PALM BEACH/WASHINGTON (dpa) — Vermut­lich hatte der Ex-Präsi­dent sich eine andere Ausgangs­la­ge für sein Comeback gewünscht: Nach den Kongress­wah­len steht seine Macht bei den Republi­ka­nern in Frage. Trotz­dem geht Trump in die Offensive.

Donald Trump wirkt für seine Verhält­nis­se reich­lich gebremst bei der nach seinem Ermes­sen vielleicht größten Ankün­di­gung aller Zeiten. Der Ex-US-Präsi­dent wirft zwar wie üblich mit Super­la­ti­ven um sich an diesem Abend («Ich werde kämpfen, wie noch niemand je gekämpft hat»), aber er tut dies ruhiger, langsa­mer, weniger energisch als sonst bei Wahlkampfauftritten.

«Wir halten es heute ganz elegant», sagt der 76-Jähri­ge, bevor er der Welt ohne das übliche Crescen­do, ohne Tusch oder Trommel­wir­bel seine «große Mittei­lung» macht: «Um Ameri­ka wieder groß und glorreich zu machen, gebe ich heute Abend meine Kandi­da­tur für das Amt des Präsi­den­ten der Verei­nig­ten Staaten bekannt.»

Auftritt vor Gold und Glitzer

Der Republi­ka­ner hat sein priva­tes Anwesen Mar-a-Lago in Flori­da für den großen Auftritt ausge­wählt. Jenen Ort, den FBI-Ermitt­ler vor gut drei Monaten durch­such­ten, weil Trump dort lange nach seinem Abschied aus dem Weißen Haus gehei­me Regie­rungs­do­ku­men­te aufbe­wahr­te. Und er hat jenen Tag gewählt, an dem US-Präsi­dent Joe Biden auf der anderen Seite der Welt beim G20-Gipfel in Indone­si­en auf der Weltbüh­ne steht.

Trumps Bühne ist in einem Raum, der nicht mit Gold und Glitzer geizt. Üppige Kronleuch­ter hängen von der Decke, golde­ne Stühle mit gelade­nen Gästen füllen den Saal, auf der Bühne ist eine ganze Batte­rie von US-Flaggen aufge­reiht, links und rechts daneben hängen Banner mit Trumps altem und neuem Wahlkampf­mot­to: «Make Ameri­ca Great Again», kurz MAGA (auf Deutsch: Macht Ameri­ka wieder großartig).

Der Republi­ka­ner nutzte den Slogan schon 2016 bei seinem ersten Präsi­dent­schafts­wahl­kampf. Damals gefiel er sich in der Rolle des politi­schen Under­dogs, des Außen­sei­ters, der das Estab­lish­ment aufmischt. Mit dieser Erzäh­lung versucht er es nun wieder: «Das Washing­to­ner Estab­lish­ment will uns zum Schwei­gen bringen, aber das werde ich nicht zulas­sen», ruft Trump in den Saal. «Ich bin eure Stimme.» Er werde Korrup­ti­on aufde­cken, den «Sumpf austrock­nen», den «tiefen Staat» demon­tie­ren, das Land aus den Klauen «radika­ler Linker» befrei­en und die USA vor Biden und dem Unter­gang bewahren.

Staats­mann statt Stänkerei

Es sind alte Klassi­ker Trumps, doch er trägt sie weniger aggres­siv vor als üblich. An diesem Abend spart er sich Beschimp­fun­gen und geschmack­lo­se Witze, versucht sich etwas mehr als Staats­mann denn als Enter­tai­ner, und vor allem lässt er ein Thema fast komplett aus, mit dem er in den vergan­ge­nen zwei Jahren so gut wie jeden Auftritt bestritt: die Mär von der «gestoh­le­nen Wahl» 2020, von massi­vem Wahlbe­trug, der ihn um einen Sieg gegen Biden gebracht habe.

Die US-Kongress­wah­len vor einer Woche haben gezeigt, dass viele Ameri­ka­ner Trumps Behaup­tun­gen und Hetze über die Wahl nicht mehr hören wollen. Zahlrei­che extre­me Kandi­da­ten, die er stütz­te und die seine Wahlleug­nung teilten, fielen durch. Und die Republi­ka­ner fuhren ein hochgra­dig enttäu­schen­des Ergeb­nis ein. Viele Partei­kol­le­gen machen Trump offen für das Debakel verant­wort­lich — ihn und seine düste­ren, nicht enden wollen­den Klagen über angeb­li­chen Betrug.

Trump verspricht nun, in seiner neuen Kampa­gne werde es um Visio­nen, «große Ideen» und «kühne Träume» gehen. «Denn es reicht nicht aus, sich nur zu beschwe­ren», sagt Trump, der die vergan­ge­nen zwei Jahre kaum anderes tat. «Wir wollen keine Nörgler sein.»

