SAN FRANCISCO (dpa) — Mit 80 Millio­nen Follo­wern zählt der Tesla-Chef selbst zu den populärs­ten Nutzern der Platt­form. Nach einer Übernah­me will Musk Twitter von der Börse nehmen — im Sinne der Redefrei­heit, wie er sagt.

Tech-Milli­ar­där Elon Musk hat selbst Zweifel, das sein Versuch einer feind­li­chen Übernah­me von Twitter Erfolg haben wird.

«Ich bin nicht sicher, dass ich tatsäch­lich in der Lage sein werde, es zu kaufen», räumte der Chef des Elektro­au­to-Herstel­lers Tesla bei einem Konfe­renz­auf­tritt ein. Er habe aber die nötigen Mittel, um den über 40 Milli­ar­den Dollar schwe­ren Deal durch­zu­zie­hen, beton­te der 50-Jährige.

Er wolle Twitter nach einer Übernah­me von der Börse nehmen, weil der Dienst nur so das Poten­zi­al als Platt­form für Redefrei­heit ausschöp­fen könne, argumen­tier­te der 50-Jährige.

Musk hält bisher gut neun Prozent an Twitter. Er bietet nun allen Aktio­nä­ren 54,20 Dollar pro Aktie, wie aus einer Mittei­lung bei der US-Börsen­auf­sicht SEC hervor­geht. Das Papier schloss am Mittwoch bei knapp 46 Dollar. Die Offer­te enthält somit keinen beson­ders hohen Aufpreis. Aller­dings verweist Musk darauf, dass der vorge­schla­ge­ne Preis einen Aufschlag von mehr als 38 Prozent auf den letzten Preis vor Bekannt­wer­den seines Einstiegs bei Twitter bedeute.

Ein Deal von rund 43 Milli­ar­den Dollar

Die Erfolgs­aus­sich­ten von Musks Übernah­me­at­ta­cke sind unklar. Twitter war zuletzt gut 36 Milli­ar­den Dollar wert, zu Musks Gebot wäre ein Deal rund 43 Milli­ar­den Dollar schwer. Für den reichs­ten Mann der Welt, dessen Vermö­gen auf rund 260 Milli­ar­den Dollar geschätzt wird, wäre das problem­los zu stemmen. Die entschei­den­de Frage ist aller­dings, ob genug heuti­ge Aktio­nä­re zu diesem Preis an Musk verkau­fen wollen, um ihm die Kontrol­le zu geben.

Twitter hat neben dem Streu­be­sitz mehre­re Finanz­in­ves­to­ren als große Anteils­eig­ner, die jeweils zwischen zwei bis acht Prozent der Antei­le halten. Es würde also nicht reichen, nur wenige Großak­tio­nä­re vom Verkauf zu überzeu­gen. Anleger zeigten sich skeptisch über Musks Erfolgs­aus­sich­ten: Die Twitter-Aktie gab zur Tages­mit­te in New York anfäng­li­che Kursge­win­ne wieder ab und rutsch­te zeitwei­se unter den Vortageskurs.

Zugleich ist Twitter nicht so gut gegen feind­li­che Übernah­men geschützt wie etwa Facebook, Amazon oder Google, wo Gründer Aktien mit mehr Stimm­rech­ten bekamen. Das erlaubt ihnen, die Kontrol­le über das Unter­neh­men zu behal­ten, auch wenn sie nicht mehr die Mehrheit der Aktien halten.

Aber auch wenn Musk bei Twitter theore­tisch allein schon mit der Aktien­mehr­heit ans Ziel kommen könnte — der Dienst hat viele Wege, sich zu vertei­di­gen. Zu den sogenann­ten «Poison Pills» (Giftpil­len), mit denen Unter­neh­men sich gegen feind­li­che Übernah­men Wehr setzen, gehört zum Beispiel die Ausga­be neuer günsti­ge­rer Aktien an andere Aktio­nä­re. Das verwäs­sert den Anteil eines Angrei­fers wie Musk. Twitter teilte ledig­lich mit, man prüfe das Angebot, um im besten Inter­es­se des Unter­neh­mens und der Aktio­nä­re zu handeln.

