BAD SCHUSSENRIED — Das Wetter verbrei­te­te 2021 selten Lange­wei­le. Schnee­mas­sen im Januar, Rekord­wär­me Ende Febru­ar, eine Berg- und Talfahrt im März, trocke­ne Eises­käl­te im April und ein grotten­schlech­ter Mai, der regen­reichs­te und kältes­te seit Jahrzehn­ten. Wer gedacht hatte, von nun an könnte es nur noch besser werden, sah sich getäuscht. Auch den ganzen Sommer hindurch wollte sich keine länger anhal­ten­de Schön­wet­ter­pe­ri­ode einstel­len. Statt­des­sen sorgten Tiefaus­läu­fer häufig für Regen, teils unwet­ter­ar­tig mit erheb­li­chen Schäden.

Was für die Wetter­kund­ler und Klima­for­scher längst klar ist, zeigte sich dieses Jahr eindrucks­voll wie selten zuvor. Die weltwei­te Erwär­mung ist im Polar­ge­biet stärker ausge­prägt als in den Subtro­pen. Dadurch hat der Tempe­ra­tur­un­ter­schied zwischen diesen beiden Klima­zo­nen und somit auch die Antriebs­kraft des Jetstreams, der Motor unseres Wetters, abgenom­men. Die Wetter­la­gen weisen eine signi­fi­kant größe­re Beharr­lich­keit auf. 

Beson­ders dominant war die Tiefdruck­tä­tig­keit von Mai bis Juli. In diesen drei Monaten wurde so viel Regen gemes­sen wie noch nie seit Beginn der Aufzeich­nun­gen der Wetter­war­te Süd im Jahre 1968. Gebiets­wei­se regis­trier­te man das Doppel­te bis Dreifa­che der sonst üblichen Mengen. Es schien so, als würden wir hier in Deutsch­land, im Alpen­raum und in Westeu­ro­pa in diesem Sommer das gesam­te Nass der Nordhalb­ku­gel abbekom­men. Dabei bilde­ten sich zeitwei­lig auch Unwet­ter mit sintflut­ar­ti­gen Regen­fäl­len. Manche Orte kamen vergleichs­wei­se glimpf­lich davon, andere traf es gleich mehrmals. An einigen der 250 Statio­nen im Messnetz der Wetter­war­te Süd wurde im August bereits das Jahres­soll erreicht, vor allem im zentra­len Oberschwa­ben. Während hier im Jahr norma­ler­wei­se rund 900 Liter auf den Quadrat­me­ter fallen, verbuch­te Bernhard Katein in Ummen­dorf bis zum 31. August 1087,5 Liter/m² und Armin Müller in Hopfer­bach bei Bad Schus­sen­ried 1064,4 Liter/m², eine Folge der dort gehäuft aufge­tre­te­nen Stark­re­gen­fäl­le. Trotz alledem wurden insge­samt weniger Gewit­ter­ta­ge gezählt als in den Jahren davor, da im Mai und August aufgrund der kühlen Tempe­ra­tu­ren dafür das Wärme­po­ten­zi­al fehlte.
Zwar kam es auch in unserer Region durch das Chaos­wet­ter zu Stark­re­gen, Hagel­schlag, Überschwem­mun­gen, Aquapla­ning und Erdrut­schen. Aber alles nicht einmal ansatz­wei­se vergleich­bar mit den Schre­ckens­bil­dern, die wir aus Nordrhein-Westfa­len, Rhein­land-Pfalz oder Franken zu sehen bekamen. 

Obwohl sich danach bis in den Dezem­ber hinein vielfach trocke­nes Hochdruck­wet­ter einstell­te, liegen die Jahres­sum­men der meisten Statio­nen über dem Soll, aller­dings keines­wegs im Rekordniveau.

Nach einer Reihe außer­ge­wöhn­lich warmer Jahre reiht sich 2021 in der über 50-jähri­gen Messrei­he auf Platz 20 ein, also im oberen Mittel­feld, aber meilen­weit entfernt von den Spitzen­wer­ten der Vorjah­re. An der Wetter­zen­tra­le in Bad Schus­sen­ried war es mit einer Durch­schnitts­tem­pe­ra­tur von 8,7°C im Vergleich zum klima­re­le­van­ten Bezugs­zeit­raum 1961 bis 1990 etwa ein Grad zu warm, bezogen auf die letzten, unver­kenn­bar vom Klima­wan­del gepräg­ten dreißig Jahre jedoch drei Zehntel Grad zu kühl. 2021 lag der Mittel­wert noch bei 10,2°C! Auffal­lend kalt waren der April und August und allen voran der Mai. Der Febru­ar hinge­gen brach­te neben ein paar klirrend kalten Eista­gen bereits Frühlings­wär­me und vom 19. bis zum 25. den Zeitraum im Wetter­jahr mit der größten Tempe­ra­tur­ab­wei­chung nach oben. Außer­dem glänz­te er mit beson­ders viel Sonnen­schein. Ohnehin konnten wir uns über die Sonnen­schein­dau­er nicht bekla­gen, in der Summe rund 100 Stunden mehr als in einem durch­schnitt­li­chen Jahr. 

