Bestür­zung nach dem Tod eines 13-Jähri­gen in Sinsheim — ein nur etwas älterer Jugend­li­cher soll ihn getötet haben. Das Motiv ist wohl eines der ältes­ten der Menschheit.

SINSHEIM (dpa) — Das Motiv des mutmaß­li­chen Mörders eines 13-Jähri­gen in Sinsheim bei Heidel­berg war aller Wahrschein­lich­keit nach Eifersucht.

Es habe Eifer­suchts­strei­tig­kei­ten zwischen dem dringend verdäch­ti­gen 14-Jähri­gen und dem Opfer gegeben, teilte der Mannhei­mer Polizei­vi­ze­prä­si­dent Siegfried Kollmar am Donners­tag mit. Der Zwist mit tödli­chem Ausgang habe sich um ein Kind gedreht, Details könne er aus Jugend­schutz­grün­den nicht preisgeben.

Nach Infor­ma­tio­nen von dpa und anderen Medien soll es sich bei dem Kind um ein Mädchen von zwölf Jahren handeln, das die Polizei am Tatort in einem Feldge­biet neben dem mit Blut und Schmutz befleck­ten 14-Jähri­gen vorfand. Der Junge hielt die Tatwaf­fe, ein Küchen­mes­ser, noch in der Hand.

Kollmar zeigte sich tief betrof­fen. In seiner vier Jahrzehn­te langen Polizei­ar­beit habe er wenige so schreck­li­che Fälle erlebt. Dieser mache beson­ders traurig wegen des gerin­gen Alters der Betei­lig­ten. Sinsheims Oberbür­ger­meis­ter Jörg Albrecht (partei­los) zeigte sich ebenfalls bestürzt: «Die Tat liegt wie ein Schat­ten über unserer Stadt.»

Die Staats­an­walt­schaft geht von Mord aus, weil der Beschul­dig­te das Merkmal der Heimtü­cke erfül­le. Das Opfer war unter einem Vorwand in das Feldge­biet gelockt worden. Die Polizei will auch Anhalts­punk­ten für eine mögli­che Tatbe­tei­li­gung des Mädchens — die Ermitt­ler sprachen ledig­lich von einem straf­un­mün­di­gen Kind — nachge­hen. Die drei seien ein Stück des Weges gemein­sam gegan­gen, bevor der 14-Jähri­ge auf den Rivalen mehrfach einstach. Es habe einen kurzen Kampf gegeben.

Der am Tatort festge­nom­me­ne Junge äußer­te sich zunächst nicht zur Tat und sitzt nun in Unter­su­chungs­haft. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Jugend­stra­fe. Opfer und Tatver­däch­ti­ger haben laut den Ermitt­lern einen türki­schen Migra­ti­ons­hin­ter­grund — beide haben demnach die doppel­te Staats­bür­ger­schaft. «Wir haben noch viel zu ermit­teln», sagte Kollmar. Man warte noch auf das schrift­li­che Ergeb­nis der Obduk­ti­on, Handys würden ausgewertet.

Der Verdäch­ti­ge ist kein unbeschrie­be­nes Blatt: Er hatte im nahe gelege­nen Östrin­gen (Kreis Karls­ru­he) einen damals 13-Jähri­gen mit einem Messer schwer verletzt hat. Der Angrei­fer kam nach der Pause in das Klassen­zim­mer seines Opfers und fügte ihm mehre­re Stich­ver­let­zun­gen am Oberkör­per zu. Der schwer verletz­te Schüler wurde mit einem Rettungs­hub­schrau­ber in eine Klinik geflo­gen. Hinter­grund soll ein monate­lan­ger Streit der damali­gen Siebt­kläss­ler gewesen sein. Zu diesem Zeitpunkt war der Angrei­fer noch nicht strafmündig.