Sein letztes Angebot

Musk schrieb, dass der Preis sein letztes Angebot sein. Schei­te­re er mit dem Übernah­me­ver­such, müsse er sein Engage­ment bei Twitter überden­ken. «Das ist keine Drohung, es ist einfach keine gute Inves­ti­ti­on ohne die Änderun­gen, die gemacht werden müssen», schrieb Musk dazu. Drohung oder nicht — auf jeden Fall kann man dies als ziemlich durch­sich­ti­ge Erinne­rung an die Aktio­nä­re sehen, dass der Kurs auch ganz schnell wieder sinken könne.

Dass Musk eine Übernah­me­at­ta­cke starten könnte, wurde von Beobach­tern bereits vermu­tet, nachdem er am Wochen­en­de einen Sitz im Verwal­tungs­rat des Unter­neh­mens ausge­schla­gen hatte. Gemäß einer Verein­ba­rung mit Twitter hätte er sich damit nämlich verpflich­tet, seinen Anteil nicht über 14,9 Prozent zu erhöhen. Der Verzicht auf die Mitglied­schaft in dem Aufsichts­gre­mi­um machte Musk den Weg frei, mehr Antei­le zu kaufen.

Musk: Werde Poten­zi­al «freiset­zen»

Der Tesla-Chef hat mehr als 80 Millio­nen Follower bei Twitter und zählt damit zu den populärs­ten Nutzern. Er sei bei dem Dienst einge­stie­gen, weil er an das Poten­zi­al von Twitter «als Platt­form für freie Rede rund um die Welt» glaube — und das sei entschei­dend für eine funktio­nie­ren­de Demokra­tie, schrieb er.

Inzwi­schen sei er aber zu der Einsicht gekom­men, dass die Firma in ihrer heuti­gen Form weder dieser Rolle gerecht werden noch finan­zi­ell prospe­rie­ren könne. «Twitter hat außer­or­dent­li­ches Poten­zi­al. Ich werde es freiset­zen», schrieb Musk.

Wie genau Musk Twitter verän­dern will, bleibt weitge­hend offen — zum Beispiel, wo er die Defizi­te bei der Redefrei­heit sieht. In den vergan­ge­nen Jahren waren es in den USA vor allem die Konser­va­ti­ven und allen voran die Anhän­ger von Ex-Präsi­dent Donald Trump, die Twitter «Zensur» vorwar­fen. Dabei ging es meist um Maßnah­men gegen die Verbrei­tung falscher Infor­ma­tio­nen über das Corona­vi­rus sowie Trumps Behaup­tun­gen, dass ihm der Sieg bei der Präsi­den­ten­wahl 2020 gestoh­len worden sei.

Trump wurde bei Twitter verbannt nach seinem Zuspruch für die Anhän­ger, die am 6. Januar 2021 das Kapitol in Washing­ton stürm­ten — und das Manage­ment beton­te bisher, dass es für den Ex-Präsi­den­ten keinen Weg zurück auf die Platt­form gebe.

Musk hatte in der Anfangs­zeit der Pande­mie selbst die Gefah­ren durch das Virus herun­ter­ge­spielt und Corona-Einschrän­kun­gen in Kalifor­ni­en als «faschis­tisch» kritisiert.

In einem Tweet am Wochen­en­de ließ Musk durch­bli­cken, dass er das aktuel­le Geschäfts­mo­dell von Twitter mit Werbung als zentra­le Einnah­me­quel­le gern durch Abo-Einnah­men erset­zen würde. Auf Anzei­gen­er­lö­se angewie­sen zu sein, gebe großen Konzer­nen zu viel Macht, schrieb er.

Musks Vermö­gen besteht haupt­säch­lich aus Betei­li­gun­gen am Elektro­au­to-Herstel­ler Tesla und der Raumfahrt­fir­ma SpaceX. Es könnte also sein, dass er weite­re Antei­le an den Unter­neh­men verkau­fen muss, um genug Geld für die Twitter-Aktio­nä­re zu haben.

Von Andrej Sokolow, dpa