Viele Republi­ka­ner fordern nach der Schlap­pe bei den Kongress­wah­len mehr positi­ve Botschaf­ten, etwas mehr Vernunft, etwas weniger Skanda­le. Und einige verlan­gen: weniger Trump. Das Wahlde­ba­kel hat seine Führungs­rol­le in der Partei ins Wanken gebracht.

Druck auf Trump wächst

Die Zahl der Republi­ka­ner, die öffent­lich dazu aufru­fen, Trump hinter sich zu lassen, wächst jeden Tag — inzwi­schen sind zuneh­mend promi­nen­te dabei. Selbst Trumps frühe­rer Vize, Mike Pence, der seinem Chef einst treu ergeben war, sagte gerade erst in einem Inter­view, er glaube, dass es in der Zukunft besse­re Alter­na­ti­ven gebe als Trump. Pence macht inzwi­schen keinen Hehl mehr daraus, dass er selbst über eine Präsi­dent­schafts­be­wer­bung für 2024 gegen Trump nachdenkt.

Vor ein paar Monaten war noch völlig unklar, ob sich überhaupt jemand gegen Trump ins Rennen wagen würde. Nun ist eine ganze Reihe von Gegen­kan­di­da­ten vorstell­bar. Gefähr­lich werden könnte Trump vor allem einer: Flori­das Gouver­neur Ron DeSan­tis, der neue starke Mann in der Republi­ka­ni­schen Partei. Nachdem der 44-Jähri­ge bei den Zwischen­wah­len mit einem starken Ergeb­nis als Gouver­neur wieder­ge­wählt wurde, drängen ihn Dutzen­de Partei­kol­le­gen öffent­lich, 2024 anzutre­ten. Erklärt hat sich DeSan­tis noch nicht.

Republi­ka­ner, die öffent­lich Trumps Präsi­dent­schafts­be­wer­bung unter­stüt­zen, sind dagegen rarer und kommen eher vom rechten Rand der Partei. Und selbst Trumps Tochter Ivanka — in der Amtszeit ihres Vaters noch «First Daugh­ter» und Präsi­den­ten-Berate­rin — will beim zweiten Anlauf von Trump nicht dabei sein, wie sie kurz nach dessen Auftritt erklärt. Im Saal in Mar-a-Lago fehlt sie.

An der Basis hat Trump immer noch eine beacht­li­che Zahl frene­ti­scher Anhän­ger. Aber ob das reicht? Denn um am Ende der offizi­el­le Kandi­dat seiner Partei zu werden, muss sich Trump in partei­in­ter­nen Vorwah­len durch­set­zen — gegen mutmaß­lich einige Konkurrenz.

Juris­ti­sches Ungemach könnte Ansporn sein

Trump ist außer­dem in diver­se recht­li­che Ausein­an­der­set­zun­gen verstrickt — wegen der Mitnah­me gehei­mer Regie­rungs­do­ku­men­te, der Kapitol-Attacke, dubio­ser Geschäfts­prak­ti­ken, wegen seiner Versu­che, den Ausgang der Wahl 2020 nachträg­lich zu kippen. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Drohen­des juris­ti­sches Ungemach könnte in seine Entschei­dung mit reinge­spielt haben, eine dritte Präsi­dent­schafts­kam­pa­gne zu starten — in der Hoffnung, dass ihn das vor einer Straf­ver­fol­gung schüt­zen oder ihm neue Argumen­te an die Hand geben könnte, um jedes Vorge­hen gegen ihn als politisch motiviert anzupran­gern. Wirklich geschützt wäre er erst bei einem erneu­ten Einzug ins Weiße Haus. Ob ihm das gelingt, ist offen.

In den USA kann jemand zwei Amtszei­ten lang Präsi­dent sein, egal ob diese aufein­an­der folgen oder nicht. Es gab in der US-Geschich­te bislang aller­dings nur einen Präsi­den­ten, der nach Unter­bre­chung ein zweites Mal zurück ins Weiße Haus gewählt wurde: Grover Cleve­land — im 19. Jahrhundert.

Trump hat sich bislang mit anderem einen Eintrag in Geschichts­bü­chern gesichert: als erster US-Präsi­dent, gegen den während seiner Amtszeit gleich zwei Amtsent­he­bungs­ver­fah­ren im Kongress einge­lei­tet wurden. Und eben als Präsi­dent, der sich weiger­te, seine Wahlnie­der­la­ge einzu­ge­ste­hen, der seine Anhän­ger mit Betrugs­be­hau­tun­gen aufpeitsch­te, bis sie gewalt­sam den Kongress­sitz in Washing­ton erstürm­ten. Das lässt sich nicht verges­sen machen.

Von Chris­tia­ne Jacke und Andrej Sokolow, dpa