Die EU kann nun schnell auf einen Corona-Impfstoff hoffen. Gut neun Monate nach Ausbruch der Pande­mie steht die Zulas­sung bevor — früher als geplant. Die Bundes­re­gie­rung vertei­digt das europäi­sche Vorgehen.

Die Europäi­sche Arznei­mit­tel­be­hör­de EMA kündig­te in Amster­dam an, sie wolle am 21. Dezem­ber ihr Gutach­ten über den Impfstoff des Mainzer Unter­neh­mens Biontech und seines US-Partners Pfizer vorle­gen — das sind acht Tage früher als bisher in Aussicht gestellt. Es gilt als so gut wie sicher, dass die EMA grünes Licht gibt. Formell muss dann noch die EU-Kommis­si­on zustim­men. Das gilt als Formsa­che und könnte auch inner­halb eines Tages erfol­gen. Damit wäre der Weg frei für den Beginn von Massen-Impfun­gen in allen EU-Mitgliedsstaaten.

Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) setzt auf einen baldi­gen Start von Impfun­gen in Deutsch­land, die aber mit wachsen­den Mengen an Impfstof­fen erst schritt­wei­se ausge­wei­tet werden können. Ziel sei, eine Impfstoff-Zulas­sung vor Weihnach­ten zu errei­chen und dann noch vor dem Jahres­wech­sel mit dem Impfen zu begin­nen, sagte er in Berlin vor der Mittei­lung der EMA. Er vertei­dig­te es, keine Notfall­zu­las­sung zu machen, sondern ein regulä­res Verfah­ren zu absol­vie­ren. Dies sei wichtig für das Vertrau­en in die Impfstof­fe. In der EU habe man zudem ein gemein­sa­mes Vorge­hen verein­bart — jetzt komme es darauf an.

Während der Impfstoff von Biontech/Pfizer in Großbri­tan­ni­en, den USA und Kanada schon mit Notzu­las­sun­gen auf dem Markt ist, wird in der EU noch auf grünes Licht gewar­tet. «Wir arbei­ten rund um die Uhr für die Zulas­sung des ersten Covid-19-Impfstof­fes», sagte EMA-Direk­to­rin Emer Cooke. Zunächst hatte die EMA erklärt, dass das Verfah­ren spätes­tens am 29. Dezem­ber abgeschlos­sen sein sollte.

EU-Kommis­si­ons­che­fin Ursula von der Leyen rechnet mit ersten Impfun­gen in der Europäi­schen Union noch im Dezem­ber. «Jeder Tag zählt — wir arbei­ten in vollem Tempo, um siche­re und wirksa­me Covid-19-Impfstof­fe zuzulas­sen.» Sie begrü­ße die Entschei­dung der EMA, die Beratun­gen auf vor Weihnach­ten vorzuziehen.

Die entschei­den­de Sitzung des Ausschus­ses für Human­arz­nei­mit­tel wurde nach Angaben der EMA um acht Tage vorver­legt, nachdem die Herstel­ler am Montag­abend zusätz­li­che Daten übermit­telt hatten. Sollte am 21. Dezem­ber noch keine Entschei­dung fallen können, solle dies am 29. Dezem­ber erfol­gen. Man werde die Bewer­tung zum frühest mögli­chen Zeitpunkt abschlie­ßen — und erst dann, wenn die Daten zu Quali­tät, Sicher­heit und Wirksam­keit stark genug und so umfas­send seien, um zu entschei­den, ob der Nutzen die Risiken überwie­ge. Die EMA beton­te, es würden keine Abstri­che bei Sicher­heits-Standards gemacht.

An dem Verfah­ren ist in Deutsch­land teils Kritik laut gewor­den. Dass ein hierzu­lan­de entwi­ckel­ter Impfstoff in anderen Staaten früher verab­reicht wird, nannte die AfD unerklär­lich. «In der EU, da werden ja nur Papie­re geprüft», sagte der AfD-Frati­ons­ge­schäfts­füh­rer Bernd Baumann vor der aktuel­len Mittei­lung der EMA. Verzö­ge­run­gen mit mehr Sicher­heit gleich­zu­set­zen, sei falsch.

Die Deutsche Stiftung Patien­ten­schutz nannte Forde­run­gen nach einer schnel­len natio­na­len Lösung für Impfun­gen «billi­ge Polemik». Auch ein wilder Ausstieg mit einer natio­na­len Notfall­zu­las­sung heiße nicht, dass früher mit Impfun­gen begon­nen werden könne, sagte Vorstand Eugen Brysch. «Dieses Verfah­ren braucht auch seine Zeit. Das geht nicht über Nacht. Die Gefahr, dass wir dann später mit dem Angebot losle­gen können, ist sogar groß.»

Der Grünen-Gesund­heits­po­li­ti­ker Janosch Dahmen sagte: «Sorgfalt und Schnel­lig­keit dürfen nicht gegen­ein­an­der ausge­spielt werden. Wir müssen den Impfstoff gegen Negativ­kam­pa­gnen immuni­sie­ren.» Ein ordent­li­ches Prüfungs­ver­fah­ren sei das beste Rezept gegen Misstrauen.