RAVENSBURG/WANGEN — Zitro­ne, Kirsche, Pfirsich, Waldmeis­ter oder Cola: Zwischen diesen Geschmacks­rich­tun­gen können frisch operier­te Patien­tin­nen und Patien­ten im Aufwach­raum des Westall­gäu-Klini­kums wählen. Seit August vertei­len die Pflege­kräf­te auf Initia­ti­ve der Klinik für Anästhe­sie, Intensiv‑, Notfall- und Schmerz­me­di­zin um Chefarzt Prof. Dr. Andre­as Straub dort Wassereis. 

Die Idee dazu hatte Dr. Agnes Schön-Morgen­weck, Fachärz­tin für Anästhe­sie: „Die Patien­ten freuen sich sehr über die Aufmerk­sam­keit, wir erhal­ten nur positi­ve Rückmel­dun­gen“, berich­tet sie nach den ersten Monaten. Unter­stützt wurde sie bei der Umset­zung von der Leitung der Anästhe­sie­pfle­ge, Elisa­beth Pfänder und ihrem Stell­ver­tre­ter Klaus Gröber. „Ich habe noch nie einen Patien­ten gesehen, der nicht lächelnd im Bett gelegen ist, als wir ihm ein Eis überreicht haben“, erzählt Klaus Gröber und ergänzt: „Wir können hier mit sehr kleinem Aufwand vielen Patien­ten die Zeit nach der OP ein kleines bisschen verbessern.“

Die Aktion hat einen ernsten Hinter­grund: Viele frisch Operier­te leiden nach dem Aufwa­chen unter leich­ter Übelkeit, haben Halskrat­zen und einen schlech­ten Geschmack im Mund. Ein Glas Wasser in der Hand zu halten, dafür fühlen sich viele aber noch zu schwach – außer­dem kann zu viel Flüssig­keit zu Erbre­chen führen. Um das Problem zu lösen, vertei­len mittler­wei­le einzel­ne Klini­ken in Deutsch­land kleine Wasser­ei­stüt­chen an ihre Patien­ten. Als Dr. Agnes Schön-Morgen­weck davon hörte, war sie sofort Feuer und Flamme. Dank der Unter­stüt­zung ihres Teams und der Anästhe­sie­pfle­ge­lei­tung, die sie schnell von der Idee begeis­tern konnte, wurde das Angebot inner­halb von kürzes­ter Zeit am Westall­gäu-Klini­kum einge­führt. Und schon bald soll es auch am St. Elisa­be­then-Klini­kum etabliert werden.

„Das Schöne ist, dass es so viele positi­ve Effek­te auf einmal hat“, unter­streicht die Ärztin. Es helfe sowohl die Schleim­häu­te zu befeuch­ten und das Durst­ge­fühl zu lindern als auch den schlech­ten Geschmack im Mund zu vertrei­ben. „Wasser­eis regt die Speichel­bil­dung an, kühlt und erfrischt, reduziert Übelkeit und aktiviert die Patien­ten.“ Zudem sei es eine schöne Überra­schung und steige­re insge­samt das Wohlbe­fin­den und die Zufrie­den­heit. „Bei vielen weckt das positi­ve Kindheits­er­in­ne­run­gen“, sagt Dr. Agnes Schön-Morgen­weck und erzählt weiter: „Viele Patien­ten reagie­ren sehr erstaunt, wenn man im Präme­di­ka­ti­ons­ge­spräch das Eisan­ge­bot im Aufwach­raum erwähnt. Schon mit einer solch kleine Geste minimiert sich oft die vorhan­de­ne Angst vor der OP und zaubert den Patien­ten ein Lächeln ins Gesicht, sie freuen sich regel­recht darauf.“

Auch für die Pflege­kräf­te hat das Wasser­eis­an­ge­bot positi­ve Auswir­kun­gen: Der stell­ver­tre­ten­de Leiter der Anästhe­sie­pfle­ge, Klaus Gröber, erklärt: „Der Job im Aufwach­raum ist maximal fordernd. Wenn die Patien­ten lächeln und sich wohlfüh­len, macht die Arbeit viel mehr Freude.“ Dr. Schön-Morgen­weck ergänzt: „Wir machen zum Beispiel auch sehr gute Erfah­run­gen mit deliran­ten Patien­ten, die vor der OP nicht orien­tiert sind. Der bekann­te Geschmack des Eises beruhigt sie. Wir konnten mehrmals beobach­ten, dass Situa­tio­nen mit postope­ra­tiv schwer kontrol­lier­ba­ren Schmerz­zu­stän­den durch ein Eis gut in den Griff zu bekom­men waren.“

Weite­rer Vorteil: Fast alle, egal ob Kinder oder Erwach­se­ne, profi­tie­ren von dem Angebot. “Ausge­schlos­sen sind ledig­lich Patien­ten, die aus chirur­gi­schen Gründen nüchtern bleiben müssen, Patien­ten ohne ausrei­chen­de Schutz­re­fle­xe sowie intubierte/beatmete — aber das versteht sich ja von selbst”, erklärt die Ärztin.

So hat sich das Angebot inner­halb kürzes­ter Zeit für Patien­ten, Ärzte und Pflege­kräf­te zu einer wahren Erfolgs­ge­schich­te entwi­ckelt. Zirka 50 Wasser­ei­stüt­chen geben die Pflege­kräf­te pro Woche im Wange­ner Aufwach­raum aus. Und welche Sorte ist am belieb­tes­ten? „Cola, dicht gefolgt von Kirsche“, verrät Dr. Agnes Schön-Morgenweck.