YORKSHIRE/BIELEFELD (dpa) — Dieses Problem haben Mathe­ma­ti­ker gelöst: Wie kann man eine unend­li­che Fläche lücken­los kacheln, ohne dass sich ein Grund­sche­ma regel­mä­ßig wieder­holt? Die Antwort hat 13 Ecken und ein paar Kanten.

Wer beim Fliesen­le­gen keine Lust auf regel­mä­ßig wieder­keh­ren­de Muster hat, verdankt einem Team aus profes­sio­nel­len und Hobby-Mathe­ma­ti­kern seit kurzem eine neue Option.

Die Männer aus Großbri­tan­ni­en, Kanada und den USA haben eine Kachel­form gefun­den, mit der man eine unend­li­che Fläche lücken­los ausle­gen könnte, ohne dass sich ein Grund­sche­ma dabei regel­mä­ßig wieder­ho­len würde. Aperi­odi­sche Pflas­te­rung nennen das Fachleu­te. Die Kachel hat 13 Ecken und erinnert mit etwas Fanta­sie an einen Hut.

Die Suche nach einer solchen Form beruht auf einer rein mathe­ma­ti­schen Frage­stel­lung, einem Rätsel — wenn man so will. Wirkli­che Relevanz für die Praxis hat sie nicht. «Aperi­odi­sche Pflas­te­run­gen sind anwen­dungs­arm», drückt es Mathe­ma­ti­ker Dirk Frett­löh aus, der sich an der Univer­si­tät Biele­feld mit dem Thema befasst.

Familie aperi­odi­scher Kachel-Muster

Zurück geht das Ganze auf Roger Penro­se und Robert Ammann, die vor rund 50 Jahren eine Familie aperi­odi­scher Kachel-Muster vorstell­ten — darun­ter die «Penro­se-Parket­tie­rung». Dabei waren aller­dings jeweils verschie­de­ne Kachel­for­men kombi­niert, beispiels­wei­se zwei Rauten mit unter­schied­li­chen Innen­win­keln. Es stand die Frage im Raum, ob so eine Parket­tie­rung auch mit nur einer einzi­gen Kachel­form möglich ist. Eine solche wird als «Einstein» («aperi­odic monoti­le») bezeichnet.

Alle bishe­ri­gen Lösun­gen seien nicht ganz befrie­di­gend gewesen, erklär­te Frett­löh. Mal sei es in den dreidi­men­sio­na­len Raum gegan­gen, mal hätten sich Kacheln an einigen Stellen überlappt, mal habe es künst­lich wirken­de zusätz­li­che Einschrän­kun­gen oder Regeln gegeben.

In der Fachwelt unumstrit­ten ist aller­dings auch die «Hut»-Kachel von David Smith, Joseph Samuel Myers, Craig S. Kaplan und Chaim Goodman-Strauss nicht. Denn mit ihr kann man eine Fläche nur dann lücken­los aperi­odisch parket­tie­ren, wenn man sie an mehre­ren Stellen spiegelt. Zwar bezeich­nen die Wissen­schaft­ler ihre Entde­ckung als «Einstein». Kriti­ker aber monie­ren, dass die Kacheln nicht nur durch Drehun­gen der Ausgangs­form eine Fläche lücken­los abdecken.

Frett­löh sieht vor allem kritisch, dass immer eine der beiden Varian­ten — Origi­nal­form oder Spiege­lung — in der Überzahl sein müsse. Daher ließen sich alle damit parket­tier­ten Flächen in zwei Gruppen unter­schei­den: die eine mit mehr ursprüng­li­chen Kacheln, die andere mit mehr gespie­gel­ten. Bei einer perfek­ten Lösung gebe es da keinen Unter­schied, dann seien alle denkba­ren Fälle homogen.

«Man muss schon genau hinschauen»

Zudem hätten Smith und Co. zu ihrer Lösung keinen wirklich tiefen oder inter­es­san­ten mathe­ma­ti­schen Beweis gelie­fert, führte Frett­löh weiter aus. «Da kann auch ein Laie ohne mathe­ma­ti­sche Kennt­nis­se mit viel Knobeln drauf kommen.» Die wahre Kunst seiner Diszi­plin komme so nicht zur Geltung, sagte der Mathe­ma­ti­ker. Dennoch gesteht er den Forschern zu: «Im Moment ist es das beste Beispiel, das wir haben.»

Parado­xer­wei­se fällt die Unregel­mä­ßig­keit beim Betrach­ten gar nicht unbedingt auf. «Man muss schon genau hinschau­en, um den Zufall zu sehen», sagte Tim Rohe, Profes­sor für Wahrneh­mungs­psy­cho­lo­gie an der Uni Erlan­gen-Nürnberg. Dass die Form der Kachel in den Darstel­lun­gen dauernd im Grunde diesel­be sei, begüns­tigt seinen Angaben zufol­ge, dass man den Eindruck hat, dass alles sehr regel­mä­ßig aussehe.

Das liege daran, dass das mensch­li­che Gehirn immer versu­che, Struk­tu­ren zu erken­nen — auch da, wo gar keine sind. Als Beispie­le nannte Rohe, dass man manch­mal meint, in Wolken Tiere oder in Brotschei­ben Gesich­ter zu erken­nen. «Das Gehirn funktio­niert nicht wie eine Kamera», erklär­te er. Es empfan­ge mehr oder weniger «verrausch­te Signa­le» und versu­che, daraus ein Modell zu machen.

Das Wahrneh­mungs­sys­tem entwick­le sich nach der Geburt, so dass das Erken­nen von Mustern erst erwor­ben werde. Beispiels­wei­se gebe es in der Umwelt mehr senkrech­te und waage­rech­te Linien — weshalb Menschen diese in der Regel auch besser erfas­sen könnten als schräge.