BERLIN (dpa) — 80. Jahres­tag der Wannsee­kon­fe­renz: Israel und Deutsch­land wollen bei den UN eine Resolu­ti­on gegen Holocaust-Leugnung einbrin­gen. Baerbock räumt Mitschuld des Auswär­ti­gen Amts am Leiden der Juden ein.

Zum 80. Jahres­tag der sogenann­ten Wannsee­kon­fe­renz haben Deutsch­land und Israel die Leugnung und Trivia­li­sie­rung des Holocausts angeprangert.

In einem Gastbei­trag für den «Tages­spie­gel» und die israe­li­sche Tages­zei­tung «Maariv» monier­ten die deutsche Botschaf­te­rin in Israel, Susan­ne Wasum-Rainer, und der israe­li­sche Botschaf­ter in Deutsch­land, Jeremy Issachar­off, dass die Fakten der Shoah noch immer abgestrit­ten würden und deren histo­ri­scher Ausnah­me­cha­rak­ter relati­viert werde. Derweil räumte Außen­mi­nis­te­rin Annale­na Baerbock (Grüne) eine Mitschuld des Auswär­ti­gen Amts am Leiden der Juden ein.

In dem Gastbei­trag schrei­ben die beiden Botschaf­ter weiter, die Leugnung und Trivia­li­sie­rung des Mensch­heits­ver­bre­chens sei dabei nicht nur unter politi­schen Radika­len verbrei­tet, sondern ein gesell­schaft­li­ches und inter­na­tio­na­les Phäno­men. Aus diesem Grund wollten Israel und Deutsch­land heute bei den Verein­ten Natio­nen gemein­sam eine Resolu­ti­on ansto­ßen. Die politisch Verant­wort­li­chen weltweit seien zur Unter­stüt­zung aufge­ru­fen. «Diese Resolu­ti­on soll ein Zeichen der Hoffnung und der Inspi­ra­ti­on für alle Staaten und Gesell­schaf­ten sein, die für Vielfalt und Toleranz einste­hen, nach Versöh­nung streben und verste­hen, dass die Erinne­rung an den Holocaust unabding­bar dafür ist, dass sich derar­ti­ge Verbre­chen nicht wiederholen.»

Hinter­grund zur Wanseekonferenz

Bei der sogenann­ten Wannsee­kon­fe­renz hatten am 20. Januar 1942 hohe NS-Funktio­nä­re über die syste­ma­ti­sche Ermor­dung von bis zu elf Millio­nen Juden Europas beraten. Ziel der Bespre­chung in einer Villa am Berli­ner Wannsee war es, die Umset­zung des Völker­mords zu beschleu­ni­gen. Sie gilt als eines der Schlüs­sel­da­ten des Holocaust.

In dem Gastbei­trag der beiden Botschaf­ter heißt es weiter, die Leugnung histo­ri­scher Fakten des Holocausts sei nicht nur ein Angriff auf die Opfer der Vernich­tung und ihre Nachkom­men, auf Jüdin­nen und Juden in aller Welt und den Staat Israel. Es sei auch ein Angriff «auf die Grund­be­din­gung fried­li­cher Gesell­schaf­ten und fried­li­chen Zusam­men­le­bens weltweit». Die Botschaf­ter machten auch Vorschlä­ge für Maßnah­men zur Bekämp­fung der Holocaust-Leugnung. Dazu gehören eine einheit­li­che Defini­ti­on von Antise­mi­tis­mus, Inves­ti­tio­nen in Bildung und Aufklä­rung sowie Maßnah­men, um die Infra­ge­stel­lung und Relati­vie­rung des Holocausts in den sozia­len Medien zu verhindern.

Verant­wor­tung und Antisemitismus

Außen­mi­nis­te­rin Baerbock bekann­te sich zur Mitver­ant­wor­tung des Auswär­ti­gen Amts am Mord an den Juden durch die Nazis. «Wir werden nie verges­sen, was Deutsch­land ihnen angetan hat», sagte sie laut einer Mittei­lung des Auswär­ti­gen Amts. «An ihrem Leid tragen auch Beamtin­nen und Beamte des Auswär­ti­gen Amts Schuld, die sich in den Dienst von Verbre­chen und Völker­mord des Nazi-Regimes gestellt haben.» Sie seien damit zu willfäh­ri­gen Helfe­rin­nen und Helfern des Unrechts gewor­den. «Dieses Kapitel der Geschich­te muss uns ein Ansporn sein: Nie wieder darf so etwas geschehen.»

Baerbock sagte weiter, wer im Staats­dienst Verant­wor­tung trage, müsse zualler­erst dem Recht und der Mensch­lich­keit verpflich­tet sein, nicht der Macht. Die kriti­sche Ausein­an­der­set­zung mit der Rolle des Auswär­ti­gen Amtes während des Natio­nal­so­zia­lis­mus sei deshalb fester Bestand­teil der Ausbil­dung im Auswär­ti­gen Amt. Alle Mitar­bei­te­rin­nen und Mitar­bei­ter in der Ausbil­dung würden noch stärker dafür sensi­bi­li­siert, Antise­mi­tis­mus zu erken­nen und aktiv zu werden, wenn sie ihm begeg­ne­ten. «Am Inter­na­tio­na­len Holocaust-Gedenk­tag des 27. Januars werden fortan alle Mitar­bei­ten­den weltweit daran erinnert.»

Derweil forder­te der Antise­mi­tis­mus­be­auf­trag­te der Bundes­re­gie­rung, Felix Klein, Pflicht­be­su­che für angehen­de Lehrer und Lehre­rin­nen im Haus der Wannsee­kon­fe­renz oder KZ-Gedenk­stät­ten. «Ich setze mich daher dafür ein, dass die Ausein­an­der­set­zung mit der Shoah und mit Antise­mi­tis­mus bundes­weit ein verpflich­ten­der Bestand­teil des Lehramts­stu­di­ums wird», sagte er den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe (Donners­tag).

Pflicht­be­su­che von allen angehen­den Lehrern in Gedenk­stät­ten wie der Wannsee­kon­fe­renz wären ein wichti­ger Beitrag gegen den wieder­erstar­ken­den Antise­mi­tis­mus. «Mir fehlt das Verständ­nis dafür, dass es in Deutsch­land nach wie vor möglich ist, ein Lehramts­stu­di­um ohne jeden Berüh­rungs­punkt mit der Shoah abschlie­ßen zu können», sagte Klein. Schüler könnten die heuti­ge Gesell­schaft nur verste­hen, wenn ihnen die deutsche Geschich­te bewusst sei.