Der Ethik­rat berät und macht Vorschlä­ge. Entschei­den müssen in der Corona-Krise aber gewähl­te Politi­ker. Und am Ende prüfen die Gerichte.

BERLIN (dpa) — Der Deutsche Ethik­rat hält es für falsch, die Corona-Einschrän­kun­gen für Geimpf­te früher zu beenden.

Ohnehin müsse erst geklärt werden, ob von geimpf­ten Menschen weiter­hin eine Anste­ckungs­ge­fahr ausge­he oder nicht, sagte die Vorsit­zen­de des Ethik­ra­tes, Alena Buyx, in Berlin. Eine vorhe­ri­ge indivi­du­el­le Rücknah­me der Maßnah­men nur für Geimpf­te wäre auch mit Blick auf die allge­mei­ne Akzep­tanz der Maßnah­men nicht richtig.

Das Befol­gen von Regelun­gen wie Maske-Tragen oder Abstand halten könne man auch Geimpf­ten weiter­hin zumuten, wenn das notwen­dig sei, hält der Rat in seiner Empfeh­lung «Beson­de­re Regeln für Geimpf­te?» fest. Ratsmit­glied Sigrid Graumann sagte, es sei beispiels­wei­se in der U‑Bahn «nicht zumut­bar, dass jemand kontrol­liert, wer einen Impfpass dabei hat und wer nicht». Wenn viele U‑Bahn-Fahrer ohne Maske unter­wegs wären, sei zu befürch­ten, dass auch die Bereit­schaft der anderen Fahrgäs­te, sich an die Vorschrift zu halten, sinke.

Auf die Frage, ob man von «Privi­le­gi­en» für geimpf­te Menschen sprechen solle, sagte Buyx: «Ich würde mich freuen, wenn man den Begriff nicht mehr benut­zen würde.» Er sei unprä­zi­se und sorge für eine unnöti­ge Verschär­fung der öffent­li­chen Debatte.

Der Ethik­rat plädier­te dafür, die zum Schutz vor Covid-19 extre­men Kontakt­be­schrän­kun­gen in Heimen für Senio­ren, Behin­der­te oder chronisch Kranke nach der Impfung aufzu­he­ben. Der Verzicht auf gemein­sa­me Mahlzei­ten und andere Isola­ti­ons­maß­nah­men, die Depres­sio­nen und ein rasches Voran­schrei­ten von Demenz begüns­ti­gen könnten, sei hier «nur zu recht­fer­ti­gen, solan­ge die in solchen Einrich­tun­gen Leben­den noch nicht geimpft sind».

Hier gehe es nicht um Sonder­rech­te, sondern um die Rücknah­me von der Benach­tei­li­gung», beton­te Graumann. In den Einrich­tun­gen zum Schutz der Menschen, die nicht geimpft werden könnten oder nicht geimpft werden wollten, weiter alle Maßnah­men aufrecht­zu­er­hal­ten, wäre nicht mehr angemes­sen. Die nicht geimpf­ten Bewoh­ner müssten dann mit anderen Maßnah­men wie Schnell­tests, FFP2-Masken und Schutz­klei­dung für Pflege­kräf­te geschützt werden.

Der Rat beton­te, es müsse zwischen staat­li­chen Maßnah­men und Vorga­ben von Unter­neh­men unter­schie­den werden. Priva­te Anbie­ter hätten zwar grund­sätz­lich Vertrags­frei­heit. Wenn es um die «gleich­be­rech­tig­te Teilha­be am Leben» gebe, sollte es jedoch aus Sicht des Rates keine Ungleich­be­hand­lung geben. Wenn aber beispiels­wei­se nach einer generel­len Wieder­eröff­nung von Konzert­hal­len ein Veran­stal­ter entschei­den sollte, nur Geimpf­ten den Zugang zu erlau­ben, so wäre dies durch­aus möglich. «Daraus ergibt sich aber keine Impfpflicht durch die Hinter­tür», beton­te Buyx. Schließ­lich wäre es etwa denkbar dann Tests als Alter­na­ti­ve anzubie­ten. Einen vorge­zo­ge­nen Zugang zur Impfung für Profi-Sport­ler, die an inter­na­tio­na­len Wettbe­wer­ben teilneh­men, lehnte der Rat ab.