BRÜSSEL/BERLIN (dpa) — Um Engpäs­se im Winter zu vermei­den, sollen die deutschen Gasspei­cher zur Heizpe­ri­ode so voll wie möglich sein. Ein erstes Speicher­ziel ist jetzt erreicht — doch Exper­ten warnen vor zu viel Euphorie.

Trotz der seit Wochen deutlich reduzier­ten Liefer­men­gen aus Russland sind die deutschen Gasspei­cher wieder zu mehr als 75 Prozent gefüllt. Nach neues­ten, vorläu­fi­gen Daten der europäi­schen Gasspei­cher­be­trei­ber vom Samstag­abend lag der Füllstand am Freitag­mor­gen bei 75,43 Prozent. Damit wurde das erste Speicher­ziel einer neuen Verord­nung mehr als zwei Wochen früher als vorge­schrie­ben erreicht. Der Füllstand wird immer erst mit Verzö­ge­rung gemeldet.

«Wir haben das erste Zwischen­ziel vor der Zeit erreicht. Das ist erfreu­lich», sagte der Präsi­dent der Bundes­netz­agen­tur, Klaus Müller. «Nun gilt es, nicht nachzu­las­sen beim Befül­len der Speicher. Das Gas, das jetzt in die Speicher fließt, kann uns im Winter helfen.» Die nächs­ten Ziele seien ambitioniert.

Die Verord­nung sieht vor, dass die deutschen Speicher am 1. Septem­ber zu mindes­tens 75 Prozent gefüllt sein müssen. Am 1. Oktober sollen es mindes­tens 85 Prozent und am 1. Novem­ber mindes­tens 95 Prozent sein. Die Speicher gleichen Schwan­kun­gen beim Gasver­brauch aus und bilden damit eine Art Puffer­sys­tem für den Gasmarkt.

Für Total­aus­fall gewapp­net sein

Die Bundes­re­gie­rung will mit verschie­de­nen Maßnah­men errei­chen, dass die Gasspei­cher in Deutsch­land zu Beginn der Heizpe­ri­ode fast voll sind. Deutsch­land soll damit im Winter besser gegen einen Total­aus­fall russi­scher Liefe­run­gen gewapp­net sein. Die bei einem Füllstand von 95 Prozent gespei­cher­te Gasmen­ge entspricht etwa dem bundes­wei­ten Verbrauch im Januar und Febru­ar 2022.

Der Füllstand lag am Freitag­mor­gen etwa 0,58 Prozent­punk­te über dem Vorta­ges­wert. Laut Speicher­ver­band Ines werden die derzeit starken Einspei­che­run­gen vor allem durch gerin­ge Sommer-Verbräu­che und starke Impor­te aus Nordwest­eu­ro­pa ermög­licht. Laut Bundes­netz­agen­tur lag der Gasver­brauch in Deutsch­land bis einschließ­lich Juli knapp 14 Prozent unter dem des entspre­chen­den Vorjah­res­zeit­raums. Haupt­grün­de dafür sind nach Angaben des Bundes­ver­ban­des der Energie- und Wasser­wirt­schaft (BDEW) die milde Witte­rung und das hohe Gaspreisniveau.

Russland liefert — noch

Noch pumpt Russland Erdgas nach Deutsch­land. Seit über zwei Wochen ist die wichti­ge Ostsee­pipe­line Nord Stream 1 jedoch nur noch zu rund 20 Prozent ausge­las­tet. Der russi­sche Gaskon­zern macht techni­sche Gründe dafür verant­wort­lich, die Bundes­re­gie­rung hält dies für vorgeschoben.

Der Geschäfts­füh­rer des Speicher­ver­ban­des Ines, Sebas­ti­an Blesch­ke, sprach von einer «guten Perspek­ti­ve», beton­te aber, dass 75 Prozent erst ein Zwischen­ziel seien. «Im Kern geht es um die Errei­chung von 95 Prozent am 1. Novem­ber», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Bei Normal­tem­pe­ra­tu­ren im Oktober werde sich die begin­nen­de Heizsai­son stark auf die Einspei­cher­mög­lich­kei­ten auswir­ken. Aufgrund der stark reduzier­ten Gasim­por­te sei es daher möglich, dass dieses Füllstands­ziel verfehlt werde.

Bei norma­len Tempe­ra­tu­ren und den reduzier­ten Gaslie­fe­run­gen über Nord Stream 1, könne das gespei­cher­te Gas schon im März oder April aufge­braucht sein, warnte Blesch­ke. «Sollte Russland die Gaslie­fe­run­gen ganz einstel­len, schon früher.» Zu Unter­de­ckun­gen kann es nach Einschät­zung des Verban­des aller­dings auch schon vor März kommen. «Denn es kann passie­ren, dass an beson­ders kalten Tagen die Gasent­nah­me aus dem Netz so hoch ist, dass die zeitglei­chen Gasein­spei­sun­gen nicht zur Bedarfs­de­ckung ausrei­chen.» In diesen Fällen müsste laut Blesch­ke die Nachfra­ge reduziert werden, obwohl noch Gas in den Speichern lagert.