STUTTGART (dpa/lsw) — Der Kanzler kommt. Dass Olaf Scholz sich trotz Krisen­mo­dus Zeit für den Landes­par­tei­tag am Boden­see nimmt, macht die Genos­sen ziemlich stolz. Die SPD im Kretsch­mann-Land kann Rücken­wind gebrauchen.

Eben noch globa­les Krisen­ma­nage­ment beim G20-Gipfel auf der indone­si­schen Insel Bali, jetzt schon wieder beim SPD-Landes­par­tei­tag am Boden­see: Bundes­kanz­ler Olaf Scholz ist am Samstag der Stargast beim Kongress der Südwest-SPD in Fried­richs­ha­fen. Scholz wird gegen Mittag vor den etwa 500 Teilneh­me­rin­nen und Teilneh­mern eine Rede zur Bewäl­ti­gung der verschie­de­nen Krisen halten. Die SPD im Südwes­ten erhofft sich Rücken­wind von ihrem Kanzler, denn die Landes­par­tei liegt in den Umfra­gen nur bei 13 bis 15 Prozent. Jedoch ist die Bundes-SPD mit nur etwa 20 Prozent auch im Umfra­ge­tief, weit hinter der Union.

Beim Partei­tag wird die Führungs­spit­ze der Landes-SPD neu gewählt. Andre­as Stoch, Partei­chef und Opposi­ti­ons­füh­rer im Landtag, ist der einzi­ge Kandi­dat. Der 53-jähri­ge Jurist aus Heiden­heim führt die Südwest-SPD seit 2018 und nimmt für sich in Anspruch, die zerstrit­te­ne Partei geeint zu haben. Bei der Landtags­wahl war die SPD im März 2021 mit Stoch als Spitzen­kan­di­dat aber nur auf 11 Prozent gekom­men. Dennoch gab es Verhand­lun­gen über eine Ampel mit Grünen und FDP, doch der Wahlsie­ger, Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann (Grüne), gab der CDU den Vorzug.

Vor dem Partei­tag besucht Scholz am Samstag­mor­gen (9.45 Uhr) den Automo­bil­zu­lie­fe­rer ZF in Fried­richs­ha­fen. Bei einem Rundgang will sich der Kanzler über die Heraus­for­de­run­gen in der Autoin­dus­trie infor­mie­ren. Außer­dem stehen Gesprä­che mit Azubis an. Geplant ist auch eine Fahrt in einem selbst­fah­ren­den E‑Shuttle auf dem Gelän­de des Techno­lo­gie­kon­zerns. Beim Besuch des VfB Fried­richs­ha­fen am Nachmit­tag (14.00 Uhr) soll es um das Ehren­amt gehen. Mit 3500 Mitglie­dern zählt der 1909 gegrün­de­te Verein zu den größten in Baden-Württemberg.

Die Südwest-SPD will, dass die grün-schwar­ze Landes­re­gie­rung ärmere Menschen in Krisen­zei­ten stärker unter­stützt. Zwar gebe es von der Regie­rung «halbher­zi­ge Hilfen» für die Wirtschaft. «Aber sie tut nichts für den Zusam­men­halt der Gesell­schaft», sagte Stoch der dpa. Er forder­te Kretsch­mann auf, sich ein Beispiel an Scholz zu nehmen. «Es darf nicht heißen, Inves­ti­tio­nen oder Entlastungen.»

Das Land müsse die Trans­for­ma­ti­on in vielen Lebens­be­rei­chen trotz der Krise mit Inves­ti­ti­ons­im­pul­sen voran­brin­gen. «Den kraft­lo­sen Staat à la Kretsch­mann brauchen wir jetzt nicht.» Ob bei der Energie‑, der Verkehrs­wen­de oder in der Bildung, die Landes­re­gie­rung müsse hier richtig Geld in die Hand nehmen — und das sei auch da. «Warum nicht einen Sonder­topf mit 100 Millio­nen Euro für Inves­ti­tio­nen in Kitas schaf­fen?», fragte Stoch. Angesichts von 57.600 fehlen­den Kita-Plätzen bestehe dringen­der Handlungsbedarf.

Die Südwest-Genos­sen wollen auch die Gewerk­schaf­ten wieder stark in die Partei­ar­beit einbin­den. DGB-Landes­chef Kai Burmeis­ter will in den SPD-Landes­vor­stand und würde den Platz von IG-Metall-Bezirks­lei­ter Roman Zitzels­ber­ger einneh­men, der aus dem SPD-Führungs­gre­mi­um ausscheidet.

Bei den Sozial­de­mo­kra­ten im Land hat sich der Abwärts­trend bei den Mitglie­dern nach dem Zwischen­hoch im Zuge des Siegs bei der Bundes­tags­wahl wieder beschleu­nigt. Lag die Mitglie­der­zahl Ende 2021 noch bei 33.200, sei sie nun auf etwa 31.900 gesun­ken, sagte eine Spreche­rin. Die Südwest-SPD ist bundes­weit der fünft­größ­te Landesverband.