BERLIN (dpa) – In Deutsch­land dringen viele auf Corona-Locke­run­gen trotz beispiel­los vieler Neuan­ste­ckun­gen. Der Virolo­ge Chris­ti­an Drosten mahnt, blickt auf die neue Varian­te BA.2 — und macht auch Mut.

In der Debat­te um mögli­che Locke­run­gen von Corona-Maßnah­men in Deutsch­land sieht der Virolo­ge Chris­ti­an Drosten den Zeitpunkt für Entwar­nung noch nicht gekommen.

«Es gibt eine Sache, die sich erstmal nicht verän­dert hat. Das ist die Impflü­cke in Deutsch­land. Da kommen wir nicht so richtig vorwärts», sagte der Wissen­schaft­ler von der Berli­ner Chari­té am Diens­tag im Podcast «Corona­vi­rus-Update» bei NDR-Info.

Zuletzt sei die Impfra­te sogar wieder gesun­ken. Beispiels­wei­se in Dänemark fielen nun angesichts der hohen Impfquo­te weitge­hend die Corona-Restrik­tio­nen – in Deutsch­land sei die Lage aber nicht vergleich­bar. «Deswe­gen ist eben keine Entwar­nung für Deutsch­land zu geben», so Drosten.

Der Virolo­ge gab zu beden­ken, dass die neue Varian­te BA.2 von Omikron eine noch höhere Übertrag­bar­keit haben könnte als der derzeit in Deutsch­land vorherr­schen­de Subtyp BA.1. Auf Basis neuer Daten aus Dänemark nehme er an, dass BA.2 mögli­cher­wei­se einen sogenann­ten Fitness­vor­teil und damit eine gestei­ger­te Übertra­gungs­fä­hig­keit haben könnte.

BA.2 hat ein paar PS mehr

Drosten erklär­te den angenom­me­nen Unter­schied zwischen den beiden Subty­pen mit der Metapher von zwei Autos und sagte mit Blick auf BA.2: «Der Motor, der hat schon ein paar PS mehr.» Bei BA.1 hinge­gen sei er der Auffas­sung, dass die Varian­te der Immun­ant­wort des Körpers auswei­chen könnte, weshalb sie sich so schnell ausbreite.

Die dänischen im Preprint — also ohne Überprü­fung von Fachkol­le­gen — veröf­fent­lich­ten Studi­en­da­ten deute­ten darauf hin, dass das Infek­ti­ons­ri­si­ko bei BA.2 deutlich höher sei als bei BA.1. Das Risiko der Weiter­ga­be des Virus ist demnach bei infizier­ten Ungeimpf­ten ebenfalls stark erhöht, bei geimpf­ten Kontakt­per­so­nen aller­dings verringert.

Der Anteil von BA.2 in Deutsch­land ist laut dem jüngs­ten Wochen­be­richt des Robert Koch-Insti­tuts (RKI) in Deutsch­land «nach wie vor sehr gering» mit 2,3 Prozent in der zweiten Woche des Jahres (Woche zuvor: 1,4 Prozent). Das RKI schreibt zu dem Subtyp: «Inter­na­tio­nal wird beobach­tet, dass sich BA.2 stärker ausbrei­tet als BA.1». Das betref­fe etwa Dänemark und das Verei­nig­te Königreich.

Drosten sagte im Podcast, zwar werde der Anteil von BA.2 wohl auch in Deutsch­land steigen – wegen der gelten­den Infek­ti­ons­schutz­maß­nah­men aber mögli­cher­wei­se langsa­mer als in anderen Ländern. Genaue­res sei wegen der gerin­gen Daten­la­ge aber noch nicht vorherzusagen.

«Planungs­ho­ri­zont» zu Osterferien

Er sehe in den kommen­den Oster­fe­ri­en eine zeitli­che Schwel­le und einen «Planungs­ho­ri­zont» für die Entspan­nung der Corona-Lage, so der Virolo­ge. «Wir haben ganz eindeu­tig den Befund in Deutsch­land, dass die Übertra­gungs­netz­wer­ke im Moment aus dem Schul­be­trieb gespeist werden. Da werden spätes­tens die Oster­fe­ri­en dann den Riegel vorschie­ben», sagte er. Auch die dann wieder wärme­ren Tempe­ra­tu­ren dürften sich senkend auf die Inziden­zen auswir­ken. Ob BA.2 bis dahin «komplett das Feld übernom­men» habe, bleibe abzuwarten.

Drosten sagte, die «ideale Immuni­sie­rung» sei der vollstän­di­ge Impfschutz durch drei Impfdo­sen, auf deren Boden man sich dann einmal oder auch häufi­ger mit dem Virus infizie­re und dadurch solch eine starke Immuni­tät entwick­le, «ohne dabei schwe­re Verläu­fe in Kauf nehmen zu müssen». Wer dies durch­ge­macht habe, «der ist dann irgend­wann wirklich über Jahre belast­bar, immun und wird sich nicht wieder reinfi­zie­ren», sagte Drosten.

Mit Blick auf die vielen Ungeimpf­ten in Deutsch­land wieder­hol­te er seine Warnung vor dem Zulas­sen einer Durch­seu­chung. Er kriti­sier­te eindring­lich die Denkwei­se, eine Infek­ti­on mit einer der Omikron-Varian­ten könne eine Impfung erset­zen und verwies auf die hohe Wahrschein­lich­keit wieder­hol­ter Anste­ckun­gen. Deshalb gehe die Rechnung «der Omikron-Infek­ti­on als Impfung durch die Hinter­tür» einfach nicht auf.