewesen, weil sie dafür gedacht waren, vor der Wahl Schaden von Trump abzuwen­den. Cohen bekann­te sich damals schul­dig und musste in Haft.

Nun geht es wahrschein­lich um die Frage, ob auch Trump gegen Geset­ze zur Wahlkampf­fi­nan­zie­rung versto­ßen hat. Als Präsi­dent hatte er noch Immuni­tät genos­sen. Cohen sagte, er habe auf Anwei­sung seines damali­gen Klien­ten gehan­delt. Trump hat die Zahlun­gen an Cohen öffent­lich einge­räumt und argumen­tiert, die falschen Anschul­di­gun­gen hätten damit gestoppt werden sollen. Im Fall einer Verur­tei­lung speku­lie­ren US-Beobach­ter, dass Trump eine Haftstra­fe von bis zu vier Jahren drohen könnte — wobei völlig unklar ist, ob eine Verur­tei­lung in diesem Fall am Ende zu einer Haftstra­fe führen würde.

Was passiert jetzt?

Nachdem das Geschwo­re­nen­gre­mi­um der Grand Jury zu dem Schluss gekom­men ist, dass es ausrei­chen­de Hinwei­se für eine Straf­tat gibt, sollte der Manhat­ta­ner Staats­an­walt die Ankla­ge nun offizi­ell erheben — damit wird US-Medien zufol­ge kommen­de Woche gerech­net. Dann wird auch die Öffent­lich­keit offizi­ell Details der recht­li­chen Vorwür­fe erfah­ren. Dafür müsste Trump nach New York reisen, würde kurzzei­tig in Gewahr­sam genom­men, damit Finger­ab­drü­cke und Polizei­fo­tos von ihm gemacht werden können. Oft werden Angeklag­ten dann auch Handschel­len angelegt — ob dies im Falle Trumps passiert, ist unklar. Es gilt als sicher, dass Trump nach diesem Proze­de­re wieder nach Hause kann.

Danach scheint ein Prozess wahrschein­lich. Sofern sich Trump «nicht schul­dig» beken­nen sollte — was als sicher gilt — müsste ein Richter als nächs­tes ein Datum für einen Prozess­be­ginn festle­gen. Vorher gibt es Anhörun­gen, in der Trumps Vertei­di­ger versu­chen könnten, eine Verzö­ge­rung zu errei­chen oder den Prozess zum Platzen zu bringen.

Ist eine Verur­tei­lung wahrscheinlich?

Das ist schwer vorher­zu­sa­gen. Es wäre zu erwar­ten, dass Staats­an­walt Bragg in dem aufse­hen­er­re­gen­den und beispiel­lo­sen Fall nur Ankla­ge erhebt, wenn er von den Erfolgs­chan­cen seiner Ankla­ge überzeugt ist. Trotz­dem birgt das Vorge­hen Risiken: Kronzeu­ge Cohen wurde selbst wegen Lügen vor dem US-Kongress verur­teilt und könnte von Trumps Vertei­di­gern als rachsüch­tig darge­stellt werden. Zudem gilt der Nachweis von Finanz­be­trug und korrup­tem Verhal­ten als sehr schwierig.

Welche Rolle spielt Micha­el Cohen?

An der Glaub­wür­dig­keit Cohens dürfte der Fall maßgeb­lich hängen, weil er das direk­te Binde­glied zwischen Trump und den Zahlun­gen ist. Mehr als ein Jahrzehnt lang arbei­te­te Cohen für Trump und war eine zentra­le Figur in mehre­ren Affären um den Republi­ka­ner. Er wurde oft als Trumps «Ausput­zer» beschrie­ben — bis es zum Bruch zwischen beiden kam. Vor Gericht und dem Kongress erhob Cohen schwe­re Vorwür­fe gegen Trump. Der Staats­an­walt­schaft könnte ein Glaub­wür­dig­keits­pro­blem des Schlüs­sel­zeu­gen zum Verhäng­nis werden: Cohen ist selbst verur­teil­ter Straf­tä­ter, unter anderem wegen einer Falsch­aus­sa­ge vor dem Kongress.

Dürfte Trump im Fall einer Verur­tei­lung für die Wahl 2024 antreten?

Trump hatte vorab schon klar gemacht, dass er nicht vorhat, im Fall einer Ankla­ge seine Präsi­dent­schafts­be­wer­bung zurück­zu­zie­hen. Bis zu einer poten­zi­el­len Verur­tei­lung könnten viele Monate oder im Extrem­fall Jahre verge­hen. Und selbst ein Schuld­spruch hielte Trump rein recht­lich nicht davon ab, für die Wahl 2024 anzutre­ten. Es gab in der US-Geschich­te sogar schon einen Präsi­dent­schafts­kan­di­da­ten, der nicht nur angeklagt, sondern auch verur­teilt wurde, aus dem Gefäng­nis heraus die Wahl bestritt: Eugene Debs 1920.

Bei Trump stellt sich eher die politi­sche Frage, ob die republi­ka­ni­sche Basis und Partei bereit sind, sich hinter einem Kandi­da­ten zu versam­meln, der im Zusam­men­hang mit dubio­sen Schwei­ge­geld­zah­lun­gen an einen Porno­star angeklagt ist. Vorerst scharen sich Unter­stüt­zer und selbst partei­in­ter­ne Konkur­ren­ten um ihn — und werten die Ankla­ge als politi­schen Angriff von links. Hartge­sot­te­ne Anhän­ger dürften sich in ihrem Eifer sogar noch bestärkt fühlen. Schon in der Vergan­gen­heit zeigte Trump, dass selbst schwe­re Vorwür­fe und Fehltrit­te nicht zum Ende seiner politi­schen Karrie­re führen und er diese sogar für sich ausnut­zen kann. Und recht­lich bergen andere Vorwür­fe mehr Gefahr.

Welche anderen recht­li­chen Proble­me hat Trump noch?

Gegen den Republi­ka­ner laufen noch mehre­re andere Ermitt­lun­gen. Zwei stechen heraus: Das US-Justiz­mi­nis­te­ri­um hat einen Sonder­er­mitt­ler einge­setzt, um Trumps Umgang mit gehei­men Regie­rungs­un­ter­la­gen zu unter­su­chen. Trump bewahr­te nach seinem Auszug aus dem Weißen Haus im großen Stil Regie­rungs­do­ku­men­te in seinem priva­ten Anwesen Mar-a-Lago in Flori­da auf, darun­ter etliche Dokumen­te mit höchs­ter Geheim­hal­tungs­stu­fe. Trump könnte sich damit straf­bar gemacht haben. Manche Rechts­exper­ten meinen, mit einer etwaigen Ankla­ge dazu könnte sich Trump womög­lich für das Präsi­den­ten­amt disqualifizieren.

Der Sonder­er­mitt­ler forscht auch nach, welche Rolle Trump bei den Bemühun­gen spiel­te, den Ausgang der Präsi­den­ten­wahl 2020 zu beein­flus­sen — und bei der Attacke seiner Anhän­ger auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021. Auch hier sehen manche Juris­ten Risiken für Trump mit Blick auf seine Wieder­wahl-Ambitio­nen: Es sind laut Verfas­sung nämlich all jene von öffent­li­chen Ämtern ausge­schlos­sen, die sich an einem Aufstand gegen die Regie­rung betei­ligt haben.

Von Benno Schwing­ham­mer und Chris­tia­ne Jacke, dpa