LIVERPOOL (dpa) — Wie lief der Eurovi­si­on Song Contest? Für Deutsch­land erneut mies. Wer hat trium­phiert, worüber wurde bei der weltgröß­ten TV-Musik­show gelacht, geweint, getwit­tert? Die ESC-Nacht im Überblick.

Die Pechsträh­ne nimmt kein Ende: Deutsch­land ist beim Eurovi­si­on Song Contest mal wieder Letzter gewor­den. Schwe­den hat den ESC zum siebten Mal gewon­nen. Die Sänge­rin Loreen errang zum zweiten Mal für ihr Land den Sieg bei der größten Musik­show der Welt. 2012 war ihr dies mit «Eupho­ria» gelun­gen, diesmal schaff­te sie es mit dem recht ähnlich klingen­den «Tattoo». Bislang hatte es nur einen zweifa­chen ESC-Sieger gegeben: den Iren Johnny Logan — das war 1980 und 1987, als der Grand Prix noch viel kleiner war.

Finnland wurde in der Nacht zum Sonntag Zweiter, gefolgt von Israel, Itali­en, Norwe­gen und der Ukrai­ne. Öster­reich lande­te auf Platz 15, die Schweiz auf Rang 20.

Deutsch­land wieder ganz hinten

Willst du Deutsch­land oben sehen, musst du die Tabel­le drehen: Das war zuletzt fast immer das Fazit nach dem ESC. Deutsch­land lande­te diesmal mit der Hambur­ger Dark-Rock-Band Lord Of The Lost ganz hinten, wie dies schon 2022, 2016 und 2015 der Fall war. Die deutsche Pleite­se­r­ie der vergan­ge­nen Jahre mit letzten oder (2021, 2019, 2017) vorletz­ten Plätzen unter­brach 2018 ledig­lich Micha­el Schul­te mit einem vierten Platz. «Natür­lich ist das hart, auf dem letzten Platz zu landen», sagte Lord-Of-The-Lost-Sänger Chris Harms nach der Show. Aber das könne «diese unfass­bar schöne Erfah­rung nicht vermie­sen». Sie würden «jeder­zeit wieder mitma­chen». Sie machten jetzt einfach weiter. «Wir haben jetzt den Festi­val­som­mer. Wir haben zig ausver­kauf­te Shows. Wir gehen mit Iron Maiden auf Tour in Europa.»

Die Siege­rin

Loreen verdankt ihren Sieg vor allem den Jury-Votes, bei denen sie 340 Punkte bekam. Von den Zuschau­ern kamen 243 hinzu (zusam­men 583). Die schwe­di­sche Sänge­rin mit langen Krallen­fin­ger­nä­geln ist 39 Jahre alt und stammt aus Stock­holm. Mit «Eupho­ria» hatte sie vor elf Jahren nicht nur den ESC-Titel einge­heimst, sondern war damals auch in Deutsch­land und weite­ren Ländern an die Spitze der Charts gestürmt. Seitdem war es inter­na­tio­nal wieder ruhiger um die Schwe­din geworden.

Der Sieger der Herzen oder zumin­dest des TV-Publikums

Bei den TV-Zuschau­ern lag mit 376 Punkten eindeu­tig Finnlands Rap-Metal-Elektro-Lied vorne (plus 150 Jury-Punkte; gesamt 526). Auch bei den deutschen Fernseh­zu­schau­ern war Finnland die Nummer eins, gefolgt von Itali­en, Albani­en, der Ukrai­ne, Kroati­en, Norwe­gen, Polen, Schweiz, Belgi­en und Schwe­den. Mit nacktem Oberkör­per und einer Art neongrü­nem Bolero um die Schul­tern begeis­ter­te der 29 Jahre alte Sänger Kääji­rä (eigent­lich Jere Pöyhö­nen) mit seiner wilden Nummer «Cha Cha Cha». Das schril­le Lied mit eingän­gi­gem Pop-Refrain und einem pinken Ballett­quar­tett — mit absicht­lich debil grinsen­den Tänze­rin­nen und Tänzern — war nahezu maßge­schnei­dert für den ESC. Auf der Brust trägt Kääji­rä übrigens ein Tattoo, das an das Logo seiner Lieblings­band Rammstein erinnert — ein Vorbild, das man auch aus «Cha Cha Cha» heraus­hö­ren kann. Schon 2006 machte ein finni­scher Beitrag mit einem sehr ungewöhn­li­chen Auftritt von sich reden. Damals holten die als Monster verklei­de­ten Musiker der Heavy-Metal-Band Lordi mit «Hard Rock Halle­lu­jah» den Sieg für das nordi­sche Land.

Die Teilneh­mer

26 Lieder konkur­rier­ten im Finale. Insge­samt nahmen am ESC diesmal 37 Länder teil. 11 Beiträ­ge wurden in den Semifi­nals am 9. und 11. Mai aussor­tiert. Neben Deutsch­land sind als große Geldge­ber automa­tisch Frank­reich, Großbri­tan­ni­en, Itali­en und Spani­en fürs Finale gesetzt, ebenso der Vorjah­res­sie­ger, also diesmal die Ukraine.

