Die Corona-Pande­mie prägt unser Leben — auch wie und was wir essen. Wird Kochen zum unaus­weich­li­chen Trend?

NÜRNBERG (dpa) — Auch aus kulina­ri­scher Sicht ist der Lockdown für viele eine Heraus­for­de­rung. Am Wochen­en­de in einem Restau­rant ein lecke­res Menü genie­ßen oder in der Mittags­pau­se mit der Kolle­gin in der Kanti­ne beisam­men sitzen geht nicht mehr.

Wer nicht ständig den Liefer­ser­vice bestel­len will, muss selber für sich sorgen — und das zum Teil neben Homeof­fice, Homeschoo­ling und Kinder­be­treu­ung. Doch Essen ist mehr, als nur satt werden. Bleibt das Lebens­ge­fühl auf der Strecke?

KOCHEN oder zumin­dest Essen selbst zuberei­ten, das müssen in der Corona-Krise alle häufi­ger. Viele Menschen haben jetzt aber auch mehr Zeit und Lust, neue Rezep­te auszu­pro­bie­ren und mit Zutaten zu experi­men­tie­ren. Das zeigt auch ein Blick in die sozia­len Medien, wo sich Influen­cer stolz mit ihren Kreatio­nen präsen­tie­ren. Während im ersten Lockdown Bananen­brot und Sauer­teig­brot zu den großen FOODTRENDS zählten, ist jetzt das Tortil­la-Sandwich der Renner auf Insta­gram und Tiktok.

Kein Wunder, denn Kochen ist noch eines der wenigen Hobbys, mit dem man sich die vielen öden Abende ohne Kino, Theater oder Party vertrei­ben kann. So gaben in einer reprä­sen­ta­ti­ven Studie für den Kochbox-Liefe­ran­ten «Hellofresh» 42 Prozent der 1000 Befrag­ten in Deutsch­land und Öster­reich an, dass Kochen gegen den Alltags­frust in der Corona-Krise helfe. Gleich­zei­tig sagten die Teilneh­mer aber auch, dass es ihnen von Tag zu Tag schwe­rer falle, Inspi­ra­tio­nen für neue Gerich­te zu bekommen.

Die Nachfra­ge nach KOCHBÜCHERN und KOCHSEITEN IM INTERNET ist dementspre­chend groß. Deutsch­lands größter Buchhänd­ler Thalia spürt vor allem mehr Inter­es­se an gesun­der, nachhal­ti­ger und regio­na­ler Ernäh­rung. Belieb­ter als vor der Pande­mie seien auch Bücher mit aufwen­di­gen und zeitin­ten­si­ven Rezep­ten, sagte eine Sprecherin.

Gleich­zei­tig boomen ONLINE-KOCHKURSE. Die Münch­ner Platt­form Miomen­te, die in ganz Deutsch­land Kochkur­se veran­stal­tet, bietet diese seit Spätsom­mer auch digital an. «Wir sehen auf jeden Fall, dass es ein höheres Inter­es­se gibt, selber zu kochen und weil man jeden Tag zu Hause ist, auch mal was anderes zu zaubern», sagt Geschäfts­füh­re­rin Sabine Engel. Gut gebucht seien vor allem Kochkur­se mit exoti­scher Küche oder wenn es um etwas gehe, das kompli­zier­ter sei wie Sushi oder Macarons.

DAS RESTAURANT NACH HAUSE HOLEN — ist zwar nicht ganz so stimmungs­voll wie Essen­ge­hen, aber stilvol­ler als der zurzeit oft genutz­te Liefer­ser­vice. Viele Restau­rants bieten während des Lockdowns hochwer­ti­ge Menüs zum Abholen an. So auch die Mobile Kochkunst in Nürnberg, die jeden Freitag ein Wochen­end-Paket mit Salat, Suppe, Haupt­ge­richt mit Fleisch und Beila­gen sowie einen Nachtisch schnürt.

«Die meisten sind froh, dass sie mal Abwechs­lung bekom­men», sagt Besit­ze­rin Gabrie­le Hussen­e­ther. In ihrer Kochschu­le bringt sie norma­ler­wei­se viele Menschen an einer Tafel zusam­men. Deshalb findet sie, dass beim Menü to go aller­dings das Wesent­li­che fehle: Das Erleb­nis, zum Essen irgend­wo­hin zu gehen und mit Leuten zusam­men zu kommen.

Famili­en essen dagegen jetzt zwangs­läu­fig häufi­ger zusam­men. Doch für die Eltern können die gemein­sa­men Mahlzei­ten in puren STRESS ausar­ten, weil sie nun neben Arbeit, Kinder­be­treu­ung und Homeschoo­ling auch noch regel­mä­ßig kochen müssen — natür­lich möglichst gesund und abwechs­lungs­reich, was die Kinder aber nicht immer zu schät­zen wissen. Die Deutsche Gesell­schaft für Ernäh­rung rät deshalb zu mehr Gelas­sen­heit. «Jeden Tag eine warme Mahlzeit ist zwar wünschens­wert, aber nicht zwingend nötig, um sich ausge­wo­gen zu ernäh­ren», sagt Geschäfts­füh­re­rin Kiran Virmani.

Dass das Mittag­essen in der Schule zurzeit wegfällt, trifft vor allem ärmere Famili­en hart. Norma­ler­wei­se bekom­men deren Kinder das Essen dort kosten­los. Gleich­zei­tig seien Hilfs­an­ge­bo­te wie die Tafeln geschlos­sen oder nur noch einge­schränkt vorhan­den, kriti­siert Micha­el David von der Diako­nie Deutsch­land. Die Hartz-IV-Sätze seien aber zu gering, um allein damit ein Kind gut zu ernäh­ren. Für Kinder unter 14 Jahren seien für das Essen monat­lich 80 Euro vorge­se­hen. Am Tag seien das weniger als 3 Euro. «Das Problem wäre einfach zu lösen, wenn der Betrag, der norma­ler­wei­se an den Schul-Caterer geht, jetzt den Famili­en ausge­zahlt wird», sagt er.