BERLIN (dpa) — Millio­nen Immobi­li­en­be­sit­zer und ‑besit­ze­rin­nen haben ihre Grund­steu­er­erklä­rung bislang nicht einge­reicht. Noch ist Zeit. Nicht nur der Bund der Steuer­zah­ler aber schimpft über eine «XXL-Bürokra­tie».

Endspurt bei der Grund­steu­er: Nur noch bis Ende Januar haben Immobi­li­en­be­sit­zer Zeit, ihre Erklä­run­gen abzuge­ben — viele Millio­nen müssen noch liefern. Wie eine Umfra­ge der Deutschen Presse-Agentur unter den Ländern ergab, liegt die Quote der bisher abgege­be­nen Erklä­run­gen derzeit in einer Spanne von rund 60 bis rund 70 Prozent. Der Großteil davon ging elektro­nisch ein.

Bundes­weit waren mit Stand Donners­tag rund 65,5 Prozent der Erklä­run­gen abgege­ben worden, wie ein Sprecher des Bundes­fi­nanz­mi­nis­te­ri­ums sagte. Etwa 56,9 Prozent seien elektro­nisch übermit­telt worden, zudem seien geschätzt etwa 8,6 Prozent auf einem Papier­vor­druck einge­gan­gen. Offen­sicht­lich gab es in den vergan­ge­nen Tagen eine starke Zunah­me der Rückläu­fe, wie es zum Beispiel in Berlin hieß. Ein Sprecher des NRW-Finanz­mi­nis­te­ri­ums sagte, erfah­rungs­ge­mäß würden Fristen oft möglichst weit ausgenutzt.

Abgabe­frist verlängert

Mitte Oktober hatten die Länder wegen des schlep­pen­den Eingangs der neuen Grund­steu­er­erklä­run­gen bei den Finanz­be­hör­den die Abgabe­frist von Ende Oktober auf Ende Januar 2023 verlängert.

Eine erneu­te Frist­ver­län­ge­rung gibt es nicht. Nieder­sach­sens Finanz­mi­nis­ter Gerald Heere (Grüne) etwa sagte, dies sei nicht möglich. Die Finanz­ver­wal­tung müsse bis Ende 2023 den Großteil der Grund­stü­cke bewer­ten, damit den Gemein­den recht­zei­tig die notwen­di­gen Grund­la­gen für die Erhebung der Grund­steu­ern ab 2025 vorlie­gen. Aus dem NRW-Finanz­mi­nis­te­ri­um hieß es, im Falle einer Verlän­ge­rung der Abgabe­frist wäre das Grund­steu­er­auf­kom­men der Städte und Gemein­den zum 1. Januar 2025 gefähr­det. Für die Finanz­äm­ter sei die noch zur Verfü­gung stehen­de Zeit zur Feststel­lung der Grund­steu­er­wer­te knapp bemessen.

«Fakt ist, dass die Finanz­ver­wal­tung wegen der Grund­steu­er­re­form und den Entlas­tungs­pa­ke­ten am Limit ist», sagte Flori­an Köbler, Bundes­vor­sit­zen­der der Deutschen Steuer-Gewerk­schaft. «Jede nicht abgege­be­ne Erklä­rung verur­sacht Mehrar­beit und hält das Perso­nal ab, das zu tun, wofür sie eigent­lich da sind: Für Steuer­ge­rech­tig­keit und faire Wettbe­werbs­be­din­gun­gen zu sorgen.»

Mit Ablauf der Frist werden die Finanz­äm­ter zunächst Erinne­rungs­schrei­ben verschi­cken, wie etwa die schles­wig-holstei­ni­sche Finanz­mi­nis­te­rin Monika Heinold (Grüne) sagte. Die Finanz­ver­wal­tung habe dann aber auch die Möglich­keit, Verspä­tungs­zu­schlä­ge und Zwangs­gel­der zu erheben sowie Schät­zun­gen vorzu­neh­men. Das bayeri­sche Finanz­mi­nis­te­ri­um erklär­te, die Finanz­ver­wal­tung werde bei Verspä­tungs­zu­schlä­gen oder schluss­end­lich auch Schät­zun­gen berück­sich­ti­gen, dass es sich bei der Grund­steu­er um «neues Recht» handle. Der Bund der Steuer­zah­ler erklär­te, jeder Bürger könne eine Verlän­ge­rung inklu­si­ve Begrün­dung bei seinem Finanz­amt indivi­du­ell beantragen.

