LOS ANGELES (dpa) — Wenn in der Nacht zum Montag der Kickoff zum 56. Super Bowl erfolgt, dürften auch in Deutsch­land wieder über zwei Millio­nen Zuschau­er vor dem Fernse­her sitzen. Ameri­can Football wird immer beliebter.

Als Kind hatte Jakob Johnson ein echtes Problem.

«Ich kann mich an eine Zeit erinnern, in der über Ameri­can Football nichts in Deutsch­land auftauch­te. Wenn man Sebas­ti­an Vollmer nimmt, der eine der erfolg­reichs­ten Football-Karrie­ren überhaupt hatte und vielleicht mal zum Super Bowl in den deutschen Medien war», sagte der Stutt­gar­ter NFL-Profi der New England Patriots.

Würde Johnson in der Nacht zu Montag den 56. Super Bowl zwischen den heimi­schen Los Angeles Rams und den Cincin­na­ti Bengals nicht vor Ort verfol­gen, könnte er sich in der Heimat den Sender sogar aussu­chen. Das Spekta­kel läuft in Deutsch­land bei ProSie­ben, «ran.de» sowie DAZN.

Schon in diesem Jahr gibt es in Deutsch­land offizi­el­le NFL-Spiele. «Wir freuen uns sehr, München und Frank­furt in der NFL-Familie willkom­men zu heißen und sind glück­lich, unsere Fans in Deutsch­land für ihre Leiden­schaft zu beloh­nen, indem wir ihnen das Spekta­kel eines regulä­ren NFL-Saison­spiels bieten», sagte NFL Commis­sio­ner Roger Goodell Mittwoch.

«Ameri­can Football kein Nischenprodukt»

Football wird in Deutsch­land immer belieb­ter. Zweifels­oh­ne ist der Sport noch nicht massen­kom­pa­ti­bel, aber zumin­dest unter jungen Leuten gibt es einen kleinen Hype. «Die NFL hat jetzt verstan­den, wie viel Begeis­te­rung für Football in Deutsch­land da ist und belohnt das und gibt dem Sport die Möglich­keit weiter zu wachsen», sagte Johnson der Deutschen Presse-Agentur.

Den Football-Aufstieg beleg­te auch jüngst eine Befra­gung der AGF Video­for­schung, dem Zusam­men­schluss der deutschen TV- und Strea­ming­an­bie­ter, in deren Auftrag auch die Quoten ermit­telt werden. Demnach kamen 33,8 Prozent der 14 bis 49-Jähri­gen mindes­tens einmal im Fernse­hen mit Football in Kontakt. Einen höheren Wert — Mehrfach­nen­nun­gen waren möglich — weist nur der Fußball mit 84,8 Prozent auf.

«Diese Studie bestä­tigt unsere Überzeu­gung, dass Ameri­can Football kein Nischen­pro­dukt, sondern in der Mitte der sport­be­geis­ter­ten Gesell­schaft angekom­men ist», sagte Zeljko Karaji­ca. Er ist Geschäfts­füh­rer der im vergan­ge­nen Jahr gestar­te­ten European League of Football (ELF) und will mit dem Projekt an der wachsen­den Popula­ri­tät verdie­nen. In der neuen, im Juli starten­den Saison wird die Liga bereits von acht auf zwölf Teams wachsen. Das Finale der Vorsai­son zwischen Frank­furt und Hamburg hatte auf Pro Sieben MAXX immer­hin einen Markt­an­teil von 3,6 Prozent erreicht.

Den Super Bowl, der in der Regel von Mitter­nacht bis in die frühen Morgen­stun­den deutscher Zeit läuft, schal­ten immer mehr Menschen ein. 2,11 Millio­nen waren es 2021 bei ProSie­ben, ein neuer Höchst­wert. Vor zwanzig Jahren waren es gerade einmal 0,48 Millio­nen bei Sat.1. «Der Hype wird bestän­dig größer. Davon bin ich zutiefst überzeugt», sagte Patrick Esume. Der Ex-Profi ist nicht nur als TV-Gesicht bekannt, sondern auch Haupt­in­itia­tor der ELF. Auch Johnson ist seit kurzem finan­zi­ell betei­ligt als Inves­tor in Stuttgart.

ELF und GFL agieren auf demsel­ben Markt

Von dem Projekt ist in Deutsch­land nicht jeder begeis­tert, allen voran die 1979 gegrün­de­te German Football League. Beide Ligen agieren auf demsel­ben Markt, das führt natur­ge­mäß zu Reibung. Die GFL, so der Vorwurf, habe durch die ELF Spieler, Trainer und Teams verlo­ren. «Auf dem Niveau, auf dem wir uns aktuell bewegen, kann das mit zwei Ligen paral­lel auf Dauer nicht gut gehen», sagte GFL-Vorstand Axel Streich. Während es bei der ELF darum geht, eine NFL-Kopie samt Showpro­gramm in Europa zu etablie­ren, liegt der Fokus der GFL auf der deutschen Meisterschaft.

Die Fans dürfte der Zwist wenig scheren. Zumal der Blick immer noch in Richtung Ameri­ka geht, wenn das Thema Football ist. Da sind einem Super­stars wie Tom Brady, Aaron Rodgers oder Patrick Mahomes im Zweifel näher als Madre London. Der Running­back der Cologne Centu­ri­ons wurde in der abgelau­fe­nen Saison zum wertvolls­ten Spieler gewählt. Er dürfte wirklich nur den Football-Nerds hierzu­lan­de ein Begriff sein.

Von Tom Bachmann, dpa