Auch Jugend­li­che zwischen 14 und 17 Jahren sind nach deutschem Recht nur «bedingt straf­mün­dig». Für sie gilt das Jugend­ge­richts­ge­setz (JGG). Straf­recht­lich verant­wort­lich ist ein Jugend­li­cher zudem nur, «wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittli­chen und geisti­gen Entwick­lung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzu­se­hen und nach dieser Einsicht zu handeln». Wer also noch auf dem Niveau eines Kindes ist, kann nicht bestraft werden. Die Einschät­zung trifft in der Regel ein Sachver­stän­di­ger. Wer dagegen jünger ist als 14, gilt nach dem Gesetz als Kind und kann nicht belangt werden.

Im Sinshei­mer Stadt­teil Eschel­bach, wo der Tatort liegt, saß der Schock tief: Ortsvor­ste­her Wolfgang Maier sagte, dass sein Telefon nicht still­ge­stan­den habe. «Die Leute machen sich Sorgen.» Er fügte hinzu: «Wir sind ein kleines Dorf, es ist harmo­nisch, so soll es bleiben.» Oberbür­ger­meis­ter Albrecht sagte mit Blick auf etwaige Befürch­tun­gen von Eltern von Schülern oder Kita-Kindern: «Es gibt keinen Anlass, in Panik zu geraten.»

Der tote Jugend­li­che, der vor kurzem von einem Gymna­si­um auf die Realschu­le gewech­selt war, war am Mittwoch­nach­mit­tag in einem Feldge­biet gefun­den worden. Die Polizei war durch einen Anruf infor­miert worden.

Aus Sicht der Deutschen Polizei­ge­werk­schaft (DPolG) werden Eltern krimi­nel­ler Kinder viel zu oft allein gelas­sen. Die Jugend­äm­ter verfüg­ten nicht über genug quali­fi­zier­tes Perso­nal, sagte der baden-württem­ber­gi­sche DPolG-Landes­chef Ralf Kuste­rer. Es fehle vor allem an erfah­re­nen Sozial­ar­bei­tern, die den psychi­schen Heraus­for­de­run­gen der Arbeit mit delin­quen­ten Kindern und Jugend­li­chen gewach­sen seien.

Etliche Täter hätten schon vor der beding­ten Straf­mün­dig­keit mit 14 Jahren eine Latte von Delik­ten auf dem Kerbholz. Viele Einrich­tun­gen, in denen diese jungen Menschen unter­kä­men, ließen ihnen viele Freihei­ten — dabei seien Struk­tu­ren viel wirksa­mer, beton­te Kuste­rer. «Ich befür­wor­te in solchen Fällen eine zwangs­wei­se Unter­brin­gung in einer geschlos­se­nen Einrich­tung.» Dies diene nicht nur der Resozia­li­sie­rung, sondern auch dem Schutz der Allge­mein­heit. «Sollten die Geset­ze das nicht zulas­sen, müssten sie in diesem Punkt angepasst werden.»

Auch wenn derar­ti­ge Gewalt­aus­brü­che selten vorkom­men, erregen sie immer wieder Aufse­hen: In Duisburg gestand ein damals 14-Jähri­ger im vergan­ge­nen Oktober, seine gleich­alt­ri­ge Freun­din getötet zu haben. Und im April vergan­ge­nen Jahres soll ein 17-Jähri­ger bei einem Streit an einer Bushal­te­stel­le in Essen einen 14-Jähri­gen umgebracht haben — Tatwaf­fe war erneut ein Messer. Auch bei einem aktuel­len Fall in Berlin ist ein 17-Jähri­ger mit einem Messer schwer verletzt worden. Zugesto­chen haben soll nach einem Streit ein 15-Jähriger.

Mögli­che Ursachen für Jugend­ge­walt sind nach Ansicht der Polizei unter anderem das Erleben von Gewalt in der Familie als Mittel, um Konflik­te zu lösen. Der Konsum entspre­chen­der Medien, Perspek­tiv- und Orien­tie­rungs­lo­sig­keit könnten weite­re Fakto­ren sein.