Vor ein paar Tagen noch war nicht davon auszu­ge­hen, dass in Deutsch­land in diesem Jahr noch gegen das Corona­vi­rus geimpft wird. Jetzt könnte es doch dazu kommen.

Dies sei Ergeb­nis einer Schalt­kon­fe­renz mit Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU), hieß es auch aus Regie­rungs­krei­sen. Die Gesund­heits­mi­nis­ter­kon­fe­renz der Länder erklär­te, begon­nen werden solle damit insbe­son­de­re in Pflegeheimen.

Die Bundes­re­gie­rung setzt auf eine europäi­sche Zulas­sung für den ersten Impfstoff des Mainzer Unter­neh­mens Biontech und seines US-Partners Pfizer noch kurz vor Weihnach­ten. Wie aus Teilneh­mer­krei­sen der Bund-Länder-Beratun­gen verlau­te­te, wird als Voraus­set­zung für einen Start am 27. Dezem­ber eine Zulas­sung durch die EU-Kommis­si­on am 23. Dezem­ber angenom­men. Die konkre­ten Impfstoff-Chargen müssen auch noch vom Paul-Ehrlich-Insti­tut des Bundes geprüft werden.

EU-Gesund­heits­kom­mis­sa­rin Stella Kyria­ki­des mahnte die Mitglied­staa­ten mit Blick auf die Corona-Impfvor­be­rei­tun­gen zur Eile. «Jeder muss fertig sein um sicher­zu­stel­len, dass der Impfstoff so schnell wie möglich für die Bürger bereit­ge­stellt wird — und das hoffent­lich noch in diesem Jahr», sagte sie der «Welt» (Donners­tag). «Das wäre das schöns­te Weihnachts­ge­schenk für uns alle.»

Kanzle­rin Angela Merkel (CDU) will sich an diesem Donners­tag mit den Biontech-Gründern Ugur Sahin und Özlem Türeci in einer Video­kon­fe­renz austau­schen. Daran sollen auch Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Spahn und Bundes­for­schungs­mi­nis­te­rin Anja Karlic­zek (CDU) teilnehmen.

Spahn stell­te am Mittwoch­abend klar, dass noch alle Patien­ten in deutschen Klini­ken versorgt werden könnten. Auf eine entspre­chen­de Frage in einem ZDF-«spezial» entgeg­ne­te der Minis­ter: «Ja, es können alle Patien­tin­nen und Patien­ten versorgt werden, aber eben unter größter Belas­tung und teilwei­se auch Überlas­tung in den einzel­nen Kliniken.»

Äußerun­gen des Ärztli­chen Direk­tors des Bergland-Klini­kums im sächsi­schen Zittau, Mathi­as Mengel, hatten am Mittwoch für Wirbel gesorgt. Er sagte nach Angaben des Nachrich­ten­por­tals «T‑Online»: «Wir waren in den vergan­ge­nen Tagen schon mehre­re Male in der Situa­ti­on, dass wir entschei­den mussten, wer Sauer­stoff bekommt und wer nicht.» Die Klinik bestä­tig­te eine kriti­sche Lage, die Inten­siv­me­di­zin stoße «an die Grenzen des Leist­ba­ren». Alle Patien­ten erhiel­ten aber «die bestmög­li­che Thera­pie». Sollte man keine Patien­ten mehr aufneh­men können, würden Erkrank­te in umlie­gen­de Klini­ken geflogen.

Der Haupt­ge­schäfts­füh­rer der Deutschen Kranken­haus­ge­sell­schaft (DKG), Georg Baum, sagte den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe (Donners­tag): «Deutsch­land­weit sind wir weit davon entfernt, Triage-Diskus­sio­nen führen zu müssen. Es ist immer noch so, dass wir noch einmal so viele Inten­siv­plät­ze frei haben wie derzeit durch Covid-19-Patien­ten belegt sind, dazu gibt es noch eine Reser­ve.» Triage bedeu­tet, dass Medizi­ner aufgrund knapper Ressour­cen entschei­den müssen, wem sie zuerst helfen.

Der Vorsit­zen­de des Weltärz­te­bun­des, Frank Ulrich Montgo­me­ry, sagte der «Rheini­schen Post» (Donners­tag): «Es wird bei zuneh­men­der Überfül­lung der Inten­siv­sta­tio­nen immer mehr zu Triage-Entschei­dun­gen kommen, und die wird leider von den Ärzten allei­ne getrof­fen werden müssen, weil die Politik uns hier im Stich gelas­sen hat.» Montgo­me­ry zufol­ge ist die hohe Zahl der Corona-Toten nicht allein ein Versa­gen der Politik: «Wir waren eigent­lich hervor­ra­gend aufge­stellt. Aber die Bevöl­ke­rung selbst hat sich nicht vorge­se­hen und an die Regeln gehal­ten, und deswe­gen kommt es nun zur Überlas­tung des Gesundheitswesens.»

Der Chef der Kassen­ärzt­li­chen Bundes­ver­ei­ni­gung (KBV), Andre­as Gassen, bezwei­felt einen Erfolg des seit Mittwoch gelten­den Lockdowns. «Ich gehe nicht davon aus, dass wir bis zum 10. Januar eine relevan­te Absen­kung der Infek­ti­ons­ra­ten und schon gar nicht der Todes­fäl­le errei­chen werden», sagte Gassen dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (Donners­tag). «Ein Lockdown, egal wie hart, ist keine geeig­ne­te langfris­ti­ge Strate­gie in der Pande­mie­be­kämp­fung.» Statt­des­sen sollte mehr für den Schutz der Risiko­grup­pen in den Alten- und Pflege­hei­men getan werden, sagte Gassen. Außer­dem müssten Menschen­strö­me entzerrt werden, etwa durch den Einsatz zusätz­li­cher Busse und Bahnen sowie subven­tio­nier­te Taxifahr­ten für Risikogruppen.

Die Gesund­heits­äm­ter übermit­tel­ten dem Robert Koch-Insti­tut (RKI) am Mittwoch 952 weite­re Todes­fäl­le und 27 728 Neuin­fek­tio­nen binnen eines Tages. Vor einer Woche waren 590 Todes­fäl­le und 20 815 Neuin­fek­tio­nen gemel­det worden. Die hohen Zahlen jetzt erklä­ren sich zum Teil auch durch Nachmel­dun­gen von Daten des Vortags durch das Land Sachsen.