Fast 36 Millio­nen Grund­stü­cke neu bewertet

Ab 2025 soll die neue Grund­steu­er-Berech­nung gelten. Das hatte das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt gefor­dert, denn zuletzt kalku­lier­ten die Finanz­äm­ter den Wert einer Immobi­lie auf Grund­la­ge völlig veral­te­ter Daten, von 1935 in Ostdeutsch­land und von 1964 in Westdeutsch­land. Für die Neube­rech­nung müssen jetzt fast 36 Millio­nen Grund­stü­cke neu bewer­tet werden. Die Steuer­be­hör­den brauchen von allen Eigen­tü­mern Daten, selbst wenn sie nur einen Klein­gar­ten besit­zen. Meist geht es um die Grund­stücks- und Wohnflä­che, die Art des Gebäu­des, Baujah­re und den sogenann­ten Bodenrichtwert.

Für die Kommu­nen ist die Grund­steu­er eine der wichtigs­ten Einnah­me­quel­len. Sie ist eine jährli­che Steuer auf den Besitz von Grund­stü­cken und Gebäu­den — doch ein Vermie­ter kann sie über die Neben­kos­ten­ab­rech­nung auch auf die Mieter umlegen. Bei den meisten Wohnungs­ei­gen­tü­mern geht es um einige Hundert Euro im Jahr, bei Eigen­tü­mern von Miets­häu­sern dagegen oft um vierstel­li­ge Beträge.

Wie viel Grund­steu­er die einzel­nen Eigen­tü­mer ab 2025 tatsäch­lich zahlen müssen, wird noch eine Weile offen­blei­ben. Denn das hängt entschei­dend von den sogenann­ten Hebesät­zen der Gemein­den ab. Die «Musik» bei der Grund­steu­er spiele bei den Kommu­nen, sagte Köbler. «Ich erinne­re in diesem Zusam­men­hang gerne an die Verspre­chen der Gemein­den, dass es im Zuge der Grund­steu­er­re­form zu keinen gravie­ren­den Mehrbe­las­tun­gen für die Bürge­rin­nen und Bürger kommen soll.»

Die Besit­zer von Grund­stü­cken, Häusern und Wohnun­gen können die Erklä­rung seit dem 1. Juli 2022 online abgeben. Kurz nach dem Start gab es techni­sche Schwie­rig­kei­ten: Vorüber­ge­hend war die Steuer­soft­ware «Elster» lahmge­legt, weil viele Bürger gleich­zei­tig die Grund­steu­er-Seite aufru­fen wollten. Auch die Behör­den-Steuer­spra­che in den Erklä­run­gen erleich­tert die Sache nicht.

Bund der Steuer­zah­ler übt Kritik

Die neue Grund­steu­er sei sehr kompli­ziert, kriti­sier­te der Bund der Steuer­zah­ler. «Weil die erfor­der­li­chen Angaben vom Grund­steu­er-Modell der Länder abhän­gen, hatte sich schon früh ein Wirrwarr angekün­digt: In der Regel handelt es sich um Flurstück­num­mern, amtli­che Flächen, Gemein­de­na­men, Gemar­kungs­num­mern, um Boden­richt­wer­te und die Wohnflä­chen-Größe. Hier drohte den Eigen­tü­mern von Anfang an eine XXL-Bürokratie.»

Von einem «Kommu­ni­ka­ti­ons- und Technik-Desas­ter» sprach Sibyl­le Barent, Leite­rin Steuer- und Finanz­po­li­tik beim Eigen­tü­mer­ver­band Haus & Grund. «Wichtig wäre gewesen, den Steuer­zah­ler nicht unnötig mit dem Zusam­men­puz­zeln von Angaben zu belas­ten, die größten­teils in den Behör­den schon vorhan­den sind. Daraus sollte man für künfti­ge Erhebun­gen lernen.» Es sollte großzü­gig mit Verspä­tungs­zu­schlä­gen und Erinne­rungs­schrei­ben umgegan­gen werden. «Alles andere wäre den Bürgern gegen­über unfair.» Viele Eigen­tü­mer hätten sich noch nie oder lange nicht mit der Grund­steu­er beschäf­ti­gen müssen, so Barent. Sie erwar­tet, dass die Grund­steu­er­wer­te oft deutlich anstei­gen werden