Wetter­kund­li­che Schlaglichter

• Schnee­mas­sen, Mallor­ca­luft und Hochwasser
Von Tiefdruck­ge­bie­ten geprägt, ist der Winter ausge­spro­chen wechsel­haft und nass mit ungewöhn­li­chen Gegen­sät­zen. Massen an Schnee, dann wieder laue Frühlings­luft mit Tauwet­ter und Hochwas­ser. In der zweiten Febru­ar­hälf­te kommt Hoch “Ilonka”, welches sich ganz offen­sicht­lich in der Jahres­zeit geirrt hat und uns eine Woche lang mit Sahara­staub und frühlings­haf­tem Wetter wie Ende April/Anfang Mai verwöhnt. 22 Grad in Isny, 21 Grad in Weingar­ten und Wangen.

• Sommer­wär­me und Märzwinter
Die Berg- und Talfahrt der Tempe­ra­tu­ren setzt sich im März fort. Auf ausge­spro­chen kalte Witte­rungs­ab­schnit­te folgen frühsom­mer­lich warme Phasen.

• Kältes­ter April seit zwanzig Jahren
In den letzten fünfzehn Jahren gab es im April häufig viel Sonnen­schein und vorge­zo­ge­ne Maiwär­me. 2021 zeigt er mal wieder sein wahres Gesicht. Nach einem verhei­ßungs­vol­len Auftakt legt polare Kaltluft lange Zeit die aufkei­men­den Frühlings­ge­füh­le auf Eis.

• Kältes­ter Mai seit dreißig Jahren
Der Mai ist einzi­ges Trauer­spiel: nass, kalt und windig, mitun­ter stürmisch wie im Herbst. Dieser Frühling kommt den meisten derart unter­kühlt vor wie seit einer gefühl­ten Ewigkeit nicht mehr. Dabei waren solche Tempe­ra­tur­ver­hält­nis­se bis weit in die 90er-Jahre hinein durch­aus der Normalfall.

• Hitze­wel­len und Regenfluten
Was für ein Monat! Von Schafs­käl­te und Boden­frost, über sengen­de Hitze, Tropen­näch­te, Trocken­heit und Waldbrand­ge­fahr bis hin zu schwe­ren Gewit­tern und Unwet­tern mit sintflut­ar­ti­gen Regen­fäl­len und Überflu­tun­gen, Sturm­bö­en und Hagel ist im Juni alles geboten.

• Und so was nennt sich Sommer!
Während in weiten Teilen der Nordhalb­ku­gel überdurch­schnitt­lich hohe Tempe­ra­tu­ren herrschen, vieler­orts sogar große Hitze mit ausge­präg­ter Trocken­heit, Dürre und verhee­ren­den Waldbrän­den, vermie­sen uns Tiefdruck­ge­bie­te die Sommer­lau­ne. Erst auf seine späten Tage entschä­digt der Sommer im Septem­ber dann doch noch ein wenig für das, was er in den Wochen zuvor versäumt hatte. Dank der Hochdruck­fa­mi­lie “Gaya”, “Herme­lin­de”, “Isgard” und “Jenny” gibt es zum Ende der Ferien- und Haupt­ur­laubs­zeit häufig aller­bes­tes Freizeit­wet­ter und bei Tempe­ra­tu­ren um die 25 Grad selbst in den Freibä­dern zeitwei­se mehr Betrieb als im Hochsommer.

• Zähes Herbstgrau
Hoher Luftdruck dominiert im Oktober und Novem­ber das Wetter­ge­sche­hen. Wie bei herbst­li­chen Hochdruck­la­gen üblich bilden sich dabei aller­dings hartnä­cki­ge Nebel­fel­der, welche die Region öfters in zwei gänzlich unter­schied­li­che Wetter­zo­nen teilen: unten feucht­kal­tes Dauer­grau, oben dagegen strah­lend­mil­des Himmelblau.

• Grüne, trübe Weihnach­ten und Rekord­wär­me an Silvester
Kräfti­ge Schnee­fäl­le in der ersten Dezem­ber­hälf­te wecken die Hoffnung auf weiße Weihnach­ten. Doch es bleibt ein Wunsch­traum. Tauwet­ter lässt die weiße Pracht in den Niede­run­gen rasch wieder dahin­schmel­zen. Zum Jahres­en­de geht es mit den Tempe­ra­tu­ren weiter bergauf. Im südli­chen Baden-Württem­berg und im angren­zen­den Bayern, in der Schweiz und in Vorarl­berg werden Rekord­wer­te für Silves­ter verzeich­net. Spitzen­rei­ter ist Walten­ho­fen im Allgäu mit 16,2°C. An Weihnach­ten ohne Schnee hat man sich schon gewöhnt, dass aber auch der Jahres­wech­sel grün und gar frühlings­haft lau ausfällt, war bis vor zwanzig Jahren äußerst selten.