TOKIO (dpa) — Slalom­ka­nu­tin Ricar­da Funk hat ihren olympi­schen Traum wahr gemacht. Das Leicht­ge­wicht im Wildwas­ser­ka­nal tanzte gekonnt auf den Wellen und holte Gold.

Ricar­da Funk sprang nach ihrem Gold-Coup mit ihrem Trainer­team ins Wasser und konnte ihr Glück kaum fassen. Nach einem famosen Ritt durch den Wildwas­ser­ka­nal von Tokio ist die 29 Jahre alte Sport­sol­da­tin am Ziel angelangt.

Funk rausch­te im Kanusla­lom zur olympi­schen Goldme­dail­le und feier­te nach vielen Rückschlä­gen den größten Erfolg ihrer Karrie­re. «Ich kann es einfach nicht glauben, ich kann es einfach nicht glauben», sagte Funk mit Tränen in den Augen. Sie siegte im 25-Stangen-Parcours im Kasai Canoe Slalom Centre vor der Spanie­rin Maialen Chour­raut und der austra­li­schen Topfa­vo­ri­tin Jessi­ca Fox und sorgte für die erste deutsche Goldme­dail­le in Tokio.

Endlich ganz oben bei Olympia

Endlich stand Funk ganz oben — nach all den Rückschlä­gen. 2016 hatte sie Olympia verpasst. Bei Weltmeis­ter­schaf­ten wurde sie Zweite und Dritte im Einzel, nur für den Sieg hatte es nicht gereicht. Bis zu ihrem perfek­ten Tag in Tokio. Das Leicht­ge­wicht schlän­gel­te sich mit Kraft und Eleganz durch die Tore und zeigte keine Nerven.

Das war im Halbfi­na­le noch anders. Funk leiste­te sich als einzi­ge Finalis­tin zwei Stabbe­rüh­run­gen. Dennoch kam sie nach den Patzern an den Toren 4 und 12 dank ihrer Schnel­lig­keit als Dritt­bes­te ins Finale. Das gab Zuversicht.

In Rio hatte sie noch zusehen müssen, obwohl sie 2016 sogar Weltcup-Gesamt­sie­ge­rin war. Nun bangte sie lange um die Tokio-Spiele. «Ich habe mir sehr lange sehr viele Sorgen gemacht, ob das Ganze hier statt­fin­den wird. Ich habe mich nicht vier — in dem Fall fünf — Jahre darauf vorbe­rei­tet, sondern ein ganzes Sport­ler­le­ben lang.» Unter­stüt­zung fand sie immer in der Familie. «Durch meine Familie bin ich zu dem Sport gekom­men, mein Vater hat mich jahre­lang trainiert», sagte sie und ist zudem traurig, dass ihre Liebs­ten nicht vor Ort sein können. «Tickets, alles war schon gebucht». Am liebs­ten hätte sie die Familie «in den Koffer gepackt».

Mit dem Papa früh im Boot

Mit Papa Thors­ten saß sie im Alter von fünf oder sechs Jahren das erste Mal im Boot: «Ich kann mich daran erinnern, dass wir auf dem Rhein gefah­ren sind. Wir sagten: die Wellen von den Schif­fen sind wie Kinder­ge­burts­tag, wir wollen da ein bissel mehr erleben.» Die Liebe zum Kanusla­lom kam erst später. «Anfangs dachte ich, das ist was für Jungs. Ich wollte lieber eine typische Mädchen­sport­art machen wie Reiten oder Tanzen.» Bei ihrem ersten Wettkampf wurde sie Letzte. «Danach habe ich mir gesagt: Nie wieder.» Erst mit 14 entschied sie sich komplett für das Kanu und gab das Tanzen in einer Karne­vals­grup­pe auf.

Ihre Leich­tig­keit — gerade beim Tanz auf den Wellen — ist geblie­ben. Was nicht nur an ihren 53 Kilogramm Körper­ge­wicht liegt. Im Feld der Weltklas­s­ath­le­tin­nen ist sie mit die leich­tes­te, doch sie hat enorme Kräfte am Paddel. «Es ist natür­lich cool, wenn man so ein Kraft-Last-Verhält­nis hat. Das ist bei dieser Sport­art auch ein Vorteil. Manch­mal macht es einfach Spaß, wenn man ein paar Leute ärgern kann.» Zwar könnten sich die robus­ten Kanutin­nen «manch­mal besser durch die Wellen boxen, aber ich bekom­me das Boot einfach besser vorwärts bewegt».

Am liebs­ten im Stile von Harry Potter. Funk liebt die Romane und die Zaube­rei. «Ich warte immer noch auf meinen Brief, der noch nicht angekom­men ist, dass ich endlich nach Hogwarts gehen darf», sagte sie schmun­zelnd und beton­te: «Zaube­rei ist irgend­wie etwas Schönes für Kinder. Ich finde sie aber heute immer noch cool.»

So zauber­te sie sich auch durch das Stangen­la­by­rinth, das aufgrund des stürmi­schen Wetters in Tokio am Diens­tag hin und her wackel­te. Das passte dann auch zu ihrem Credo im Wildwas­ser­ka­nal: «Es ist ein bisschen wie Tanzen auf dem Wasser, wenn ich in der Welle surfe und eine Rückwärts­dre­hung mache.» Nur im Urlaub meidet sie das Wasser. Da liebt sie das Wandern in den Bergen. «Ein reiner Strand­ur­laub wäre für mich zu langweilig.»

Von Frank Kastner, dpa