Der Auftakt der Show

Das große Finale begann mit einem Einspie­ler mit Szenen unter anderem aus Kiew vom Maidan — wo sich Sänger Oleh Psjuk vom Kalush Orches­tra einen Kaffee holte und wo in der U‑Bahn-Stati­on getanzt wurde. Dann traten die Vorjah­res­sie­ger auch live in der Halle auf. Der 67. Eurovi­si­on Song Contest fand im engli­schen Liver­pool statt, auch wenn 2022 die Ukrai­ne in Turin gewon­nen hatte. Großbri­tan­ni­en war als zweit­plat­zier­tes Land für die vom russi­schen Angriffs­krieg heimge­such­te Ukrai­ne als Gastge­ber­land eingesprungen.

Royale Grüße

Prinzes­sin Kate saß in dem kleinen Einspie­ler zum Auftakt in einer Szene am Klavier. Die Frau von Thron­fol­ger Prinz William trug ein blaues Kleid. Auf dem Insta­gram-Account von William und Kate wurde das Video ebenfalls veröf­fent­licht. Es sei ihr eine Freude gewesen, bei der Aktion mit dem Kalush Orches­tra dabei gewesen zu sein.

Die Flaggen­pa­ra­de

Mit einem Einmarsch und einer Flag-Parade wie bei Olympia ging die Show weiter. Die deutsche Band Lord Of The Lost verzich­te­te jedoch auf eine schwarz-rot-golde­ne Flagge, was manche Twitte­rer monierten.

Die Modera­to­ren

Nachdem die Halbfi­nals die ukrai­ni­sche Sänge­rin Julia Sanina, die «Britain’s Got Talent»-Jurorin Alesha Dixon und die Schau­spie­le­rin Hannah Wadding­ham moderiert hatten, kam zum Finale der Talkmas­ter und ESC-Exper­te Graham Norton hinzu. Warmher­zig führten die Vier durch die Show. Zur Ukrai­ne-Flagge passend trug Dixon ein blaues Kleid und Sanina ein gelbes. Die spannen­de Punkte­prä­sen­ta­ti­on moderier­ten Wadding­ham und Norton. Die 48-jähri­ge Wadding­ham wurde von dem aus Hamburg zugeschal­te­ten deutschen Punkte-Verkün­der Elton angemacht. Ob sie einen Biskuit von ihm nehme, fragte der 52-Jähri­ge. «Es ist Jury, nicht Tinder», kommen­tier­te Norton diesen Witzver­such from Germany.

Der emotio­nals­te Moment

Der ganze Saal stimm­te mit ein, als der nieder­län­di­sche Musiker und ESC-Sieger von 2019, Duncan Laurence, mit Modera­to­rin­nen und Modera­to­ren der Vorjah­re den Klassi­ker «You’ll Never Walk Alone» sang. Dazu wurden viele Ukrai­ne-Flaggen geschwenkt. Tränen der Rührung flossen. Das Lied von Richard Rodgers und Oscar Hammer­stein aus dem 1945 urauf­ge­führ­ten Musical «Carou­sel» ermutigt dazu, vertrau­ens­voll in die Zukunft zu blicken. Es wurde in den 60ern durch die Liver­poo­ler Band Gerry and the Pacema­kers berühmt und ist seitdem die Stadi­on­hymnne des FC Liver­pool. An diesem Abend war es eine bewegen­de Geste an die Ukrai­ne, die unter Russlands Angriffs­krieg leidet und deshalb den ESC 2023 nicht hatte austra­gen können.

Der bitters­te Moment

Während in Liver­pool die Zuschau­er feier­ten, wurde die Heimat­stadt der ukrai­ni­schen ESC-Teilneh­mer Tvorchi von Russland angegrif­fen. Kurz vor dem Auftritt des Duos erschüt­ter­ten Explo­sio­nen russi­scher Raketen die Stadt Terno­pil in der Westukrai­ne. Das teilten die Behör­den mit und riefen die Bewoh­ner auf, Schutz­räu­me aufzusuchen.

Peter Urbans letzte Worte

«Es war mir immer ein Vergnü­gen und eine große Ehre», sagte Peter Urban (75), als er sich nach einem Viertel­jahr­hun­dert als ESC-Kommen­ta­tor vom deutschen TV-Publi­kum verab­schie­de­te. In den nächs­ten Jahren könne er den ESC nun gemein­sam mit seiner Familie schau­en. Er dankte den Zuschau­ern für die Treue, «auch in den Jahren, wenn es für uns nicht so gut lief». Und: «Von einem wunder­ba­ren ESC in Liver­pool sage ich bye-bye. Ihr Peter Urban. Danke.»

Die alter­na­ti­ven Kommentatoren

Für den Öster­rei­chi­schen Rundfunk (ORF) kommen­tier­ten derweil die Enter­tai­ner Jan Böhmer­mann und Olli Schulz den ESC — und fanden mitun­ter deutli­che Worte für einige Acts. Sie redeten im Radio­sen­der FM4 sogar während der Auftrit­te oder sangen bei Liedern mit oder aßen etwas. Obwohl sie für Öster­reich am Mikro­fon saßen, sprachen Böhmer­mann und Schulz recht oft über Deutschland.